Brandenstein zeigt: Moderner Schlager ist weitaus mehr als nur Herzschmerz

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Bremen 14.02.2023 (CH) - Lange mussten die Fans von Joel Brandenstein auf sein Konzert warten. Coronabedingt wurden die Konzerte immer wieder geschoben und nach drei schier endlosen Jahren, war es vorgestern endlich soweit: Der berühmte Pop-Schlagersänger konnte seine Tour beginnen und die ausgefallenen Konzerte nachholen.

Den Tourauftakt machte ein Konzert in der Laeiszhalle in Hamburg und schon der zweite Termin führte ihn am Valentinstag direkt nach Bremen ins Metropol Theater. Pünktlich um 20:00 Uhr begann die Show vor knapp 900 Leuten. Und er ist nicht allein gekommen, um das bunt gemischte Publikum zu begeistern: Auf der Bühne unterstützen ihn: Laura Zimmermann an der Geige, Kay Röttgen am Schlagzeug, Cornelius Thiem am Cello, Fabian Regel am der Gitarre und Taka Joseph am Klavier. Und es gab noch einen Überraschungsgast. Aber dazu später mehr.

Joel Brandenstein mischt die Musikszene auf. Der Pianist, der seine Karriere durch eigenständige Bemühungen und mit Unterstützung seiner 2015 verstorbenen Mutter gestartet hat, beeindruckt mit Pop-Balladen, die von seiner rauchigen Stimme getragen werden. Seine authentischen Lyrics sind wie vertonte Tagebuch-Einträge und haben die Menschen dazu gebracht, sich in seine Musik zu verlieben. Sein YouTube-Kanal von 2011 hat den Grundstein für seine erfolgreiche Karriere gelegt, die schließlich in einigen Top-20-Chart-Platzierungen gipfelte und zu ausverkauften Konzerten führte. Seine Songs wurden dabei insgesamt mehr als 280 Millionen Mal gestreamt.

2008 begann Joel Brandenstein sein musikalisches Abenteuer, und er tat es mit viel Einsatz. Der in Ratingen bei Düsseldorf geborene Künstler entdeckte bereits im Alter von sieben Jahren seine Liebe zum Klavier und schreibt seine Songs noch heute am liebsten am Piano. Seine Eigeninitiative, seine erste Single "Diese Liebe" zu veröffentlichen, zahlte sich aus: Am Weihnachtswochenende 2014 war das Lied überall zu hören. In den folgenden Jahren erschienen weitere Hits wie "Grenzenlos" und "Lebenskraft", die seine charakteristische Stimme und eleganten Pop vereinen. Im April 2017 folgte dann das erwartete Debütalbum "Emotionen", das direkt auf Platz 1 der deutschen Album-Charts katapultiert wurde.

Joel Brandenstein zielt präzise auf seine nächsten Erfolge ab. In seinem künstlerischen Repertoire fehlte es jedoch an erfolgreichen Projekten mit anderen Künstlern. Das änderte sich im Jahr 2020 als er Vanessa Mai als perfekte Duettpartnerin findet. Ihre gemeinsame Single „Der Himmel reißt auf“ begeistert Fans auf beiden Seiten und findet ebenfalls den Weg in die deutschen Single-Charts.

Es sind vor allem die authentischen Textpassagen, die die treuen Hörer von Joel Brandenstein so begeistern. Er erzählt unbeschwert von gescheiterter Liebe, dem Mut zu träumen und zwischenmenschlichen Beziehungen in ihren verschiedenartigsten Formen. Dadurch beweist er, dass Alltagsgeschichten durchaus die Grundlage für inspirierende Lyrik sein können. So auch auf seinem neuesten Album.

Denn vor knapp zwei Wochen veröffentlichte der Schlagersänger mit „Schwarz und Bunt“ sein drittes Album und hat sich einen seiner größten Wünsche erfüllt – ausverkaufte Konzerte und eine Verlängerung der Tour. Jetzt geht er wieder auf Tour und bringt neben „Emotionen“ auch „Feel“-ings mit. Nicht umsonst hat er sich das Wort auf die Haut tätowieren lassen. Alle Fans erinnern sich noch an die Gefühle, die Songs von seinem Album „Frei“ im Jahr 2020 ausgelöst haben. Voller Erwartungen startet also nun, fast drei Jahre später, die nächste Tour.

Im Fokus der Tour stehen die Songs seines neuen Albums. Bereits mit den ersten Klängen von „Kein Zufall“ macht sich echtes Gänsehaut-Feeling im Metropol Theater breit. Natürlich ist den Fans bewusst, dass die Stimme von Joel Brandenstein eigentlich kaum eine musikalische Begleitung benötigt, um zu berühren. Das feine Zusammenspiel der Instrumente, der gefühlvollen Worte und eben dieser Stimme erreicht dann aber doch noch einmal eine ganz neue Tiefe und sorgt dafür, dass scheinbar kaum ein Auge trocken bleibt.

Aber es wurden nicht nur die Lieder des aktuellen Albums gespielt. „Blauer Fleck“, „In Dein Herz“, „Arm oder Reich“ standen genauso auf dem Programm und luden zum Mitsingen sein, wie „Keine ist wie Du“ oder „Einer liebt immer mehr“.

  

Als die Stimmung schon recht ordentlich war, präsentierte Brandenstein nach dem achten Song einen Überraschungsgast: Florian Künstler. Künstler scheint eine der musikalischen Neuentdeckungen des Jahres zu werden. Der Lübecker Singer-Songwriter sorgt seit Wochen bei TikTok für Furore und begeistert mit seinen ganz intensiven und poetischen Texten. Über 10 Mio Aufrufe seiner Songs bei TikTok zeigen, wie angesagt der Musiker aktuell ist. Kein Wunder also, dass „Kleiner Fingerschwur“ dankend vom Publikum aufgenommen wurde. Im Anschluss sang Künstler jedoch nicht ohne Werbung für seine aktuelle Tour zu machen noch ein weiteres Lied, welches das Publikum ebenfalls begeisterte.

Aber keiner von Beiden braucht eine große Show – das wurde schnell klar. Besonders eindrucksvoll wurde das bei meinem persönlichen Highlight des Abends. Der Musiker versammelte seine Bandmitglieder um sich und setzt sich keinen Meter vom Publikum entfernt auf den Bühnenrand und performte unplugged. Man muss diese Musik abseits des Mainstreams mögen. Das ist klar. Und Schlagerpop ist mit Sicherheit auch nicht jedermanns Sache. Aber wer sich wie das Publikum im Metropol darauf einlassen kann, der wird mit leicht rauchiger Stimme und Herzschmerz belohnt. Mein Highlight waren trotzdem genau diese beiden ohne jegliche Verstärkung vorgetragenen Lieder deshalb, weil Brandensteins Stimme vollkommen zur Geltung kommen konnte. Gerade bei sehr basslastiger Musik drohte seine Stimme am gestrigen Abend ab und an im Dröhnen zu ertrinken, was sehr schade war.

Aber warum der Name „Schwarz oder Bunt“? Mit den Songs seines neuen Albums sorgt Brandenstein dafür, dass schnell deutlich wird: Es gibt eben nicht nur Schwarz oder Weiß. Seine Songs sprechen Themen an, die vielen Menschen auf der Seele liegen. Fast scheint es, als würden die Lichter der Smartphones gar nicht mehr ausgestellt werden, da einfach jeder Song das Potenzial hat, eine melancholische Stimmung zu erzeugen und den Zuschauern das Gefühl zu geben, dass sie mit ihren Sorgen nicht allein sind.

Wer nun aber denkt, dass es auf dem Konzert von Joel Brandenstein keine Möglichkeit gibt, das Leben zu feiern, der kennt den Künstler schlecht. Längst nicht alle Songs leben von sanften Tönen. Ob „Laute Liebe“ oder auch „Goodbye“ – auf eine fast schon beeindruckende Weise zeigt der Sänger und Songwriter, dass tiefsinnige Texte ihre Botschaft auch mit Schwung übermitteln können.

Gerade das Gefühl der Gemeinsamkeit sorgte dafür, dass das Konzert von Brandenstein zu einer interessanten Erfahrung wurde. Es scheint, als würden die Menschen alle in einem Boot sitzen. Auch wenn das Album erst wenige Tage auf dem Markt ist, konnten die meisten Songs bereits mitgesungen werden.

Gegen 22:00 Uhr neigte sich das Konzert dem Ende zu und Wehmut kam beim Publikum auf. Aber auch das Gefühl, an diesem Abend Mut, Kraft und vor allem Verständnis gefunden zu haben. Selbstredend forderten die Fans nach gut zwei Stunden musikalische Zugaben. Erstaunt war ich über die große Bandbreite der Altersstruktur des Publikums, was ich so tatsächlich nicht erwartet hatte. Denn neben eher jüngerem Publikum, waren auch viele lebensältere Menschen unter den Fans zu finden.

Auch als Entertainer überzeugte Brandenstein: Der Ablauf folgte keinem starren Konzept, sondern wirkte frisch und spontan und die kleinen Anekdoten, sowie die Spielereien zeigten echte Publikumsnähe. Immer wieder ging er auf Zwischenrufe ein, stand sogar für Selfies zur Verfügung und wirkte dabei absolut authentisch. Joel Brandenstein scheint aktuell der Inbegriff des Schlager-Pops und der lebende Beweis dafür zu sein, dass moderner Schlager so viel mehr kann, als nur oberflächlich und klischeehaft zu unterhalten.