Geschwindigkeit, Präzision, Leidenschaft

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Hechthausen, 19.06.2023 (Christian Habeck) - Es war ein Wochenende, das den Puls der Begeisterten höherschlagen ließ. Mit der puren Intensität von Full-Throttle-Action und dem süßen, erstickenden Duft von Methanol, fand das 27. Sandbahnrennen im pulsierenden Herzen von Hechthausen statt. Auf der selbst für Profis schwer zu fahrenden Rennstrecke, deren Geschichte sich durch die frühen Anfänge des Speedways bis hin zu den schroffen Feldwegen vor dem ersten Weltkrieg schlängelt, leuchtete der Geist des Wettbewerbs auf.

Die Fahrer schweben beim Speedway in einer feinen Balance zwischen Kontrolle und Chaos, stets nur eine falsche Bewegung davon entfernt, einen Sturz zu riskieren. Aber es ist gerade diese Mischung aus Risiko und Belohnung, die den Bahnsport zu einem so faszinierenden und aufregenden Erlebnis macht.

Doch bevor ich meine Eindrücke des Wettkampfs schildern möchte, gleich am Anfang ein bisschen historischer Kontext: Speedway ist ein Wettkampf, der in den staubigen Spuren von Australien und Amerika seinen Ursprung hat. Vor fast einem Jahrhundert wurde mit Motorrädern, die kein bisschen weniger als halsbrecherisch als heute waren, die kurvigen Sandbahnen unter den glühenden Sonnenstrahlen entlangjagt. Speedway ist ein Sport, der technisches Können, Ausdauer und vor allem Mut in einer einzigartigen Mischung vereint.

In der Welt des Bahnsports sind die Maschinen ebenso wichtig wie die Fahrer selbst. Sie sind mehr als nur Werkzeuge; sie sind Erweiterungen des Fahrers. Die Motorräder, die im Bahnsport verwendet werden, sind im Vergleich zu den Maschinen, die auf der Straße zu sehen sind, radikal anders. Sie sind leicht, leistungsstark und, vielleicht am überraschendsten, ohne Bremsen. Diese speziellen Motorräder sind darauf ausgelegt, bei hohen Geschwindigkeiten über Sand zu gleiten und dabei die Traktion und Stabilität zu behalten.

Die Motorräder, welche am letzten Wochenende in Hechthausen zu bestaunen waren, sind für den ungeübten Betrachter eine seltsame Mischung aus altmodischem Charme und moderner Ingenieurskunst. Sie sind schlank und minimalistisch, meist aus einer Kombination aus leichtem Stahl und Aluminium gefertigt, um das Gewicht zu minimieren. Trotz ihrer schlanken Erscheinung haben sie dennoch einen starken 500 ccm-Einzylinder-Motor, der genug Leistung liefert, um die Maschinen auf Geschwindigkeiten von über 100 km/h zu bringen.

Genau dieser alte Geist erwachte beim 27. Sandbahnrennen in Hechthausen. Bei sengender Hitze von rund 30 Grad ging es mit rasantem Tempo über die knifflige Sandbahn. Die Fahrer meisterten die Herausforderungen mit der Geschicklichkeit eines Chirurgen und der Unerschrockenheit eines Matadors.

Jeder Fahrer hatte seinen eigenen Stil, seine eigene Herangehensweise und seine eigene Art, mit seiner Maschine zu interagieren. Manche Fahrer neigten ihre Motorräder stark in die Kurven, mit dem Körper nahe am Boden, während andere eine aufrechtere Position einnahmen und versuchten, die Breite der Strecke zu nutzen, um ihre Gegner zu überholen.

Jedes dieser rasanten Überholmanöver sorgte für aufgeregtes Raunen in der Menge. Denn ein Sturz in diesem Sport ist wie ein Zahnarztbesuch - unangenehm und oft schmerzhaft. Glücklicherweise gingen die beiden einzigen Stürze des Tages glimpflich aus.

Die Reifen der Maschinen gruben sich ab etwa 09:00 Uhr in den lockeren Sand, schleuderten eine Wolke aus Staub in die Luft und hinterließen tiefe Spuren, die von den fleißigen Helfern in ihren LKW und Treckern nach jedem Rennen wieder geglättet werden müssen.

 

Jedes Motorrad, das im Sandbahnrennen eingesetzt wird, ist übrigens ein Unikat, das auf die spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten seines Fahrers zugeschnitten ist. Obwohl die meisten von ihnen eine Leistung von etwa 80 PS haben und nur etwa 80 Kilogramm wiegen, sind diese Maschinen wahre Kraftpakete. Sie sind darauf ausgelegt, in wenigen Sekunden auf Geschwindigkeiten von bis zu 130 km/h zu beschleunigen und dabei die Kontrolle zu behalten, wenn sie durch die Kurven gleiten.

Erfahrene Piloten berichteten mir, dass es durchaus passieren kann, dass ein bis zwei dieser Motoren während eines Rennwochenendes ihren Dienst quittieren und instandgesetzt werden müssen. Drehzahlen jenseits der 10.000 Umdrehungen und eine außergewöhnlich hohe Verdichtung verlangen Mensch und Maschine alles ab. So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass am letzten Renntag eine Maschine mit Motorenausfall und zwei weitere mit gerissenen Antriebsketten während eines Laufs ausschieden. Ein besonderer Augenblick des Rennwochenendes war zweifellos die Anwesenheit des Lokalmatadoren und Deutschen Vizemeisters Jens Buchberger, der mit der Gravität eines Kriegsgenerals und der Präzision eines Uhrmachers in der Solo-B-Lizenz-Klasse antrat. Kein Wunder – immerhin ist es sein 25 Jahr mit B-Lizenz.

Die schroffe Schönheit des Sandbahnrennens wurde noch durch die anwesenden Zuschauer betont, deren Zahl zwar nicht ganz die erwarteten 1.000 erreichte, aber dennoch ein Stadion schuf, das vor Enthusiasmus und Freude zum Bersten gefüllt war. Und Alle, die sich entlang der Strecke versammelt hatten, konnten die Spannung, das Dröhnen der Motoren und den Geruch des verbrannten Treibstoffs in der Luft spüren. Man konnte beobachteten, wie die Fahrer Runde für Runde ihre Fähigkeiten und ihren Mut unter Beweis stellten, während sie mit hohen Geschwindigkeiten durch den Sand pflügten. Jeder Überholvorgang, jeder enge Kurveneinlauf und jede erfolgreich abgeschlossene Runde wurden mit Applaus und Jubelrufen belohnt.

Wie bei jedem sportlichen Ereignis waren es aber nicht nur die Fahrer, die zum Gelingen dieses Rennwochenendes beigetragen habe. Die Helfer, die Organisatoren, die Fans, jeder hatte seinen Anteil am Erfolg dieses Ereignisses. Es ist diese Gemeinschaft, diese Leidenschaft, die den Bahnsport zu einem so einzigartigen Erlebnis macht. "Am Rennwochenende werden etwa 50 Helfer dabei sein. Viele haben uns aber natürlich auch schon im Vorfeld unterstützt. Die Firma Hahn stellt uns beispielsweise kostenlos ihre Geräte zur Verfügung", berichtete Sabrina Buchberger in einem Interview.

Nach einem aufregenden Tag, der mit rasanten Rennen, beeindruckenden Fähigkeiten und atemberaubenden Momenten gefüllt war, endete das 27. Sandbahnrennen in Hechthausen am späten Nachmittag. Die Fahrer und ihre Maschinen hatten alles gegeben, und das Publikum war begeistert. Gefühlt, war auch diese Veranstaltung viel zu schnell zu Ende. Aber – und  das ist das Schöne am Bahnsport: Es gibt immer ein nächstes Rennen, immer eine nächste Chance, das Unmögliche möglich zu machen.