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HUYGHEND: "H1"

Mit ‚H1‘ erschien am 17.08.2018 das Debütalbum des aus Köln stammenden experimentellen Popkollektivs ‚Huyghend‘, die sich zusammensetzt aus dem Filmmusik-Komponisten und Hegelforscher Simon Waskow, dem Horrorfilm Regisseur Tilman Singer und dem Eventmanager Thomas Meckel. Die Einstiegsnummer ‚Young Guns‘ wirkt zunächst getragen, fast sphärisch einlullend, doch schon bald wird der Hörer aus jeder Art von Trägheit herausgerissen, durch den ungewöhnlichen, schrägen Klang rückwärts abgespielter Tonspuren; indes normalisiert sich die Nummer schon nach kurzer Zeit – verhältnisweise – und umfängt den Hörer mit ungewöhnlichen, dennoch beruhigenden Klängen. ‚Runners‘ erinnert gesanglich etwas an die ‚Bee Gees‘, musikalisch ist die Nummer eher minimalistisch, zurückhaltend und doch wirkungsvoll. ‚Speedboat‘ klingt eher nach einem Lullaby, denn nach Geschwindigkeit und Rasanz, verstört den Hörer vielleicht ein wenig, besänftigt ihn aber auch mit sich beständig wiederholenden Klangfolgen. Zur vierten Nummer des Albums ‚Edifice‘ wurde bereits ein Musikvideo im Stile eines amerikanischen Roadmovies veröffentlicht. Dieser Clip zu wurde auf einer zweimonatigen Reise durch die Amerika von Miriam Gossing und Lina Sieckmann gedreht. Das Video, in dem zwei Frauen vor etwas Unbekannten flüchten, orientiert sich am feministischen Roadmovie ‚Thelma & Louise‘. Die beiden Künstlerinnen mischen neue 16mm-Filmaufnahmen mit Originalszenen aus dem 90er-Jahre Film und verpassen der Geschichte ein neues Ende. Die Nummer selbst mutet ungewöhnlich und doch auf seltsame Art vertraut an. ‚Traces‘ erinnert klanglich dezent an die achtziger Jahre, wirkt dabei aber durch gewagte, experimentelle Darbietung doch neu und unverbraucht. ‚Lakehouse‘ klingt ein wenig nach der Musik zu einem mysteriösen Computerspiel, würde sich dabei eventuell auch als Score für einen Haunted House Horrorfilm eignen. Tatsächlich steuerte Band den Soundtrack zu Tilman Singers auf der Berlinale 2018 uraufgeführten Spielfilm ‚Luz‘ bei. ‚Slow’ erstaunt und überrascht durch den faszinierenden Einsatz einer verzerrten Stimme, es klingt als sänge ein Roboter; langsam, wie der Titel andeutet, ist die Nummer tatsächlich. Die letzte Nummer des Albums schließlich ‚Mexico‘  schafft es schon nach wenigen Sekunden, dem Hörer den Abschied leicht zu machen, so unangenehm monoton und aufdringlich sind die Töne, die sich einem da zunächst bieten; freilich bringt die Nummer im weiteren Verlauf einen Umschwung, und wandelt sich fast völlig – nach mexikanischen Mariachi klingt sie dabei aber nie.

FAZIT: Ein sehr experimentierfreudiges Album, das durchaus keinen Wert darauf zu legen scheint, massentauglich, angenehm oder leicht hörbar zu sein – zuweilen mag man den Eindruck gewinnen, dieses Album solle nicht einmal erträglich sein. Die Intention dahinter scheint in erster Linie künstlerischen Ambitionen zu entspringen, nicht so sehr rein musikalischen. Ein solches Vorgehen hat es verdient, entsprechend gewürdigt zu werden und das Ergebnis ist – um noch das Wenigste zu sagen – interessant und ungewöhnlich, nahezu skurril mitunter, doch gewisslich ein Erlebnis, welches der Hörer nicht so ohne weiteres ad acta legen und vergessen wird – selbst wenn er dies möchte. Dafür gibt es immerhin 7 von 10 möglichen Punkten.

 
Bewertung:

GENRE: Pop

TRACKLIST:

1. Young Guns
2. Runners
3. Speedboat
4. Edifice
5. Traces
6. Lakehouse
7. Slow
8. Mexico

VÖ: 17.08.2018
Format: CD / LP / Digital
Label: Dorfjungs
Vertrieb: Kompakt
Auf Tour im Norden: -

Rezensent: Florian

--> Musikvideo: Huyghend - Speedboat