Kettcar- "Ich vs. Wir"
‚Ich vs. Wir‘ heißt das neue Album der im Jahr 2001 gegründeten Hamburger Band Kettcar, bestehend aus Marcus Wiebusch an Gesang und Gitarre, Erik Langer ebenfalls an Gesang und Gitarre, Reimer Bustorff an Gesang und Bass, Lars Wiebusch an Keyboard und Gesang, sowie seit 2010 Christian Hake an den Drums. ‚Ich vs. Wir‘ ist das nunmehr fünfte Album der Band, und erschien am 13.10.2017, nach einer fünfjährigen schöpferischen Pause, in welcher Marcus Wiebusch an einer Soloplatte arbeitete. Vor der Gründung von ‚Kettcar‘ waren Marcus Wiebusch und Frank Tirado-Rosales (der ursprüngliche Drumer) Teil der Band ‚…But Alive‘. Kurz nach der Bandgründung wurde die EP ‚Solange die dicke Frau noch singt, ist die Oper nicht zu Ende‘ zum freien Download auf der Bandhomepage angeboten. Da sich für ihr Debütalbum ‚Du und wieviel von deinen Freunden‘ kein Plattenlabel fand, gründeten Marcus Wiebusch und Reimer Burstorff zusammen mit Thees Uhlmann von ‚Tomte‘ ihr eigenes Label ‚Grand Hotel van Cleef‘. Von der 15-jährigen Jubiläumsfeier des Labels im vergangenen Jahr berichtete Nordevents vor Ort. Als Reaktion auf den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 beteiligte sich Kettcar mit dem Titel ‚Alles vorstellen (Keine Guillotine weit und breit)‘ im Mai 2007 mit vielen anderen Künstlern auf dem ‚Move against-G8‘ Sampler.
Doch nun zum aktuellen Album. Die erste Nummer ‚Ankunftshalle‘ ist ruhig, poppig, der Text etwas düster. ‚Wagenburg‘ beginnt mit beeindruckenden Gitarren, der Text ist sozialkritisch, teilweise etwas kryptisch, doch durchdacht und tiefsinnig. ‚Benzin und Kartoffelchips‘ erzählt eine traurige Geschichte, die sehr aus dem Leben gegriffen klingt. ‚Sommer ’89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)‘ beschäftigt sich mit der Massenflucht von DDR Bürgern über Ungarn nach Österreich, die letztendlich zum Fall der Mauer führte. Die Musik untermalt passend den wortreich erzählenden, realistisch traurigen Stil der Lyriks. ‚Die Straßen unseres Viertels‘ ist eine harmonische Nummer, die raue Stimme fügt sich gut in das Gesamtbild ein, der Text ist bildreich, und wie immer wohldurchdacht. ‚Auf den billigen Plätzen‘ beginnt mit beschwingten Drums, der Text ist erneut sozialkritisch, beschäftigt sich mit der zunehmenden Kluft zwischen Arm und Reich. ‚Trostbrücke Süd‘ ist eine Ballade, der Text erinnert mit seinen Wortkaskaden nahezu an Reinhard May. ‚Mannschaftsaufstellung‘ ist aufregender, punkiger, der Text spricht direkt und schonungslos die Ausschreitungen Rechtsradikaler Gruppen in Deutschland an, und ihre Duldung durch Politik und Medien. Was ist ‚Das Gegenteil der Angst?‘. Diese Frage wird in der gleichnamigen Nummer aufgeworfen – beantworten muss sie letztendlich der Hörer für sich selbst. ‚Mit der Stimme eines Irren‘ ist mitreißend und doch nicht weniger nachdenklich. ‚Den Revolver entsichern‘ ist ein gelungener Abschluss dieses philosophischen, wehmutsvollen und doch aufrüttelnden Albums, der Rhythmus und der gesamte Klang erinnern dezent an Bands wie ‚The Black Keys‘. Der Text ist wiederum eine gelungene Kritik an den momentanen gesellschaftlichen Zuständen, doch mit einer Art verzweifelt optimistischer Note.
FAZIT: Geniale Texte, bis ins letzte durchdacht, sprachgewandt, mutig, melancholisch, oft nahezu depressiv, doch meistens mit einem kleinen Schimmer von Hoffnung darin. Die Musik ist eingängig, oft zurückhaltend, wirkt manchmal nur als Untermalung, als Hintergrund für die Lyriks. Dies könnte man vielleicht auch als einzigen Kritikpunkt anbringen: die Musik ist stellenweise etwas zu zahm, etwas zu zurückhaltend, etwas zu sehr in den Hintergrund gedrängt. Dessen ungeachtet gibt es hervorragende 9 von 10 möglichen Punkten.
--> Musikvideo: Kettcar - Sommer '89 (Er schnitt Löcher in den Zaun) |
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GENRE: Indie-Pop, Indie-Rock
TRACKLIST:
1. Ankunftshalle
2. Wagenburg
3. Benzin und Kartoffelchips
4. Sommer ’89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)
5. Die Straßen unseres Viertels
6. Auf den billigen Plätzen
7. Trostbrücke Süd
8. Mannschaftsaufstellung
9. Das Gegenteil der Angst
10. Mit der Stimme eines Irren
11. Den Revolver entsichern
VÖ: 13.10.2017
Format: CD / LP / Digital
Label: Grand Hotel van Cleef
Auf Tour im Norden: 27.01.2018 Bremen, Schlachthof | 05.-07.02. 2018 Hamburg, Große Freiheit 36| 08.02.2018 Hannover, Capitol | 24.02.2018 Bremen, Schlachthof
Rezensent: Florian |