Interview mit Rainer und Christof von Fury In The Slaughterhouse Von Patricia Mikolasch Die Hannoveraner Rock Urgesteine von Fury In The Slaughterhouse veröffentlichen nach 15 Jahren ihr erstes offizielles Album und ich durfte mit Rainer und Christof von den englisch singenden Deutschen ein nettes Pläuschchen halten. First things first- ihr bringt ein neues Album raus- worum geht es? Rainer: „Es geht um die Rettung der Welt, die Liebe, Abenteuer, um Kinder, denen die Welt versaut wird und Personen, die gehen und nicht wieder kommen, um uns alle, um die Wahrheit, dass man zusammen mehr schafft als alleine und darum, dass man zu Coronazeiten auch in der Küche tanzen kann und zwar zu der Musik, die man mag und bloß nicht aufzugeben.“ Ok. Punkt. Kurz und knapp 12 Songs in wenigen Worten „erklärt“. Als erstes offizielles Album nach 15 Jahren- wo lag in der Arbeit am Album der „entscheidende“ Unterschied zu den alten Alben? Rainer: „Da gibt es ganz viele- da hat jeder vielleicht seine eigene Ansichtsweise, aber zwei Sachen sind ganz wichtig: A. der Produzent und B. dass wir zwangsweise ein anderes System hatten - wir hatten immer nur 4- 5 Tage im Studio, haben nur einen Song gemacht und sind dann wieder gefahren. Früher hat man das so gemacht, da wusste man schon welche Songs auf´s Album sollen - da hat man immer Vorproduktionen gemacht und das schon ausgesucht. Dann hat man immer alle Bässe und alle Schlagzeuge gemeinsam aufgenommen, das dauerte dann eine Woche und dann hat man noch die Gitarren aufgenommen und die Keyboards dauerten dann noch zwei Wochen. Dann noch Chöre und irgendwelche anderen Sachen, das war dann auch nochmal eine Woche, dann hat der Sänger vielleicht auch noch eine Woche oder länger gesungen und dann wurde es gemischt. Das ist eine ganz fürchterliche Art aufzunehmen, wie wir jetzt festgestellt haben, denn man verliert total den Überblick. Und jetzt haben wir es so aufgenommen, dass wir ins Studio gefahren sind und einen Song aufgenommen haben- so lange, bis wir ihn mochten und dann sind wir wieder gefahren und kamen wir das nächste Mal wieder und wussten, wir haben schon einen geilen Song und haben den nächsten Song aufgenommen. Genau so und danach kamen wir wieder und wussten, wir haben schon zwei geile Songs und so ging es dann weiter bis wir irgendwann 12 Songs hatten, die wir richtig gut fanden. Unser Produzent, dazu kann Christof noch etwas sagen, hat den anderen großen Teil dazu geleistet. Christof: „Diese Idee des Produzierens von vier, fünf Tagen kam eben auch von ihm, weil er sagte- und da hat er völlig recht, die Bereitschaft eines Musikers etwas gut zu finden, lässt nach vier bis fünf Tagen massiv nach - das kenne ich eben auch von früher: Du fängst etwas an mit viel Euphorie und dann hörst du es nochmal und nochmal und zwei Wochen später dann nochmal und dann hörst du irgendwann nur noch die Fehler und überhaupt nicht mehr die Qualität. Und jetzt war es halt so, wir haben diesen Song gemacht, sind nach Hause gefahren, haben einen Roughmix gehört und alle haben sich gefreut und gesagt, toller Song, lasst den nächsten machen. Und das war eben wesentlich motivierender.“ Gab es auch in der Songarbeit Unterschiede? Christof: „Doch auch, weil auch viel im Studio entstanden ist. Die Songs waren vorher noch nicht fertig, auch wenn wir mit Ideen ins Studio gekommen sind, aber wir haben den Songs dann eben die Zeit gegeben, sich dahin zu entwickeln, wo sie am Ende waren. Also wenn wir nach zwei Tagen gemerkt haben- ne, das ist jetzt doch nicht mehr so gut und das Schlagzeug passt nicht mehr, dann musste Rainer nochmal ran und musste nochmal ein anderes Schlagzeug spielen. Wir haben tatsächlich erst Ruhe gegeben, wenn der Song da war wo wir denken, dass er hinwollte.“ Den Gedanken der Eigenständigkeit eines Songs finde ich gut… es geht weiter. Würdet ihr sagen, dass es nach der ganzen Zeit trotzdem ein „typisches“ Fury In The Slaughterhouse Album geworden ist? Christof: „Jo - ich finde, es klingt schon sehr deutlich nach Fury. Es hat zwar einen neuen Klang und ein bisschen brettigeren Sound durch Vincent gekriegt, aber irgendwie und das ist ja auch das Tolle an dieser Band, dass wenn wir sechs zusammen Musik machen, dann klingt´s halt nach Fury- da können wir machen was wir wollen. Es gab mal Zeiten, da wollten wir das verändern, da hieß es dann mal „Oldschool“, klingt schon wieder wie Fury, aber das ist natürlich Quatsch, weil es ist einfach ein Geschenk, dass es so ist. Rainer: "Aber wir haben trotzdem probiert und deshalb würde ich aber trotzdem zu untypisch tendieren, etwas hinzukriegen, was wir bei den letzten 14 Alben nicht hinbekommen haben, nämlich diese Energie, die diese Band auf der Bühne hat, mal auf eine Platte zu kriegen. Das war immer sehr schwierig, das hat irgendwie immer nicht funktioniert. Wir waren immer eine energiegeladene Krawallkapelle auf der Bühne und alle haben es geliebt und dann hat man sich die Alben angehört und hat sich so gedacht: Ja, das ist zwar alles schön und gut, aber es ballert viel mehr, wenn wir es live spielen und deswegen haben wir dann Vincent ausgesucht, denn er macht ja eigentlich keine Popmusik- er produziert Die Toten Hosen, Die Broilers, In Extremo, die Donots, also alles gitarrenorientierte, laute Kapellen, ist aber Popfan- Queen ist so sein Liebling. Und wir sind die mit den Melodien und den Hymnen und das zusammen ergibt komischerweise genau das, was wir immer haben wollten: Wahnsinnig viel Energie, aber trotzdem große Melodien. Und deshalb ist es etwas untypisch- denn dieses Mal haben wir es geschafft, das, was wir die letzten Jahre davor nicht geschafft haben." Ihr sagt ja selbst, es gibt den typischen „Fury-Sound“- was ist denn oder war- vielleicht hat er sich auch geändert - der Kern eurer Musik? Christof: “Das ne Frage…. A-Dur würde ich sagen. Ne, ich glaube, es lebt schon davon, dass Thorsten (der andere Gitarrist) und ich aus ziemlich verschiedenen musikalischen Ecken kommen, wenn wir aber unsere Gitarren zusammen mixen, dann kommt eine ziemlich einzigartige Mixtur dabei raus- das gehört auf jeden Fall dazu. Und dann ist da natürlich noch Kai´s Stimme, die auch sehr prägend ist, aber es ist eben auch genauso wie Rainer dann Schlagzeug dazu spielt. Das gehört da auch alles dazu. Es ist die Art und Weise, wie sich die Dinge ineinander fügen, was den Kern von Fury ausmacht. Rainer: „Ich denke mal, dass diese Band einfach einen charakteristischen Sound hat und das macht es im Endeffekt aus. Da kannst du auch uns nach 15 Jahren Pausen in den Keller gehen lassen, drückst uns ein Instrument in die Hand, gibst uns ein bisschen Strom aus der Dose und dann zähst vier vor und dann spielt die Band los und nach drei Minuten oder drei Sekunden weißt du eigentlich: Das ist Fury!". Christof: „Das lässt sich nicht verhindern ;)" Rainer: „Das ist der größte Vorteil, den du als Musiker haben kannst- einen Wiedererkennungswert. Und den haben wir einfach, das liegt unter anderem daran wie wir untereinander Musik sehen, fühlen und interpretieren. So wie ich klinge und wie Christof Gitarre spielt und wenn dann Thorsten dazukommt, dann verzahnt sich das und das gibt so eine Melange und diese Melange ist einfach Fury. Kannst du schlecht kopieren.“ Das stimmt. Fury kopieren- wirklich ziemlich schwer. Und wenn wir gerade bei Wiedererkennungswert, Musik fühlen und hören sind: Was macht Musik für euch interessant? Rainer: „Sie muss mich berühren. Wenn es mich berührt, ist es gute Musik. Gute Musik ist, wenn etwas in mir freigesetzt wird. Entweder ich finde es total Scheiße- dann mache ich die Kiste aus oder ich werde irgendwie neugierig oder es setzt ein Gefühl frei, wie ein Soundtrack zum Leben oder ich erinnere mich an irgendwas- und da ist es auch egal, was es für Musik ist- das geht auch mit Klassik, ich habe gar keine Probleme damit. Bei Klassik habe ich das immer, dass ich Bilder sehe, das fand ich total faszinierend und bei Rockmusik oder Balladen.
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Da gibt es Songs, die machen ein bisschen traurig oder Songs, die geben so viel Gas, dass sie mich motivieren- das setzt dann etwas frei. Und das ist es - was anderes ist es nicht `was macht es mit dir…?` Wenn es was mit dir macht ist es gut- oder so beschissen, dass es weg muss.“ Copyright by Olaf Heine Christof: „Ich glaube, dass Musik einfach auch ein Grundbedürfnis von uns Menschen zu sein scheint. Ich glaube, dass wir, als wir noch an den Lagerfeuern der Welt saßen, bevor wir angefangen haben zu sprechen, angefangen haben zu singen. Da bin ich der festen Überzeugung. Wir haben einfach die Klänge genommen, die in der Natur um uns herum waren. Wenn du deinem Herzschlag zuhörst- das ist der erste Rhythmus, den du in deinem Leben hörst und den hast du schon wahrgenommen, bevor du aus Muttern raus bist. Insofern glaube ich, ist es, wie Atmen, ein Grundbedürfnis von uns Menschen. Technomusik wurde vielleicht erfunden, um die Bären von der Höhle fernzuhalten ;-) Ich glaube tatsächlich, es ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen und das Faszinierende an der Musik für mich ist, dass ich in der Lage bin mit Musik Dinge auszudrücken, wofür mir die Worte fehlen. Und das finde ich das Spannende an Musik, das löst bei mir dann auch aus, dass es Dinge in mir bewegt, die nicht wirklich vordergründig bewusst sind oder vernunftbegabt sind, sondern die irgendwie anders funktionieren.“ Ach, wie schön, dass es wieder ein Gespräch mit tollen Bildern und bewegenden Gedanken ist, denke ich mir und muss dabei schon wieder die Zeit im Blick behalten. Wenn wir gerade schon bei „deep thoughts“ und unbewusstem sind- meine nächste Frage: Kennt Ihr das Gefühl, dass Musik als Kunst- als allumfassendes „Wesen“ in irgendeiner Form zu heftig oder zu viel für euch wird? Christof: „Im Produktionsprozess zum Beispiel oder wenn wir geprobt haben, dann träume ich die ganze Zeit davon und dann nervt es manchmal wirklich. Wenn ich nachts damit beschäftigt bin, die Songs, die ich tagsüber schon geprobt habe, nachts weiter zu proben. Oder auch wenn man Songs schreibt, dass ich drüber nachdenke, also es passiert unbewusst und dann wird’s manchmal ein bisschen anstrengend finde ich auch, aber ansonsten bereitet mir Musik so ein Vergnügen, dass mich das eigentlich nie stört. Oder das ich mich davon bedrängt fühle.“ Ich meine gar nicht unbedingt nur im negativen Sinne, sondern auch im positiven. Musik setzt ja eine unglaublich positive Energie frei- ist das manchmal zu viel, habt ihr manchmal Angst die Kontrolle zu verlieren? Christof: „Wenn ich auf der Bühne bin, dann will ich die Kontrolle verlieren- die besten Konzerte sind eigentlich die, wenn ich von der Bühne komme und nicht nicht mehr weiß, was in den letzten zwei Stunden passiert ist. Oder, was ich für dummes Zeug gesabbelt habe." Rainer: "Ich wollte gerade sagen, du weißt doch sowieso nicht, was da passiert, oder?“ (allgemeines Gelächter) „Ja, weil wir meistens gute Konzerte haben, aber ich liebe ja genau diesen Moment, an dem ich die Kontrolle verlieren kann beim Musik machen. Das ist für mich ja das Magische an Musik. Anderseits verliere ich die Kontrolle eigentlich nur, wenn ich den Text vergesse, das ist auch mein einziges Problem. Ich bin ein Textängstling, ich habe immer Angst, dass ich meine Texte vergesse und wenn ich dann im Stress bin. Zum Bespiel jetzt- wenn ich mir 12 Songs reingreifen muss auf die Schnelle und dann noch abends im Hotel sitze und trainiere, ohne Musik, was natürlich nicht funktioniert, aber muss ja irgendwie, weil ich eine Fernsehaufzeichnung habe. Dann machst du das und machst das und dann geht´s mir so wie Christof- dann schlafe ich ein und wache nachts um drei Uhr auf, will wieder einschlafen und dann denke ich ´Scheisse- The Beauty- wie war die zweite Zeile?` und dann hängt das da. Das sind Momente, wo es mir einfach zu viel wird, aber positiv genug kann es mir gar nicht sein. Da habe ich überhaupt kein Problem, beim Plusthermometer ist alles perfekt- je mehr, desto besser. Deswegen mache ich es ja, das ist wie eine Droge. Wenn es einfach funktioniert und du schreibst einfach einen Song und dann kommt der Refrain und du singst und dann hörst du und schiebst es so hin und auf einmal hat es so eine Mischung. Dann denkst du dir `Alter, das ist es!` das sind ja die Momente, um die es geht- die halten zwar nicht so lange, aber die nimmst du halt mit, das sind so die Peaks und die negativen Varianten sind halt ein bisschen schlimmer… Aber ich finde- und das ist ja auch das Schöne am Leben- diese Sinuskurve. Denn ohne, dass du mal unten durchs Tal fährst, macht dir die Bergspitze auch keinen Spass, denn du kannst sie ja gar nicht erkennen. Sonst hast du ja dieses Gleichförmige, diese Flatline wie der deutsche Postbote und das willst du ja nicht haben- nur manchmal“. Christof: "Die wir gerne in der Coronakurve hätten, aber leider nicht hinkriegen ;-D“ Die Zeit rennt inzwischen nicht nur- sie sprintet einfach davon… Gibt es eine - wahrscheinlich gibt es da einige… beste, extremste musikalische Erinnerung? Christof: „Für mich war das ein Konzert von Hermann Brot im Bebop in Hildesheim, wo wir damals als Teenies hingefahren sind. Als wir ankamen, war die Crew von Hermann Brot gerade dabei mit Presslufthämmern eine Wand rauszureißen, weil zu viel Publikum da war und dann kam Hermann Brot und diese Band auf die Bühne. Und die haben abgedrückt und ab da wollte ich- ich wollte eh schon als Kind nichts anderes werden als Gitarrist, aber ab da war mir klar, ich will nichts anderes in meinem Leben machen als das, was die da gerade machen.“ Rainer: „Dann haue ich da mal hinterher- das ist vielleicht nicht die beeindruckendste, aber die fällt mir gerade ein- da spielte eine Band in Bremen im Aladin, die hieß Fury In The Slaughterhouse und vor der Bühne war eine 1,10 m hohe Wand aus Beton und Stein gemauert. Und dann hat die Band angefangen zu spielen und dann hat das Publikum die Wand weggedrückt! Und dann war sie weg- die war halt im Weg- die wollten vorne zur Bühne und dann wurde das Aladin eben neu gebaut. Das bedeutet einfach, Musik kann wahnsinnig viel bewirken- das hatte schon was - wenn wir schon bei zerstörten Wänden sind.“ Von niedergerissenen und weggehämmerten Wänden…. huhhhh! Was war der beste Rat oder die beste Kritik, die ihr bekommen habt? Christof: „Im „Tipp Berlin“ Plattenkritik zu „Mono“: „Scheisse- typisch Hannover“. Das ist immer noch meine Lieblingskritik. Solche Kritiken muss man sich leisten können :)" Rainer:. „Der beste Rat von Jim Rakete: Schlechte Nachrichten dulden keinen Aufschub“. Christof: „Stimmt- das ist auch wichtig…“ Wir sind uns in diesem Punkt alle einig und die Zeit leider auch schon wieder um. Aber es hat sehr viel Spaß gemacht und ich freue mich auf ein Wiedersehen live on stage- hoffentlich bald mal wieder. Vielen Dank an Christof und Rainer von Fury In The Slaughterhouse für ein kurzweiliges, lustiges und interessantes Gespräch. Alles Gute für Euch. |
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