Simply Red in Hannover – Ein Abend zwischen Soul, Nostalgie und Gänsehautmomenten

Christian Habeck

Hannover, 29.10.2025 – Manchmal merkt man schon beim Betreten einer Halle, dass ein Abend etwas Besonderes wird. So ging es mir am gestrigen Abend in der ZAG-Arena in Hannover, als die Luft vor gespannter Erwartung vibrierte. Die Plätze füllten sich langsam, viele in eleganten Jacken, einige mit alten Tourshirts von Simply Red – 1992, 2003, 2010 stand auf den Aufdrucken. Vier Jahrzehnte Bandgeschichte, und irgendwie lag genau das in der Luft: ein Gefühl zwischen Wiedersehen, Dankbarkeit und stiller Ehrfurcht.

Als das Licht gedimmt wurde, ging ein Raunen durch die Reihen. Sekunden später stand Mick Hucknall auf der Bühne – 65 Jahre alt, im dunkelblauen Anzug, das unverwechselbare rot-blonde Haar im Scheinwerferlicht. Keine große Showeinlage, kein lauter Knall, einfach ein Mann, der die Bühne betritt – und eine ganze Halle applaudiert ihm stehend entgegen. Diese Art von Respekt, die man sich nicht erarbeiten kann, sondern über Jahrzehnte verdient.

Simply Red © Nordevents

Schon die ersten Takte von „Money’s Too Tight (To Mention) rissen alle mit. Die Bläser preschten vor, das Publikum sprang auf – und für einen Moment fühlte sich alles an wie 1985. Auf den Leinwänden liefen goldene Dollarsymbole, während Hucknall lächelnd mit den Armen winkte. Danach Jericho“, später „A New Flame“ – ein Reigen aus Erinnerungen, Soul und dieser leicht ironischen britischen Coolness, die Mick Hucknall immer schon ausgezeichnet hat.

Was mich beeindruckte, war, wie unverbraucht diese Songs klangen. Es war keine Nostalgie-Show, kein müdes Durchspielen alter Hits. Vielmehr eine Zeitreise, die lebendig blieb, weil sie aus ehrlicher Leidenschaft bestand. Hucknall sang nicht einfach – er erzählte. Und mit jedem Song schien er uns daran zu erinnern, dass Musik manchmal mehr über unser Leben erzählt als jedes Tagebuch.

Besonders bei „For Your Babies“ wurde es still in der Halle. Nur die Stimme, das Piano, das Saxophon – dieser warme Klang, der so typisch für Simply Red ist. Ich hatte plötzlich das Gefühl, als würde man gemeinsam durch alte Fotoalben blättern: Hochzeiten, Autofahrten, zerkratzte CDs, die man nie wegwerfen konnte.

Vierzig Jahre Simply Red

Dann „Stars“ – der Moment, in dem wirklich niemand mehr saß. Überall leuchteten Handylichter, ein modernes Lagerfeuer aus Erinnerungen. Hucknall breitete die Arme aus, seine Stimme füllte die Arena, und ich dachte: Das ist einer dieser Abende, an denen man spürt, warum Musik Menschen zusammenbringt.

Später dann „If You Don’t Know Me By Now“ – einer dieser Songs, die wie gemacht sind für das kollektive Mitsingen. Der ganze Innenraum sang den Refrain, manche mit geschlossenen Augen, andere mit glänzenden. Es war dieser Moment zwischen Melancholie und Glück, in dem man lächelt und gleichzeitig merkt, dass man älter geworden ist.

Zwischendurch sprach Hucknall über seine musikalischen Wurzeln, über die Soul-Legenden, wie er seine ersten Songs schrieb und präsentierte mit spürbarem Respekt „Reach Out I’ll Be There“ von den Four Tops.

Das Finale begann mit „Fairground“, untermalt von tropischen Visuals – eine Leichtigkeit, die an Urlaub und Sonne erinnerte. Und dann kam das, worauf alle gewartet hatten: „Holding Back the Years“. Warmes Orange-Licht tauchte die Bühne in eine fast intime Stimmung. Hucknall stand allein im Scheinwerferkegel, das Publikum hielt den Atem an. Und in dieser Stille, kurz bevor die ersten Zeilen erklangen, lag ein Moment, der größer war als jedes Feuerwerk.

Man sah ihm an, dass dieser Song immer noch Bedeutung hat – vielleicht sogar mehr denn je. Als die letzten Töne verklangen, blieb er einen Moment stehen, verbeugte sich langsam, erst vorn, dann links, dann rechts. Keine Routine, sondern Dankbarkeit.

Ich verließ die Halle mit diesem Gefühl, das nur gute Konzerte hinterlassen: Man ist erfüllt, ein bisschen wehmütig, aber zugleich erstaunlich leicht. Vierzig Jahre Simply Red – und trotzdem klang nichts alt. Vielleicht, weil gute Musik das gar nicht kann. Sie wächst mit einem, sie altert nicht – sie wird nur ehrlicher.


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