Braunschweig, 26.06.2025 – Der Sommerabend im Braunschweiger Applaus Garten begann zunächst mit gemischten Vorzeichen: Eine Unwetterwarnung lag in der Luft, der Himmel war grau, die Stimmung eher verhalten. Doch pünktlich zum Einlass verzog sich der drohende Regen, die Wolken brachen auf, das Licht wurde weicher und langsam füllte sich das Gelände mit einem Publikum, das sich spürbar auf einen besonderen Abend freute. Zwar blieb das Konzert nicht ausverkauft, doch der offenen und ehrlichen Atmosphäre tat das keinen Abbruch. Denn was Mine und ihre Band an diesem Donnerstagabend auf die Bühne brachten, war ein Erlebnis voller Tiefe, Nähe und überraschender Leichtigkeit.
Eröffnet wurde der Abend von der Schweizer Musikerin AKRYL, die mit poetischen Texten und melancholischem Indiepop sofort die Aufmerksamkeit auf sich zog. Ihr neuer Song „Wachstumsschmerzen“ erschien in der Nacht nach dem Konzert und feierte an diesem Abend seine Live-Premiere. Passend dazu ließ AKRYL kleine Postkarten im Publikum verteilen – eine persönliche Geste, die zu ihrer Musik passte: zart, eindringlich und gleichzeitig kraftvoll. Ihre Lieder wirken wie ein Spiegel innerer Zustände, zwischen Verletzlichkeit und Selbstbehauptung, zwischen Glitzer und Salz, wie sie es selbst einmal beschreibt. Der Auftritt war leise, aber eindrucksvoll – ein Einstieg, der Raum ließ und neugierig machte.
AKRYL © Nordevents
Dann betritt Mine die Bühne und mit ihr beginnt ein Konzert, das sich mühelos zwischen Ernst und Verspieltheit, zwischen Poesie und Pop bewegt. Schon mit den ersten Takten wird deutlich, warum sie seit Jahren zu den spannendsten Stimmen im deutschsprachigen Musikraum gehört. Ihre aktuelle Tour zum Album „BAUM“ bringt nicht nur neue Songs mit, sondern auch das Gefühl einer persönlichen und künstlerischen Weiterentwicklung. Die Stücke klingen gereift, ohne an Tiefe zu verlieren, voller Fragen, Beobachtungen und Widersprüchen. Es geht ums Loslassen, um Neuanfänge und um das Aushalten von Unsicherheiten in einer Welt, die an vielen Stellen aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Ehrlich, Nahbar und mit herz
Zwischen den Songs spricht Mine viel, manchmal albern, dann wieder sehr reflektiert. Sie erzählt, dass sie unpolitisch aufgewachsen ist, sich das aber mit den Jahren gewandelt habe. Sie spricht über den gesellschaftlichen Rechtsruck, über Wahljahre, über die Angst vor dem, was kommen könnte. Auch die Schattenseiten der Musikbranche spart sie nicht aus: von Oberflächlichkeit und vom Ideenklau – was sie mit einem Augenzwinkern zum Einstieg in ihren Song „Copycat“ erzählt, bei dem sie den Einsatz verpasst und lachend ergänzt: „Ach so, ich muss ja anfangen!“
Mine © Nordevents
Gerade diese Mischung aus Tiefgang und Selbstironie macht Mine so besonders. Sie ist nicht nur Sängerin, sondern Erzählerin und Gastgeberin. Und sie ist nahbar: Als sie das Publikum auffordert, laut „Weiter!“ zu rufen, falls sie sich zu sehr in belanglosen Geschichten verliert, lässt sich prompt jemand darauf ein – woraufhin Mine lachend weitermacht, ganz so, wie versprochen.
Ihre Band ist dabei weit mehr als nur eine Begleitung. Die Musiker:innen bekommen eigene Parts und werden sichtbar eingebunden. Es wirkt wie ein echtes Miteinander, getragen von gegenseitigem Vertrauen und musikalischer Verbundenheit. Als gegen Ende des Konzerts Songwünsche aus dem Publikum gerufen werden, reagiert Mine trocken: „Wir spielen echte Instrumente. Da müssen wir üben, bevor wir das machen können.“ Wieder so ein Moment, der sie greifbar macht – souverän, witzig und ehrlich zugleich.
Zum Abschluss erzählt sie noch, dass sie eigentlich nur zwei Tickets verlosen durfte – sich aber kurzerhand entschieden hat, gleich acht herauszugeben, weil die Nachrichten, die sie dazu erhalten hatte, so liebevoll waren. Auch das sagt viel über sie: über ihren Umgang mit Publikum, über ihre Haltung und über das, was für sie zählt.
Dass der Abend nicht ausverkauft war, spielt längst keine Rolle mehr. Was bleibt, ist ein Konzert voller echter Momente – musikalisch, persönlich und berührend. Zwischen gesellschaftlichen Themen und persönlichen Geschichten, zwischen orchestralen Arrangements und stillen Tönen zeigt Mine, wie viel Stärke in leisen Zwischentönen liegen kann.