Interview mit Derek Schulman / Gentle Giant Von Gregor Eder Es passiert ja nicht so oft, dass man in der heutigen Zeit feinsten Prog-Rock aus den 70ern in frisch gemischter Form auf die Ohren bekommt. Der Musiker, Tontechniker und Produzent Steve Wilson, welcher schon mit Bands wie Opeth, Penudlum, Black Sabbath zusammengearbeitet hat und am besten für seine Arbeit als Sänger und Gitarrist bei Porcupine Tree bekannt ist, hat sich dem 1975 veröffentlichten Album „Free Hand“ der Band Gentle Giant gewidmet und jenes geremixed. Nachdem Derek und ich uns über die momentane Lage bezüglich Corona ausgetauscht hatten schoss ich direkt mit der ersten Frage los: „Wie kam es dazu, dass ihr im Jahr 2021 ein Album aus 1975 in geremixter Form veröffentlicht?“ Das es weitere Remixes geben würde erfreute mich sehr und ich erklärte Derek, dass ich froh bin, dass Prog-Rock wieder mehr unter die Leute gebracht wird, bei der Monotonie die zeitweise im Radio herrscht. Weiter ging ich darauf ein, dass es schön ist die „alten“ Scheiben in heutiger Studioqualität zu hören. Dem letzten Satz konnte ich nur beipflichten und erzählte Derek, dass ich sehr interessiert daran sei, wie die Szene in den experimentellen 70ern aus seiner Sicht aussah. Weiter stellte ich folgende Frage: „Ein guter Remix hat ein gutes Album als Grundlage, daher interessiert mich, auf welche Art ihr „Free Hand“ damals produziert habt?“ Derek antwortete wie aus der Pistole geschossen: „Es war einfach eine andere Zeit. Ich glaube heute ist der Markt etwas anders. Als wir gespielt haben gab es keine Computer und es war einfach wichtig gut spielen zu können, vor allem auf der Bühne. Wir tourten und probten sehr viel. Im Studio war die Band sehr eingespielt. Wir waren eine erwachsene Band und durften zu dieser Zeit in vielen großen Locations als Headliner spielen. Als eine Einheit waren wir eine gut eingeprobte Band und wir haben hart gearbeitet. |
Das Album wurde binnen 5 Wochen aufgenommen und es war eine sehr gute Zeit. Wir waren an nichts gebunden und waren frei, worum es ja auch in „Free Hand“ geht. Zur selben Zeit waren wir als Musiker einzeln auch gewachsen und somit kann man sagen, dass das Album eine gute Kombination aus persönlichen Stärken und der Stärke als Einheit ist. Es war einfach eine gute Zeit für die Band. Aber weil du meintest es war experimentell, wir haben uns keineswegs als experimentell gesehen, wir haben einfach das getan was wir tun wollten. Es gab keine Experimente, wir waren einfach die Band die ihr Ding durchzog. Wir haben zwar hier und da etwas herumprobiert, was man als experimentell bezeichnen könnte, aber wir wollten nie etwas anderes sein als wir selbst. Im Endeffekt wollten wir mit Gentle Giant einfach Gentle Giant sein. Ich hoffe das beantwortet die Frage halbwegs.“ Das beantwortete meine Frage auf voller Linie, da die Aussagen nur bestätigten, dass der „Free Spirit“ den ich beim Hören von „Free Hand“ verspürte auch wirklich authentisch ist. Dies erklärte ich Derek und schoss nach, dass die experimentelle Seite mehr auf die Zeit bezogen war, dass also in den 70ern generell ein Wandel vom klassischen Blues und Rock stattfand. Derek meinte dazu: „Auf dem heutigen Markt sind schon wirklich gute Musiker unterwegs, aber viele haben gar nicht die Möglichkeit das „Tageslicht“ sozusagen zu erblicken. Es gibt so viele Inputs und so viele Produzenten mit ihren Analysen welche Hitformeln am besten funktionieren. In unserer Zeit gab es keine Limitationen oder irgendetwas was uns aufhielt das zu tun was wir wollten. Leute kamen zu den Konzerten und mochten es. Hätten sie es nicht gemocht würde ich nicht hier sitzen und mit dir sprechen. Wir hätten uns vermutlich aufgehört, aber schlussendlich hat es funktioniert. Wir nahmen uns selbst nicht zu ernst und hatten unseren Spaß Musik zu machen. Ich will es nicht unbedingt authentisch nennen weil es etwas prätentiös klingt, aber im Grunde war es einfach ein sehr organischer realer Vorgang. Ich kann darüber als Musiker und als Businessmann von der Executive-Seite sprechen. Man kann also sagen, dass wir einfach real waren und uns nicht verbogen haben.“ Diese Worte erwärmten mir das Herz, da ich mich als Musiker absolut verstanden fühlte. Derek hatte für mich hier einen sehr essentiellen Punkt angesprochen, da Musik vor allem dann bei den Menschen ankommt, wenn sie real und organisch ist. |
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