Interview mit Fritz Puppel von City

Von Laura Fatteicher

City leiten nach einem halben Jahrhundert mit über über 15 Millionen verkauften Tonträgern und etwa 2.500 gespielten Konzerten “Die letzte Runde” ein. Zum 50. Jubiläum verabschiedet sich die Kultband von ihren Fans. Doch das Jubiläumsjahr soll noch einmal richtig groß gefeiert werden. Am 1. April erscheint ihr letztes Doppelalbum mit brandneuen und unverkennbaren City-Songs. Gleichzeitig erscheint eine umfangreiche Biografie, die auf eine ereignisreiche Bandgeschichte bis zu den Anfängen in der DDR zurückblickt. Zudem wird die Band auf zahlreichen Deutschlandkonzerten ihre Karriere ein letztes Mal live Revue passieren lassen.

Haben Sie Ihr Jubiläum schon als Band zelebriert?

Fritz Puppel: Nein, haben wir nicht. Der Geburtstag war zwar schon im Februar, aber wir sind derartig auf Volldampf programmiert, dass wir erst mal das Album fertig gemacht haben. Das kommt jetzt am 1. April raus – und das ist kein Scherz. Zudem haben daran gearbeitet, dass das letzte Jahr richtig groß wird, farbig, bunt und knallig, damit wir nicht den Eindruck erwecken, dass wir gerade so bis zum Schluss durchkriechen.

Hatten Sie einen besonderen Anspruch an das letzte Album?

Fritz Puppel: Was wir jetzt nicht machen, machen wir nie mehr. Wir hatten jetzt aber keinen ungewöhnlichen Druck. Am 30.12. ist Schluss. Wenn dann beim letzten Konzert das Licht angeht, der Lärm aus und der Nebel verflogen ist, dann ist nichts mehr übrig. Aber wir wollen natürlich, dass von uns etwas bleibt und das sollen natürlich Songs sein, die länger leben. Ein Song des Albums nennt sich “Apokalypso” und wandelt die Pandemie bzw. die aktuelle Situation in einen schwungvollen Tanz – natürlich mit einem Augenzwinkern.

Wie bleiben Sie positiv in Zeiten wie diesen?

Fritz Puppel: Es hilft ja nicht, deprimiert zu sein und den Kopf in den Sand zu stecken, weil wir denken, es ist das Ende der Welt. Wir müssen mit dem offensiv umgehen. In dem Song “Wir haben Wind gesät” gibt es die Zeile “Es gibt nichts was uns hindert, besser zu sein.” Das ist vielleicht das Credo. Wir müssen immer dran bleiben und dürfen nicht aufgeben. Ich nehme mal an, alle vernünftigen Leute, die normal denken, können gar nicht anders denken.

Wir haben ja auch einen großen Verlust gehabt, durch den Tod unseres Schlagzeugers, der uns schon sehr getroffen hat. Und trotz der seelischen Treffer ist es so, dass man daraus auch Kraft schöpft. Wir hatten vereinbart und gesagt, dass wir gemeinsam über die Ziellinie gehen und die Ziellinie war die fünfzig. So haben wir uns das auch streckenweise immer wieder aufgebaut. Und ich sagte Klaus, dass wir ihn nicht allein lassen, egal was passiert. Diese Ziellinie wollten wir erreichen und danach schlagen wir kein neues Kapitel mehr auf. Es war für alle unvorstellbar, dass wir ohne ihn, der die Band so geprägt hat und der mit mir die Band gegründet hat, da ankommen. Aber das hat uns nicht davon abgehalten, trotz aller Trauer, uns ins Studio zu begeben und ein Doppelalbum raus zubringen.

Es wird auch eine Biografie über City geben (“Einmal wissen, dieses bleibt für immer – CITY. Das Buch”). Wie haben Sie all die Erinnerungen an die Jahre festgehalten?

Fritz Puppel: Mir ist die Gabe zugeflogen, dass ich mir vom ersten bis zum letzten Konzert alles merken konnte. Ich kenne alle Geheimnisse der Band. Was ich alles mit ins Grab nehmen muss bei 50 Jahren Bandgeschichte ... Ich habe zu den anderen gesagt, dass wir jetzt aufhören müssen, denn ich habe Angst, dass ich da selber nicht mehr rein passe (lacht).

Wie blicken Sie auf Ihre Karriere zurück? Was war Ihr bisher schönster Moment?

Fritz Puppel: Den schönsten Moment würde ich jetzt anders formulieren, aber der für mich wichtigste Auftritt war 1978 das erste mal im Kant-Kino in Westberlin. Denn da mussten wir als Ostband beweisen oder erfahren, ob der Beifall, den wir überall im Osten hatten, was taugt. Das war ein Laden, in dem die Großen alle das erste mal in Berlin aufgetreten sind. Und der Programmgestalter war schon vorsichtig, dass wir da sein Programm nicht versauen. Das war für uns natürlich die entscheidende Sache.

Inwieweit haben Ihre Vorstellungen von dem damaligen Westen mit der Realität übereingestimmt?

Fritz Puppel: Die Vorstellungen waren eher etwas diffus. Wir haben das ja nur als Musiker gesehen. Ich habe keine Autos, Kaufhäuser oder ähnliches gesehen. Die Frage war: Haben wir da Bestand. Am Anfang waren wir auch im Hamburger Logo, das war unser erster Auftritt. Da haben wir an zwei oder drei Abenden gespielt und das waren für uns die wichtigsten Sachen. Wir haben festgestellt, dass die Leute sehr interessiert waren. Unser erstes Album war ja auch im Westen sehr erfolgreich. Viele haben gar nicht gewusst, dass wir eine Ostband sind, weil die Plattenfirma im Westen aus Hamburg war.

 

 

 

Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, nach Ihrem 50. Bandjubiläum in Ruhestand zu gehen?

Fritz Puppel: Das war einmal der Tod von unserem Schlagzeuger, der im Mai 2020 verstorben ist. Dann überkam uns gleichzeitig diese “Seuche”, so nenn ich es mal, da haben wir 16 Monate nicht gespielt. Und dann ist gereift, dass wir gesagt haben, wir tun nochmal alle Kraft und alle Ideen rein, um nochmal ein richtig großes Ding zu machen – unter der Überschrift für uns: “Wenn’s am schönsten ist, dann sollen wir aufhören.” Denn was soll noch im 51. Jahr passieren. Deswegen gehen wir auch nicht mit gekrümmten Rücken durch dieses Jahr, sondern wir hauen richtig auf den Putz. Wir haben ein schönes Album gemacht, ein Buch und wir spielen mit den Berliner Symphonikern zusammen. Das wird ein großes, großes Fest zum Abschluss sein.


Fotocredit: Michael Petersohn

Gibt es noch einen unerfüllten Traum mit der Band, der in den 50 Jahren nicht Realität wurde?

Fritz Puppel: Es gibt natürlich immer noch Träume, zum Beispiel mit den Rolling Stones zusammen zu spielen und so weiter. Aber letztendlich muss ich sagen, das was wir gemacht haben, war ein Geschenk. Wir haben ein wunderbares Leben gehabt, es gab natürlich auch Rückschläge, aber erstmal ist es etwas ganz Besonderes. Wir sind schon über Jahrzehnte zusammen und wir erleben etwas, was den meisten ja nicht zufällt. Das ist ein besonderes Leben und ich bin dankbar dafür, was wir erfahren haben. Wir waren überall in der Welt und überall wurden wir gefeiert. Etwas Schöneres kann ich mir nicht vorstellen. Da bleibt jetzt nichts übrig im Sinne von elementaren Sachen, die mir gefehlt haben. Und gerade vor zwei Monaten haben wir eine Auswertung von Spotify bekommen: 2021 wurde unsere Musik in 121 Ländern gestreamt – an jedem Tag des Jahres 1.000 Stunden. Das hört sich doch utopisch an. In 50 Jahren, was soll man da noch sagen, da kann man sich nur freuen. Und es konnte sich keiner vorstellen, wo die Reise hingeht.

Auf Ihrem neuen Album wirken auch andere Künstler mit. Werden auch auf Ihrer Abschiedstournee Gäste dabei sein?

Fritz Puppel: Im Mai haben wir mehrere Konzerte mit den “Rock Legenden”. Die Konzerte waren eigentlich schon 2020 geplant und werden jetzt nachgeholt. Und da spielt zum Beispiel “Maschine” (Dieter Birr) von den Puhdys mit, Silly mit AnNa R., und so weiter. Sie haben uns zum Abschied – und das wird dann auch bei den Rock Legenden zelebriert – ihre Varianten von einigen Songs geschenkt. Silly hat “z.B. Susann”, die Puhdys “Casablanca” und Matthias Reim hat zusammen mit dem Berliner Sinfonieorchester “Wand an Wand” gemacht. Mit dem Sinfonieorchester sind wir besonders Stolz, die spielen ja nicht mit jedem zusammen. Für uns ist das eine Ehre, und wir haben schon einen öffentlichen Auftritt in der Pressekonferenz mit ihnen gehabt. Wenn wir zusammen mit denen “Am Fenster” spielen, dann ist das so, als ob der Song Flügel und Sternenstaub bekommt.

Welchen Rat können Sie Musikern mit auf den Weg geben, die gerade noch ganz am Anfang stehen?

Fritz Puppel: Ich muss da mal unseren Sänger Toni Krahl zitieren. Auf die Frage, wie man eine Rocklegende wird, hat er gesagt: “Einfach nicht aufhören.” Es ist natürlich eine andere Zeit. Ich musste damals nur eine Gitarre in die Hand nehmen und es hat gereicht, damit die Leute klatschen. Die Zeiten haben sich natürlich geändert. Aber je mehr die Welt sich schneller dreht, umso mehr zerfällt sie in hunderttausend Sachen und umso wichtiger ist es, dass man einen Fahrplan einhält. Ich habe in meinem Leben gesagt, dass ich eine Sache mache, und die richtig. Und ich stelle mich nicht irgendwann immer wieder hinten an. Die Verlockungen waren ja teilweise groß, nach dem Mauerfall Versicherungen zu verkaufen oder Immobilien oder Autos,... Aber man muss einfach dabei bleiben, auch wenn das leicht gesagt ist.

Im Mai gehen City mit den Rock Legenden auf Tour, gefolgt von zahlreichen weiteren Konzerten in Deutschland. Begleitet werden sie in ausgewählten Städten von den Berliner Symphonikern. Das allerletzte City Konzert findet am 30.12.2022 in der Berliner Mercedes-Benz Arena statt. Vielen Dank für das Interview.