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KUMMER: "KIOX"

Mit KIOX wurde am 11.10.2019 das Debütalbum des deutschen Rappers Kummer veröffentlicht. Dabei ist es eigentlich nur sein Debüt als Solokünstler. Denn der Chemnitzer Felix Kummer dürfte den Meisten als Frontsänger der Band Kraftklub unter dem Pseudonym Felix Brummer bekannt sein. Doch bereits vor Kraftklub war Kummer unter dem Pseudonym Bernd Bass im Rap-Bereich unterwegs.
Mitte 2019 überraschte Kummer jedoch mit der Ankündigung seines Debütalbums als Kummer. Dazu veröffentlichte Kummer auch den Track "9010", welcher auf dem Album zu finden ist. Ob Felix Kummer auch als Rapper überzeugen kann, erfahrt ihr nachfolgend.

KIOX kommt mit einem schlichten, blauen Cover und weißer Kinderschrift daher. Das Cover täuscht jedoch ein bisschen darüber hinweg, dass Kummer bereits in „Nicht die Musik“ ordentlich gegen die deutsche Rapszene austeilt und uns eindrucksvoll vermittelt, was uns mit KIOX erwartet. Und das ist vor allem nicht die Macho-Business-Motivations-Musik, sondern „verweichlichte Befindlichkeitsscheiße“ (Zitat Kummer). "Alles erlaubt, außer verlier'n - Echte Männer sind Gewinner | Echte Männer weinen nicht - Und auf jeden Fall machen sie keine verweichlichte Befindlichkeitsscheiße wie ich".

Weiter geht es mit dem bereits vorab bekannten Track „9010“. In diesem kehrt Kummer zurück in seine Heimat Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz), dass zu DDR-Zeiten die Postleitzahl 9010 trug. Er schildert die Erlebnisse mit einem Nazi-Peiniger aus seiner Jugendzeit und wie er ihn nun wieder sah. Der Track ist für mich eins der Highlights auf KIOX, denn der reduzierte Bass in Verbindung mit Kummers Stimmlage schaffen es eindrucksvoll, die Zerrissenheit zwischen dem eigentlichen Hass den Kummer empfinden möchte und seinem Mitleid, darzustellen. "Früher wart ihr Action machen, früher wart ihr Zecken klatschen, früher habt ihr Sechzehnjährige den Bordstein fressen lassen, jetzt fallen dir selber die Zähne aus. Glasige Augen, Gestank nach Bier, heute wird keiner mehr drangsaliert, keiner hat mehr Angst vor dir".

Selbstkritisch wird es in „Bei Dir“. Hier hinterfragt Kummer seine eigene Art, mit der er auch gerne aneckt. In „Schiff“ geht es nochmal nach Chemnitz, welches zu Synthie-Klängen als sinkendes Schiff betitelt wird. „Der Rest meines Lebens“ handelt von der Frage die viele Mittzwanziger quält, nämlich ob man schon alles erreicht hat, ob man bereit ist für ein „Spießerleben“ und ob der beste Teil des Lebens bereits hinter einem liegt. Hierzu singt Max Raabe im Refrain sehr passend: "Irgendwann ist es zu spät um zu früh draufzugehn', irgendwann bin ich zu alt, zu alt, um jung zu sterben".

In „26“ spricht Kummer darüber, dass er von Facebook alljährlich an einen im Alter von 26 Jahren verstorbenen Freund erinnert wird und diesem eine Nachricht schreibt. In „Was ist dein Outfit wert“ wird es nochmal ordentlich gesellschaftskritisch, hier wird die Fixierung der Jugend auf hochpreisige Markenkleidung kritisiert. „Aber Nein“ nimmt wie das Intro die deutsche Rapkultur aufs Korn. In „Alle Jahre wieder“ geht’s zurück ins Elternhaus und um das Kritisieren der erwachsenen Kinder durch die Eltern.

Das poppige „Okay“ stellt Kummers misanthropische Weltsicht dar, welche sich in Summe aber eher gegen den fehlenden Individualismus richtet. Zum Abschluss wird es nochmal ganz besonders gefühlvoll, nimmt sich Kummer den schönsten Moment und möchte diesen festhalten: „Denn alles, was noch kommt, ist nur der Rest“.

 
Bewertung:

GENRE: Rap

TRACKLIST:

1. Nicht die Musik
2. 9010
3. Bei Dir
4. Schiff
5. Der Rest meines Lebens feat. Max Raabe
6. 26
7. Es tut wieder weh
8. Wie viel ist dein Outfit wert
9. Aber nein feat. Lgoony & Keke
10. Alle Jahre wieder
11. Okay
12. Ganz genau jetzt

VÖ: 11.10.2019
Format: CD / Vinyl / Digital
Label: KUMMER & EKLAT TONTRÄGER GmbH/ Vertigo Berlin
Vertrieb: Universal Music
Auf Tour im Norden: 07.12.2019 Hamburg, Gruenspan

Rezensent: Jannik

FAZIT: Felix Kummer gelingt mit KIOX ein gelungenes Debüt. Dabei setzt er seine im Intro von „Nicht die Musik" gesteckten Ziele Rap wieder „weich“ und „traurig“ zu machen, eindrucksvoll um. Dieses gelingt ihm vor allem  durch die reduzierten Beats und die sehr guten Texte. Dennoch fühlt sich KIOX weniger eindrucksvoll als Trettmanns „DIY“ an, was für mich vor allem an der deutlich melancholischeren Grundstimmung von KIOX liegt. In Summe bekommt KIOX daher von mir 8 von 10 möglichen Punkten.

--> Musikvideo: Kummer - 9019