Von Gregor Eder
Wer Progressive-Metal Fan ist und noch nichts von Dream Theater gehört hat, sollte sich darüber Gedanken machen, ob er ein Fan des Genres ist! Die Band ist ein absoluter Garant für komplexe Musik, welche nicht nur gut ins Ohr, sondern auch unter die Haut geht.
Im Februar veröffentlichte die Band ihr nun 16. Studioalbum und natürlich folgt nun eine dementsprechende Europa-Tour. Zu meinem Glück hatte ich die Chance vorab mit Keyboarder Jordan Rudess via Zoom etwas über die Tour und die aktuellen Entwicklungen in der Band zu sprechen.
Nach so vielen Interviews sollte ich nicht mehr nervös sein, doch ich muss ehrlich zugeben, dass ich schon etwas aufgeregt war, da es nicht jeden Tag passiert, dass ich mit meinem absolut liebsten Keyboarder sprechen darf. Pünktlichst fanden wir uns in dem Zoom-Meeting ein und schon nach der Begrüßung war meine Nervosität, aufgrund der entspannten Art des genialen Musikers, verflogen.
Meine erste Frage zielte direkt auf die anstehende Tour ab: „Ich habe mir etwas die Spielzeiten der kommenden Konzerte angesehen. In Europa habt ihr teilweise Zeit „Parasomnia“ zu spielen und für Amerika wurde das ja klar angekündigt. Werdet ihr das volle „Parasomnia“-Album auch in Europa spielen?“
Jordan antwortete direkt: „Wir starten mit der „Parasomnia-Tour“ erst im Herbst. Diesen Sommer geht es mehr um unser gesamtes Repertoire und das, was wir bisher schon getan haben. Natürlich bereiten wir auch spezielle Setlists für verschiedene Festivals vor, da wir unterschiedliche Spielzeiten haben. Unser wunderbarer „Setlist-Creator“ und Drummer wird sicherlich einige nette Listen ausarbeiten, aber wir werden definitiv nicht das ganze Album spielen.“
Die europäischen Fans dürfen sich also auf eine abwechslungsreiche Setlist freuen! Nachdem wir nun klargestellt hatten, worauf sich die Fans freuen durften interessierte mich folgendes: „Worauf freust du dich denn schon am meisten auf der kommenden Tour? Oder besser gesagt, gibt es irgendetwas was du speziell schätzt, wenn ihr in Deutschland spielt?“
„Diesmal wird es ja eine etwas lange Tour. Genaugenommen ist diese Tour etwas ungewöhnlich, nicht nur wegen der Länge, sondern auch aufgrund der Kombination aus Festival- und Headliner-Shows. Natürlich freue ich mich schon darauf wieder in Deutschland zu spielen, da wir dort ja sehr viele Fans haben und sehr geschätzt werden. Wenn man die Tour im Großen und Ganzen betrachtet, dann wird einem bewusst, dass es nicht gerade einfach ist so etwas durchzuziehen. Irgendwann kommt der Tag an dem man das Haus verlässt und für satte 2 Monate fort ist. Dann hat man davor ja auch einiges an Songs zu lernen und dazugehörige Proben.
All das ist sehr fordernd, aber schlussendlich freue ich mich schon am meisten darauf in den Flow der Tour zu kommen, die Shows zu spielen und es zu genießen, dass die Vorbereitungen, mental sowie physisch, ihr Früchte tragen. Andererseits freue ich mich natürlich auch schon auf all meine Freunde in Deutschland und in ganz Europa. Du kannst dir vorstellen, dass ich in den vergangenen Jahren sehr viele Freundschaften knüpfen konnte und daher wird es sicherlich schön Alle wieder zu sehen.“ erklärte Jordan.

Dream Theater L to R: John Myung, Jordan Rudess, James LaBrie, Mike Portnoy, John Petrucci
Fotocredit: Wolfe Eliot
Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass das Gefühl, wenn sich die ganze Arbeit lohnt, ein sehr Besonderes sein muss. Nachdem Jordan ein unglaubliches Arsenal an Instrumenten hat, durfte folgende Frage nicht fehlen: „Welches Equipment wirst du auf der Tour am meisten nutzen? Gibt es irgendein spezielles Instrument, dass du diesmal dabei hast?“
Jordan antwortete: „Ich habe ein paar Sachen dabei, welche ich sozusagen wieder ausgegraben habe. Zum Beispiel habe ich diesmal wieder meine Lap-Steel-Gitarre mit, welche ich vor 20 Jahren gespielt habe, als wir „Octavarium“ performt haben. Das Teil habe ich einmal entstaubt und wieder etwas gespielt und es wird sicherlich auch Spaß machen es wieder live zu spielen. Mitunter habe ich auch ein Instrument namens „Continuum“, ein innovatives Hi-Tech Instrument, welches zwar schon ein paar Jahre im Umlauf ist, aber immer noch sehr viel Spaß beim Spielen macht.
Natürlich habe ich auch das Kernstück meines Equipments, den Korg Kronos, ein absolut starkes Instrument, mit mir mit. Genaugenommen habe ich sogar einen Korg Kronos 3, also die neueste Ausgabe und das Teil rockt einfach. Ich sollte also insgesamt bestens für die Tour ausgestattet sein!“
Da konnte ich nur zustimmen! Der Korg Kronos 3 ist ein absolutes Powerhouse, erst recht wenn er von Jordan bedient wird. Nachdem wir bisher noch nicht über das Album „Parasomnia“ direkt gesprochen hatten, fragte ich folgendes: „Ihr seid ja mitunter für eure langen Songs bekannt. Auf „Parasomnia“ wäre der längste Song „The Shadow Man Incident“ mit fast 20 Minuten. Wie entstand diese Nummer und wie schafft ihr es solch lange Songs zu komponieren, ohne dass das Werk zu monoton wird?“
„Es ist etwas lustig, da wir dieses „Long-Song“-Format ja mit Dream Theater schon lange praktizieren und das Ganze irgendwie natürlich von selbst passiert. Ich glaube der Grund dafür ist, dass wir gerne gemeinsam musikalische Themen erschaffen, uns progressiv weiterentwickeln und uns dabei auch keine zeitlichen Grenzen setzen. Es ist immer wieder aufregend für uns etwas weiterzuentwickeln, oder auch schon dagewesene Themen weiter auszuarbeiten oder neu zu arrangieren. Es fühlt sich etwa so an als würde man einen Weg entlang spazieren und immer weitere Möglichkeiten finden weiter zu gehen. Genau diese musikalische Reise macht uns sehr viel Spaß! Speziell mit Dream Theater ist es lustig, da jeder in der Gruppe talentiert ist, aber die jeweiligen Talente sind wiederum etwas unterschiedlich.
Diese Mixtur aus Talenten ermöglicht uns eben solche Songs, wie zum Beispiel „The Shadow Man Incident“ zu kreieren. Man kann sagen, dass ein paar der Mitglieder eher auf Struktur fokussiert sind, speziell wenn es um lange Songs geht. Im Fall von „The Shadow Man Incident“ haben Mike und John den strukturellen Überblick behalten, immer wieder auf Whiteboards mitgeschrieben und sozusagen die Entstehung dokumentiert.
So konnten alle genau sehen wie gewisse Teile entstanden sind. Wenn es um mich direkt geht, dann sehe ich mein Talent eher darin, dass ich konstant über Musik nachdenke und tausende Ideen habe. Ich glaube die Mischung aus struktureller Kompetenz und Ideenreichtum ist das was uns schlussendlich ausmacht und uns die Möglichkeit gibt solche Songs zu komponieren.“: erklärte Jordan.
Eine durchwegs logische Erklärung der Herangehensweise der Band beim Songwriting. Nachdem Jordan Mike Portnoy, welcher nun nach längerer Zeit wieder in die Band eingestiegen ist, schon erwähnt hatte, musste ich direkt die nächste Frage stellen: „Wie fühlt es sich an wieder mit Mike zu spielen?“
Jordan meinte direkt: „Es ist großartig! Es fühlt sich an als hätten wir nie eine Pause eingelegt, als hätte es einfach so sein müssen. Es fühlt sich einfach absolut richtig an. Ich kann nur immer wieder betonen, dass Mike wesentlich mehr ist als ein guter Schlagzeuger. Er kennt sich sehr gut im Musik-Business aus und weiß auch genau wie der Prozess hinsichtlich einer Albumproduktion abläuft. Er hat sein ganzes Leben in dieser Branche verbracht und ist tief verwurzelt in all den Aspekten der Welt der Musik. Es ist wirklich schön ihn zurück zu haben und er bringt eben viel Kreativität und Innovation mit sich, was auch sehr wichtig für uns als Band ist.“
Es tat gut zu hören, dass sich die Band in der aktuellen Formation sehr wohl fühlt und auch der Besetzungswechsel nahtlos durchgeführt werden konnte. Mike Portnoy ist wirklich eine Klasse für sich und speziell in Kombination mit Dream Theater immer wieder für Überraschungen gut.
„Ich glaube die Mischung aus struktureller Kompetenz und Ideenreichtum ist das was uns schlussendlich ausmacht und uns die Möglichkeit gibt solche Songs zu komponieren.“
Jordan Rudess (DREAM THEATER)
Für den Abschluss hatte ich mir eine etwas spezielle Frage aufgehoben: „Nachdem du dich ja sehr viel mit KI auseinandersetzt würde ich gerne wissen, ob Dream Theater in Zukunft auch etwas mehr mit künstlicher Intelligenz arbeiten wird?
„Da machst du nun ein ganz schön großes Fass auf! Ich hoffe wir haben genug Zeit für dieses Thema. Ich habe mich ja schon sehr lange mit verschiedenster Technologie auseinandergesetzt. Ursprünglich führte mich mein Lebensweg ja in die Richtung eines klassischen Pianist, als ich schon mit 9 an die Juilliard kam. Mit 17 oder 18 tauchte ich dann in die Welt der Synthesizer ein und als ich mit fast 19 dann Juilliard verließ, war ich stark daran interessiert welche Instrumente mir in der Zukunft noch dabei helfen würden meine musikalischen Vorstellungen zu verwirklichen.
Daher war ich immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten um mich musikalisch auszudrücken und dabei auch die neueste Technologie mit einzubeziehen. Bisher war es eine wirklich interessante Reise und meine Erfahrungen haben mich dazu gebracht zu überlegen wie Technologie unsere Kreativität erweitern kann, uns weiterhin inspiriert und das Leben auch etwas spaßiger machen kann. Wenn ich nun auf die jetztige Zeit blicke, dann hat KI sehr schnell mein Interesse geweckt. Eine Sache über die ich dann nachdachte, war, dass ich einen musikalischen Klon von mir machen könnte, mit welchem ich dann musizieren kann. Diese experimentelle Idee, also mit einer KI, welche mit meinem musikalischen Wissen und sozusagen mit meinen Ohren mit mir musiziert.
Ich habe absolutes Glück mit derartig begabten Musikern zu spielen, doch mich lies die Idee, mit jemanden zu spielen der so wie ich denkt, nicht in Ruhe. Freudiger Weise hatte ich die Möglichkeit mich mit den Leuten vom M.I.T und dem Boston Media Labs in Verbindung setzen zu können und ihnen diese Idee zu präsentieren.
Schlussendlich durfte ich dieses Projekt in Kooperation mit den Instituten starten und letztes Jahr erschufen wir sozusagen eine Baby-Jordan KI, welche mittlerweile zu einer Teenage-Jordan-KI herangewachsen ist. Glücklicher Weise durfte ich darauf meine Arbeit an dem Projekt fortsetzen und wir nähern uns langsam den Ziel, dass ich sozusagen mit mir selbst musizieren kann. Mitunter war es mir sogar möglich schon ein Konzert zu geben, bei welchem ich die ersten 4 Takte gespielt habe und die KI dann die Kommenden ergänzt hat, sodass wir gemeinsam ein innovatives Set spielen konnten. Den Unterschied, welchen ich zwischen meiner Arbeit am M.I.T und der generellen Nutzung von KI sehe ist, dass mein Projekt ein interaktives ist. Es ist nicht nur eine KI die nur antwortet, sondern eine KI die anhand der aktuell vorhandenen Musik im Moment reagieren und interagieren kann. Das Ganze hat zwar nun nicht viel mit Dream Theater zu tun, aber es ist sozusagen mein eigener Pfad, meine Mission und meine Passion.
Ich bin neben diesen Projekt auch in Zusammenarbeit mit UDIO, einer Firma, welche versucht die verschiedenen Möglichkeiten die KI Musikern bietet zu erforschen. In einigen Wochen gibt es diesbezüglich große Neuigkeiten. Jedenfalls glauben viele Musiker, dass KI ihre Arbeit bedroht, doch es gibt auch viele Leute die verstehen, dass es Wege gibt wie KI und Musiker zusammenarbeiten können und wir dabei auch das Ruder in der Hand haben. Es kommt jedenfalls auch etwas von UDIO, dass genau nach diesem Denken funktioniert.
Hier wird eher versucht KI in das Leben der Musikers zu implementieren, anstatt Musikern ihre Arbeitsgrundlage zu nehmen. Ich finde KI auf jeden Fall sehr interessant und bin gespannt wie sich dieses neue Werkzeug als Inspirationsquelle noch weiterentwickeln wird. Ich verstehe, dass sich viele Menschen darüber auch Sorgen machen, aber aus meiner Sicht muss man sich nur über die Systeme informieren, um zu sehen was möglich ist. Ich sehe zumindest für mich eine gewisse Verantwortung das Ruder bezüglich diesem Thema in die Hand zu nehmen und daran zu arbeiten, dass das Ganze so cool wie möglich wird. „
Ma kann sich also noch darauf gefasst machen, dass Jordan Rudess uns interessante Einblicke in die Welt der KI in Kombination mit Musik geben wird. Abschließend möchte ich mich noch einmal bei Jordan Rudess für das sehr interessante Interview bedanken und euch nicht nur das neue Album „Parasomnia“ empfehlen, sondern auch darauf hinweisen, dass ihr Dream Theater an folgenden Terminen nicht verpassen solltet:
- 10.07.25 – Kunst!Rasen – Bonn
- 11.07.25 – Gilde Parkbühne – Hannover
- 12.07.25 – Stadionpark – Nürnberg
- 14.07.25 – Stadtpark – Hamburg
- 15.07.25 – Parkbühne – Leipzig