Interview mit Michael "Jakko" Jakszyk (King Crimson)

Von Patricia Mikolasch

Mit Jakko M. Jakszyk zu sprechen - dem Sänger, (Multi)Instrumentalisten, Schauspieler, dem Künstler- war für mich eine außergewöhnliche Erfahrung. Nach technischen Schwierigkeiten und der Unbarmherzigkeit des Wetters ausgeliefert, mussten wir das Interview verschieben; doch das Warten hatte sich mehr als gelohnt. Entspannt, sehr lustig und einfach unglaublich sympathisch ging es los. 

Das neue Soloalbum "Secrets And Lies", hier unsere --> Rezension, das am 23.10.20 erschienen ist, liest sich für mich wie eine Auflistung von Stationen innerhalb einer Geschichte. Worum handelt das Album? Jakko: "Das Album handelt von sehr unterschiedlichen Dingen. Viele Songs sind aus sehr persönlichen Erfahrungen entstanden, die sich teilweise erst vor Kurzem ereignete haben, teilweise jedoch auch schon sehr lange zurückliegen. Ein Song zum Beispiel handelt von Betrug in einer Beziehung- zum damaligen Zeitpunkt konnte ich darüber nicht schreiben. Nun, 20 Jahre später kann ich viel objektiver darüber erzählen und diesem, ja nicht ungewöhnlichen Thema, vielleicht etwas Neues, eine neue Sichtweise hinzufügen. Da sich mir gerade auch aktuell neue Erkenntnisse über meine Familie erschlossen haben, schien der Titel sehr passend."

Ich kann mir vorstellen, dass der Wechsel zwischen persönlichem und "unpersönlichem" Song nicht so einfach ist- wie schreibst Du Deine Songs und was inspiriert Dich? Hat sich über all die Jahre die Quelle der Inspiration geändert? Jakko: "Meine Songs haben immer unterschiedliche Startpunkte. Die Idee, die Inspiration für ein Stück kann von überall herkommen; manchmal ist es etwas, das man liest, was jemand gesagt hat, Ereignisse, die man selbst erlebt hat, sie kann überall sein. Ich habe auf meinem Telefon einen ganzen Bereich für Notizen, die ich drauf spreche- wie ein Monolog. Manchmal sind die Wörter erst da und geben einem schon eine musikalische Richtung vor, manchmal schreibe ich erst die Musik- so läuft das zum Beispiel meistens wenn ich mit Robert Fripp arbeite. Ich glaube, ich war schon immer dazu gezwungen Musik zu machen- egal, ob sie jemandem gefiel oder nicht- die Inspiration war immer konstant, egal ob sie aktueller oder vergangener Natur war. Sie war schon immer da."

Du hast mit deinen Crimson Kollegen an Deinem Soloalbum gearbeitet- war das in irgendeiner Weise schwieriger als als Teil von King Crimson an einem Crimson Album zu arbeiten? Jakko: "Nein, überhaupt nicht. Man ist gut auf einander eingespielt und ich weiß, wenn ich einem etwas schicke, bekomme ich etwas besseres zurück."

Du hast nun schon mit so vielen Musikern zusammengearbeitet. Was ist für Dich an und vor allem in einem Musiker das Wichtigste? Jakko: "Ich denke Originalität. Einzigartigkeit. Es gibt so viel gute Musiker, die alles mögliche spielen können, aber das Wichtigste ist die Persönlichkeit des Menschen in seiner Musik hören zu können. Ich bin da auch nicht diktatorisch unterwegs- man engagiert nicht Gavin Harrison, weil er Schlagzeug spielt, sondern weil er Gavin Harrison ist. Oder Tony Levin oder Robert Flip. Man arbeitet mit solchen Musikern zusammen, weil sie ihre instrumentalen Fähigkeiten dazu nutzen ihre Ideen, ihre Musikalität, ihre Persönlichkeit auszudrücken. Man engagiert sie, damit sie das tun, was sie tun- also lässt man sie das machen. Ansonsten verwirkt man die Gelegenheit mit solchen Musikern zu arbeiten."

Du spielst selbst so viele Instrumente- welches ist die Waffe Deiner Wahl? Jakko: "Ich würde mich selbst nicht als Multiinstrumentalisten bezeichnen. Ich bin in der Lage aus vielen Instrumenten einen Ton herauszubekommen, aber deshalb beherrsche ich sie nicht. Ich beschäftige mich gerne mit Instrumenten, die ich nicht kann. All das ist aus Notwendigkeit, Einfallsreichtum und schlicht Panik entstanden. Einen Witz, den ich immer gemacht habe war- Mel ist ein Flötist- ich besitze Flöten- Ich bin Gitarrist."

 

 

 

 

 

Gab es einen Moment , eine Erfahrung, die Dich zur Musik gebracht hat?

Jakko: "Ja, als ich klein war, traf ich mich ab und zu mit dem Nachbarskind. Er war zwei, drei Jahre älter als ich und hatte Zugang zu der ganzen neuen Musik, die in den 60gern rauskam. Mit elf Jahren hörte ich das erste Mal King Crimson mit 21st Schizoid Century. Da spürte und hörte ich sofort, dass diese Musik von einem anderen Ort kam. Seitdem wollte ich Musik machen und - man kann es kaum glauben - Jahre später spiele ich mit der Band zusammen, die mich dazu inspiriert hat Musiker zu werden. Ein wahr gewordener Kindheitstraum."

In Deiner so langen Karriere auf die Du zurückblicken kannst- gab es Momente, in denen die Musik als eigenständige Kraft zu stark für Dich wurde und Du Dich vor ihr etwas zurückziehen musstest? Jakko: "Nein, diese Momente habe ich so nie erlebt. Musik war für mich immer die eine Konstante in meinem Leben, die eine Möglichkeit mich auszudrücken. Und in dem komplizierten familiären Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, eine Art Sicherheit. Wie eine tröstende Decke, die einen zudeckt. Ich kenne die Momente, in denen Musik zur Arbeit wird. Zu der Art von Arbeit, die du tun musst, die aber nichts mehr mit Ausdruck zu tun hat. Was ich in solchen Zeiten geschrieben habe, kann ich mir auch nicht anhören. Das sind Orte, die man möglichst schnell wieder verlassen will. Auf der anderen Seite habe ich Dinge erlebt, die mich zutiefst berührt haben. Wenn das ganze Üben, die Technik, alles, was technisch, theoretisch in den Songs steckt, wenn all das aus deinem Kopf verschwindet und nur noch die Musik da ist, als ob sie sich selber spielen würde- Das sind unglaubliche Momente. Wenn ein Moment entsteht in Raum, Zeit; wenn alles zusammentrifft- die Musik, der Ort, das Publikum - dann kann das überwältigend sein. Wir haben mal eine Show in einer Arena in Hiroshima gespielt und performten den Song "Epitaph" und die Stelle, an der die Bombe eingeschlagen war, war zwei Minuten Fussweg entfernt- Das war ein unglaublicher, intensiver Moment aus allen Komponenten."

Ich hänge an seinen Lippen und habe diesen unglaublichen Bilder im Kopf, die garantiert nicht ansatzweise an seine  Realität herankommen und stelle fest, dass unsere Zeit sich dem Ende neigt. Als letztes frage ich also nach einer musikalischen Erinnerung, die er am meisten wertschätzt.- Da wird es sicherlich hunderte geben... Jakko: "Es gab diesen Moment als ich mit meiner Band Ende der 80ger spielte. Der Sarangi Spieler wollte unbedingt für mich spielen und sagte, ich solle auf ihn zeigen, wenn er spielen solle und ein Schlußzeichen geben, wenn er aufhören sollte. Er saß also auf seinem Kissen und spielte, ich zeigte unentwegt auf ihn, weil es einfach unglaublich war ihm zuzuhören. Oder auch als wir letztes Jahr in der Arena in Verona spielten. Im größten römischen Amphitheater, was noch genutzt wird. Das vor 20.000 Jahren erbaut wurde- das war einfach unglaublich!"

Ich könnte immer weiter den Geschichten und Erlebnissen lauschen, die diesen sympathischen, unglaublichen Musiker zu dem Menschen und Künstler machten, der er ist. Ich bedanke mich herzlich für dieses entspannte, sehr interessante und lehrreiche Interview mit und bei Jakko M. Jakszyk. Und hier gibt es die --> Rezension des neuen Albums.