Viel Musik und ein wenig Protest

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Hannover, 26. 07.2017 – Nach dem ausverkauften NDR 2 Plaza Festival im Vorjahr waren dieses Jahr merklich weniger Zuschauer anwesend. Am Wetter konnte es nicht gelegen haben, mit über 25 Grad und Sonnenschein war es bestes Festivalwetter. Vielleicht lag es daran, das sich NDR 2 nach 17 Jahren erstmals als Präsentator beim diesjährigen Festival zurück zog.

NDR 2 gab an, mit Texten wie "Marionetten" mit rechts- und verschwörungstheoretischen Gedankengut der Söhne Mannheims nicht konform gehen zu wollen. Politiker aus Hannover hatten gar eine Absage des Naidoo-Auftritts gefordert. Auf ihrer derzeit laufenden Tournee spielt die Band das umstrittene Lied nicht. Als Grund nennt sie „musikalische Motive“. Das Management schien sensibel geworden zu sein, nur bestimmte Fotografen durften in den Graben und mussten einen Fotovertrag unterschreiben. Mitglieder von „Die Partei“ verteilte vor den Eingängen Bastelanleitungen zum Bau von Aluhüte gegen die umstrittenen Aussagen. Einige Besucher kamen diesen nach.

Auch die Sicherheitsvorkehrungen nach den Anschlägen von Manchester waren größer als im Vorjahr. Für Besucher ohne Taschen wurde extra eine Fast-Lane eingerichtet und Besucher mussten durch Metalldetektoren gehen.

Das Festival eröffnete Henning Wehland, ebenfalls einer der Köpfe der Söhne Mannheims. Mit seinem ersten Solo-Album „Der Letzte an der Bar“ ging er an den Start. 1994 setzte er mit dem Debüt-Album seiner Band H-Blockx Maßstäbe im deutschsprachigen Crossover. Ende des vergangenen Jahres kündigte Henning Wehland sein erstes Solo-Album mit einem Video an. Darin zollen ihm Kollegen wie Samy Deluxe, Xavier Naidoo, Sarah Connor, Johannes Oerding und Johannes Strate von Revolverheld Respekt. Wehland brachte auf der Stage auch ein Statement zu den Verwürfen gegen die Headliner.

Nach dem recht kurzen Eröffnungsgig von Wehland stand der Newcomer und Jan Böllemann-Geschädigter Max Giesinger und seine Band auf der Bühne. Er nahm die Zuhörer mit auf seine musikalische Reise und animierte immer wieder aufs Neue zum Mitmachen. Mehr als 18 Millionen Views auf YouTube, Platz zwei in den Single-Charts und eine Gold-Auszeichnung machten aus dem ehemaligen „The Voice Of Germany“-Finalisten der ersten Staffel einen der zurzeit populärsten deutschsprachigen Musiker. Mit einer neuen Version seines Songs „80 Millionen“ schuf der ehemalige Straßenmusiker die Hymne zur Fußball-Europameisterschaft – und überholte damit sogar die offiziellen EM-Songs in den Charts. Auch „Wenn sie tanzt“ , die zweite Singleauskopplung des Albums, spielte Max an diesem Nachmittag. Max tanzte an diesem Nachmittag zwar nicht mit 80 Millionen, aber über 20.000 waren ist immerhin. Seinem „The Voice Of Germany“-Coach Naidoo dürfte es gefallen haben. Auch sein Ausflug durch die Zuschauermenge kam gut an.

Gegen 17:00 Uhr kam die vierköpfige britische Indie-Rockband Bastille auf die Stage, um ihr aktuelles Album „Wild World“ vorzustellen. Vor vier Jahren landete die Band mit „Pompeii“ einen internationalen Top-Ten-Hit. In den USA erhielt der Song eine fünffache Platinauszeichnung, in Großbritannien stand er knapp zwei Jahre ununterbrochen in den Charts. Auch ihr Debüt-Album „Bad Blood“ wurde zum Millionseller. Zahlreiche Auszeichnungen und zwei Grammy-Nominierungen folgten. Im Sommer dieses Jahres meldeten sich die Londoner mit dem treibenden Hit „Good Grief“ zurück. Ein starker Auftritt der Band, die offensichtlich die treuesten Fans hatte. Diese warteten bis in die Abendstunden vor dem Eingang in den Backstagebereich beharrlich auf das Ersteinen ihrer Idole.

 

Erstklassigen Alternative-Rock-Sound brachten die fünf Musiker von Walking On Cars. Mit der Single „Speeding Cars“ feierte die Band ihren internationalen Durchbruch. Ihr Debüt-Album „Everything This Way“ schoss bis auf Platz eins der irischen Charts. Sechs Monate lang zogen sich Sänger Patrick Sheehy Keyboarderin Sorcha Durham, Gitarrist Dan Devane, Bassist Paul Flannery und Schlagzeuger Evan Hadnett, die sich bereits seit Schultagen kennen, in ein einsam gelegenes Cottage zurück, um an ihren folkigen Alternative-Rock-Nummern zu arbeiten, die sie dem begeisterten Publikum in Hannover vortrugen. Viel Keyboard und Akustikgitarre sowie eingängliche Melodien.

Die Songs der Iren sind massenkompatibel, so wurde auf ihrer Tour schon in größere Locations gewechselt. Mit ihrem Sound ecken die Musiker von Walking in Cars nicht an. Austauschbar aber ohrwurmtauglich sind die Lieder mit den melancholischen Texten aber allemal. Diese Art des Singen von Sheehy lässt während des Auftrittes immer mal wieder aufhorchen, selbst wenn sich die Band sonst schon sehr auf den frischen Ruhm von Hits wie „Hand in Hand“, „Flying High Falling Low“ „Two Stones“ oder „Speeding Cars“ verließ, der sich nach einer Mischung von Snow Patrol, Imagine Dragons und Coldplay anhörte.

Er scheint in letzter Zeit überall zu sein, so durfte er auch hier wieder nicht fehlen: Bosse. Nach 2013 trat er dieses Jahr zum zweiten Mal auf der Plaza-Bühne auf. Mit „Engtanz“ feierte der Braunschweiger Axel Bosse in diesem Jahr sein erstes Nummer-Eins-Album. Bereits das Vorgängeralbum erhielt eine Gold-Auszeichnung und stand 38 Wochen in den Charts. Alte Songs wie „Kraniche“, „Schönste Zeit“, „So oder so“ standen genauso auf der Setlist wie seine neuen Songs wie „Steine“ vom aktuellen Album. Seine Optik, als wäre er von einer Kneipentour direkt auf die Bühne gestolpert, seine leicht verwirrte Art, seine groteske Manier über die Bühne zu tanzen und seine gekonnte Animation des Publikums, dass ihn dann auch feierte und immer wieder mitmachte, machte ihn wieder sympathisch und einzigartig. Er zerbrach einen Mikrofonständer. „Ne, nicht schon wieder!“ war sein Kommentar dazu. Außerdem sagte er, das die Generation von heute es so gut hat wie nie zuvor. Sie sollen politisch werden in dieser Zeit und gegen Kriege, rechte Gewalt und -vielleicht nicht ganz ungewollt erwähnt- auch gegen Reichsbürger sein.


Gegen 22:00 Uhr traten dann die als Headliner gesetzten Söhne Mannheims mit Stücken ihres sechsten Studio-Albums auf. Songs wie „Geh‘ davon aus“, „Und wenn ein Lied“, „Vielleicht“ und „Das hat die Welt noch nicht gesehen“ beendeten den Festival-Abend. Viele sahen den Headliner gar nicht mehr, denn nach Bosses Auftritt begann schon eine massive Abwanderung der Zuschauer. Das nächste Plaza-Fesival ist für den 25. Mai 2018 bereits in Planung. Dann wird NDR 2 wohl wieder an Bord sein.