Alligatoah in Bremerhaven – beeindruckend & perfekt wie ein Gemälde von Monet

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Bremerhaven, 18.03.2023 (Christian Habeck) - Bis zum Mittag stand überhaupt noch gar nicht fest, ob der Künstler überhaupt auftreten würde. Das Konzert in Köln am Abend zuvor musste nämlich krankheitsbedingt abgesagt werden. Aber das lange Bangen machte sich bezahlt und gut 4.000 Besucher fanden den Weg in die Stadthalle Bremerhaven. 4.000 Besucher heißt für Bremerhaven – restlos ausverkauft. Das schaffen dieser Tage nicht viele Künstler – vor allem nicht in Bremerhaven.

Und die Stimmung war von Anfang an großartig und die meisten Zuschauer konnten es kaum erwarten, ihre Lieblingssongs live zu hören. Die Setlist bestand hauptsächlich aus Stücken des aktuellen Albums "Rotz und Wasser", darunter "Nachbeben", "Nicht adoptiert", "Feinstaub", "Ich hänge" und "Nebenjob". Auch einige ältere Stücke wurden gespielt und sorgten für besondere Begeisterung beim Publikum.

Lukas Strobel, besser bekannt unter dem Künstlernamen Alligatoah, wurde am 28. September 1989 in Langen geboren und wuchs in Neuenwalde auf. Seine Eltern, eine Tänzerin und ein Schauspieler, gaben ihm bereits in jungen Jahren den Hang zum Spiel mit verschiedenen Rollen und Method Acting mit auf den Weg. In der Jugend drehte er eigene Kurzfilme und gewann mit dem 1. Platz beim HüllerJugendFilmFest 2007 einen frühen Erfolg.

Während seine Freunde eher Punk hörten, sammelte Alligatoah Einflüsse von Bands wie System Of A Down und deutschem Battle-Rap von Aggro Berlin. Bereits mit 16 Jahren spaltete er mit seinen Mixtapes nicht nur Gemüter, sondern auch sich selbst: Er schlüpfte in die Rollen seiner Alter Egos Kaliba 69 und DJ Deagle und formte so das fiktive Rap-Duo Alligatoah. Sein Album „ATTNTAAT“ und das Mixtape „Schlaftabletten, Rotwein I“ stellte er kostenlos ins Netz.

2007 folgte das Mixtape „Schlaftabletten, Rotwein II“ und ein Jahr später unterschrieb er bei der Labelsparte der Künstlerplattform rappers.in. Sein zweites Album „In Gottes Namen“, das sich satirisch mit religiösem Fanatismus auseinandersetzt, brachte ihm den ersten öffentlichkeitswirksamen Erfolg ein. Anfang 2009 wurde es vom Hip-Hop-Magazin Juice als „Demo des Monats“ ausgezeichnet.

Sein drittes Album "Triebwerke" erreicht 2013 auf Anhieb den ersten Platz der deutschen Albumcharts. Wie bei den meisten seiner Studioalben gibt es ein übergreifendes Konzept, das sich durch alle Tracks zieht. Bei "Triebwerke" geht es um das Thema Liebe und Erwartungen in einer Beziehung, das Alligatoah auf seine unverkennbar ironische Art in Songs wie "Willst du" und "Narben" behandelt.

Alligatoah schlüpft auf seinen Alben stets in fiktive Rollen und verfolgt damit einen anderen Ansatz als die meisten Rapper, die auf Authentizität großen Wert legen.

Auch bei seinen Konzerten bleibt er dieser dramaturgischen Herangehensweise treu. Er begeistert sein Publikum seit seiner ersten Tour "Reise nach Jerusalem" im Jahr 2014 mit einem kreativen Bühnenbild im Stil von Deichkind oder Jack Blacks abgedrehter Hardrock-Band Tenacious D, skurrilen Kostümen und dichten, tiefgründigen Raps mit melodischen und popähnlichen Hooks und Refrains. Alligatoahs Texte zeichnen sich durch eine oft ironische und sarkastische Sprache aus und behandeln oft gesellschaftliche Themen.

Gegen 20:15 Uhr betrat Alligatoah mit etwas Verspätung dann endlich die Bühne in einem 80er Jahre-Look mit langem beigem Trenchcoat, Sonnenbrille mit gelb gefärbten Gläsern, weiter Schlaghose und mit einem Walkman ausgerüstet. Er begann sofort mit einem energiegeladenen Song aus seinem neuen Album. Die Menge tobte und sang lauthals mit. In diesem Moment spürte man die Magie und die Kraft, die Musik haben kann.

 

Alligatoah fesselte das Publikum mit seiner Ausstrahlung und seiner Stimme und schaffte es, die Energie des Publikums auf eine höhere Stufe zu bringen. Die Zuschauer waren von Anfang an begeistert und sangen textsicher mit. Die Lightshow und die Bühnendeko trugen dazu bei, dass die Atmosphäre in der Halle einzigartig war. Es war deutlich zu spüren, dass die meisten der 4.000 Besucher die Songs des neuen Albums "Rotz und Wasser" kannten und feierten.

 

Alligatoah und seine Band zeigten eine großartige Performance, die durch ihre Energie und Leidenschaft gekennzeichnet war. Die Musik war perfekt abgemischt und jeder Ton kam kristallklar durch die Lautsprecher. Alligatoah wechselte zwischen Gitarre, Keyboard und Rap-Parts und bewies dabei seine Vielseitigkeit als Künstler. Alligatoah selbst schien von der Stimmung im Publikum begeistert zu sein und bedankte sich immer wieder für die tolle Atmosphäre. Er erzählte einige Anekdoten und Geschichten zwischen den Songs und schaffte es so, das Publikum noch mehr für sich zu gewinnen.

Besonders beeindruckend war die Lichtshow, die die Performance begleitete. Die Beleuchtung wurde perfekt auf die Musik abgestimmt und trug dazu bei, dass die Konzertbesucher in eine andere Welt eintauchen konnten. Alles in allem war die Atmosphäre auf dem Konzert von Alligatoah atemberaubend und unvergesslich. Die Begeisterung des Publikums war deutlich spürbar. Immer wieder wurde laut mitgesungen und geklatscht, sodass die Stadthalle beinahe bebte.

Viele Fans hielten ihre Handys in die Höhe und filmten den Auftritt, um sich später noch einmal daran erinnern zu können. Es gab einige besondere Momente während des Konzerts, die mir besonders in Erinnerung geblieben sind. Ein Highlight war die Live-Performance von "Nicht adoptiert", bei der das Publikum in einem Meer aus Handy-Lichtern schwamm. Besonders emotional wurde es bei einigen älteren Stücken, die Alligatoah zum Besten gab. Gerade der der Song "Ich hänge" rührte einige Zuschauer zu Tränen und sorgte für Gänsehautmomente im Publikum.

Nach rund eineinhalb Stunden wollte Alligatoah das Konzert mit dem Titel „Trauerfeier Lied“ beenden, was von den Fans aber überhaupt nicht akzeptiert wurde. Lauthals wurden Zugaben gefordert. Lange ließ sich der Künstler nicht bitten und kam dann tatsächlich noch einmal für gute zwanzig Minuten auf die Bühne, um noch einmal alles zu geben. Von Krankheit war an diesem Abend zum Glück überhaupt keine Spur. Ganz im Gegenteil.

Alligatoah war an diesem Abend nicht nur ein großartiger Musiker, sondern auch ein charismatischer Entertainer. Er interagierte immer wieder mit dem Publikum, ermutigte es zum Mitsingen und animierte es, laut zu klatschen. Besonders bei "Nebenjob" gab er den Fans die Möglichkeit, den Refrain allein zu singen, was für eine Gänsehaut-Stimmung sorgte. Ob es um das Komponieren von Musik, das Schreiben von Texten oder die Inszenierung seiner Shows geht, er bringt immer frischen Wind in die Szene. Auf der Bühne verwandelt er sie in eine einzigartige Mischung aus Battle-Rap-Arena, Zirkus und surrealem Theater. Wenn man die Gelegenheit hat, eine Live-Performance von Alligatoah zu sehen, sollte man sie keinesfalls verpassen.