Interview mit Madeline Juno

Von Laura Fatteicher

Am 14. Januar 2022 veröffentlichte Madeline Juno ihr fünftes Studioalbum “Besser kann ich es nicht erklären”. Zweieinhalb Jahre ist dieses emotionale und zutiefst authentische Album gereift, in das nicht nur ihre eigenen Tränen, sondern auch die ihrer engsten Freunde geflossen sind. Wie ein roter Faden führen die 15 Songs durch das Gefühlschaos der Singer-Songwriterin und blicken trotz all der Zweifel optimistisch und reflektiert in die Zukunft: “Dieses Album ist zu 100 % mein Leben; ein Zuhause für meine Gedanken – und wenn ich sie laut denke, fühlen sich andere vielleicht nicht mehr so allein ...“

Dein neues Album “Besser kann ich es nicht erklären” hat vor fast einem Monat das Licht der Welt erblickt. Bist du mit den Reaktionen der Leute zufrieden? Madeline: Ich persönlich finde es total überwältigend. Die Reaktionen sind wirklich sehr sehr positiv, damit hätte ich ehrlich nicht gerechnet, weil das ja jetzt ein sehr langer Prozess war. Wir hatten einige Songs schon vorher veröffentlicht und ich dachte, dass es total cool ist, das Ganze mit den 15 Songs auf dem Album nochmal zusammenzufassen und die ganze Geschichte damit irgendwie abzuschließen. Ich habe mit nichts gerechnet und bin völlig überwältigt und restlos glücklich über alles, was jetzt im letzten Monat an Worten und über Nachrichten und Reaktionen eingeprasselt ist. Das ist wirklich mega schön. Es war ja jetzt auch nicht das einfachste Album, weil da viele schwere Themen drauf sind – doch man hat jetzt das Gefühl, dass es sich am Ende des Tages echt gelohnt hat.

Was ist für dich die perfekte Atmosphäre um Songs zu schreiben?
Madeline: Prinzipiell kann man relativ schnell in einem Raum mit Leuten ein Klima finden, wo man sich auf ein Thema oder bestimmte Sounds oder zumindest auf eine Richtung einigen kann. Für mich und für meine Songs bzw. für die jetzige Platte, finde ich es wahnsinnig toll mit meinen engsten Freunden Musik zu machen. Die zwei Produzenten des Albums und die Songwriter, die mit dabei waren, sind auch Menschen, die ich als meine engsten Freunde bezeichnen würde. Und ich fand das wirklich super, super schön, für die Kunst, für dieses Album, für die Songs und für die ganzen Themen, die wir da besprochen haben. Wir haben es irgendwie geschafft, miteinander zu weinen und auch gemeinsam zu leiden und diese Themen zuzulassen, weil wir uns so gut kennen. Und das finde ich, ist das perfekte Szenario, um Songs zu schreiben.

Du thematisiert in mehreren Songs die Zeit nach einer schmerzlich geendeten Beziehung. Hat dir das Songwriting dabei geholfen, das Erlebte zu verarbeiten?
Madeline: Ja schon. Viele Songwriter sagen zurecht, dass Songwriting wie Therapie ist – und das stimmt auch. Aber ich empfand es dieses Mal als besonders krass, wie doll es mir dabei möglich war, das alles zu reflektieren und immer wieder einen Reality-Check zu machen. Bei “Obsolet” zum Beispiel, den ersten Song, den wir vor mittlerweile 1,5 Jahren rausgebracht haben – da dann immer mal wieder nach hinten zu blicken und zu wissen, was dieser Song mal für einen war, als man ihn geschrieben hat und wie sich das jetzt anfühlt. Das fand ich bei dem Album am spürbarsten. Es hatte einen total reflektierenden Effekt, diese Songs zu schreiben, auch wenn sie jetzt nicht unbedingt möglich gemacht haben, dass der Schmerz einfach vorbei war oder dass automatisch alles wieder gut ist. Aber es ist auf jeden Fall eine krasse Hilfe, dieses Tool zu haben. Ich glaube, Menschen die kreativ arbeiten, sei es Schreiben oder Malen oder auch Sport – die meisten haben dieses eine Ventil um solche Sachen zu channeln und bei mir ist es eben das Songschreiben.

Hast du an dem roten Faden, der thematisch durch das Album geht, immer festgehalten oder sind beim Songwriting auch Songs entstanden, die nicht dazu gepasst haben und es deswegen nicht aufs Album geschafft haben?
Madeline: Ich habe das noch nie geplant. Es ist mir noch nie ein Album einfach aus den Händen gepurzelt und ich hatte noch nie vorher geplant, die perfekte Anzahl an Songs zu schreiben. Aber es ist irgendwie jedes Mal aufs Neue so, dass gar kein Song übrig bleibt. Ich bin da ein Ganz-oder-gar-nicht-Mensch. Wenn ich mich mit meinem Produzenten bzw. mit meinem Songwriting-Team an einem Tag verabredet und ich es einfach nicht gefühlt habe oder wenn an dem Tag einfach nichts dabei rum kommt, dann ist das so. Entweder man macht das mit einer Vision oder Idee und zieht es dann durch, weil man weiß, dass das ein Song wird, der Berechtigung hat auf einer Platte zu existieren, oder halt nicht. Und irgendwie ist es bei dieser Platte wieder so gewesen. Es gab einfach keinen Song, der übrig geblieben ist. Natürlich gibt es auch Songs, die ich generell mal so geschrieben habe, die nie rauskamen, aber dann war das auch nie für eine Platte oder für den roten Faden einer Geschichte geplant.

Im Song “Nur kurz glücklich” singst du ein Duett mit Max Giesinger. Ihr kennt euch schon einige Jahre. Warum hat es so lange gedauert, bis ihr zusammen einen Song produziert habt?
Madeline: Wir kennen uns wirklich schon ewig und haben super viele gemeinsame Freunde. Aber wir haben einfach nie zusammen Musik gemacht. Ich glaube, wir haben beide schon unterschiedliche Werdegänge hinter uns bzw. Wege eingeschlagen. Max hat einfach diesen krassen Erfolgsweg hinter sich und ich hatte immer nicht dieses Gefühl, dass ich da rein passe. Auch die Art vom Songwriting, das war immer sowas, was ich sehr bewundert habe, aber nie gedacht habe zu können. Und jetzt war es einfach so, dass ich diesen Song geschrieben habe und Max zufällig am Tag danach im gleichen Studio mit Alex, unserem gemeinsamen Kumpel und Produzenten, war und dann den Song gehört hat. Man munkelt, dass er dabei eine Träne verloren hat, weil er den Song total toll fand. Und dann hat er gleich eine Strophe aufgenommen und erst dann habe ich das erfahren. Da kam bei mir der Anruf und dann hieß es “Maddie, du glaubst gar nicht, was gerade passiert ist. Max war gerade da – liebe Grüße übrigens – und ich schicke dir jetzt mal eine Version mit Max in der zweiten Strophe und dann guck mal, was das mit dir macht.” Und dann gab’s da diese Version und es war wirklich, als hätte dieser Song so sein sollen. Es war niemals als Duett gedacht und hätte auch inhaltlich nie im Ansatz als Duett funktionieren sollen – aber es hat einfach funktioniert und es war einfach mega schön. Und so kam das dann, wirklich komplett zufällig. Manche Dinge sollen irgendwie einfach sein und dann muss man sie passieren lassen.

Du hast schon in sehr jungen Jahren die Leute mit deiner Musik erreicht. Hast du damals darüber nachgedacht, wie Max Giesinger zum Beispiel bei The Voice of Germany teilzunehmen?
Madeline: Als ganz junges Mädchen bestimmt. Da fand ich das schon richtig spannend, als Shows wie “Das Supertalent” um die Ecke kamen.

 

Aber ehrlich gesagt ging das bei mir alles so schnell und so früh los, dass ich gar keine Zeit hatte, da irgendwie darüber nachzudenken. Ich bin da ja quasi reingestolpert. Mit Dreizehn hatte ich einen Youtube-Channel und wurde da quasi von den Produzenten von Tokio Hotel entdeckt. Und ehe ich überhaupt etwas anderes hätte planen können, wie zum Beispiel zu einer Castingshow zu gehen, war ich schon mittendrin meine erste Platte zu schreiben und weiter zur Schule zu gehen. Aber wer weiß, wenn alles anders gekommen wäre, hätte ich es als Teenie vielleicht mal probiert.


Fotocredit © Simon Stöckl

Du hast früher mit englischsprachiger Musik begonnen. Singst du die “alten” Songs trotzdem noch gerne oder kannst du dich damit nicht mehr identifizieren? Madeline: Ich fühle schon eine starke Distanz zwischen der Maddie von früher und der, die ich jetzt bin. Ich schreibe immer noch extrem gerne auf Englisch, einfach zum Spaß oder für andere Projekte oder andere Künstlerinnen und Künstler, aber diese zwei englischen Alben, die es von mir gibt, fühlen sich an wie eine andere Person. Es ist nicht so, dass ich das Gefühl habe, dass ich das nicht bin oder dass ich das damals nicht war – ich habe das damals komplett gefühlt – aber ich kann mich damit nicht mehr identifizieren. Das ist wie, wenn man aus dem Kunstunterricht eine alte Bastelei wiederfindet und sich fragt, warum man das damals so gemacht hat: Heute hätte ich das ganz anders gemacht. Ich respektiere das und ich weiß auch noch wie toll das damals war, aber es ist mir heute schon sehr befremdlich nach all den Jahren. Ich glaube das ist aber auch normal.

Was sind deine Hobbys, wenn du mal keine Musik machst?
Madeline: Ich habe sehr viele Hobbys, fast schon ein bisschen zu viele Hobbys (lacht). Ich bin sehr gerne handwerklich tätig, also ich mache zum Beispiel ganz gerne Stickereien oder ich bastel generell ganz gerne, arbeite zum Beispiel gerne mit Ton und mache Schalen. Ich backe und koche sehr viel, male super gerne und ab und zu, wenn ich die Zeit habe, mache ich GIFs oder Animationen für meine Musik. Und ich spiele ganz gerne mal Animal Crossing auf meinem Nintendo und solche Sachen.

Du hattest auch mal einen eigenen Podcast über Paranormales & Kriminalfälle (“Behind Closed Doors”) gestartet. Beschäftigst du dich immer noch mit dem Thema?
Madeline: Ja, super gerne. Das ist immer noch eine riesige Faszination von mir. Ich weiß nicht, ob sich das nochmal ändert in diesem Leben (lacht). Irgendwie hat mich das gepackt und nie losgelassen. Den Podcast habe ich nur aktuell auf Eis gelegt, weil ich einfach nicht die Zeit habe, für einen so aufwendigen Podcast. Ich habe damit angefangen, als die erste deutsche Platte, die ich geschrieben habe, gerade im Kasten war und ich mal wieder nichts zu tun hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich auch Japanisch gelernt und brauchte einfach noch ein neues Hobby. Da habe ich dann angefangen diesen Podcast zu machen. Das hat super viel Zeit in Anspruch genommen, aber es hat mir mega viel Spaß gemacht. Irgendwann ging das aber nicht mehr. Ich gucke immer noch wahnsinnig gerne True-Crime-Dokus und höre extrem gerne Podcasts über alles, was es zu Paranormalem oder wahren Verbrechen gibt. Alles Mysteriöse packt mich bis heute total.

Hattest du auch selbst schon mal ein paranormales Erlebnis?
Madeline: Ja. Zum einen habe ich in meiner Jugend extrem gerne Halloween-Partys veranstaltet und meine Freunde haben bei mir übernachtet. Da haben wir dann echt einige Male Gläserrücken gemacht und da sind so einige abgefahrene Sachen passiert wie ich fand, und wie wahrscheinlich auch alle damals Anwesenden hier bestätigen würden. Es gab aber auch ein Erlebnis in meiner Kindheit, als ich ca. 2,5 Jahre alt war. An das kann ich mich absolut nicht erinnern, weil ich einfach zu jung war, aber diverse Familienmitglieder können es bezeugen und würden ihre Hand ins Feuer legen, dass sie das gesehen und erlebt haben. Wir waren damals zu Besuch bei entfernten Verwandten in Griechenland. Ich war damals ein richtig unkompliziertes Kind, eine richtige Frohnatur und habe generell keine Probleme beim Schlafen, beim Essen, mit Fremden oder auf Reisen gehabt. Doch nach einer Woche oder so habe ich aufgehört zu essen, habe mehrere Tage nicht geschlafen und habe nur noch geweint – es war einfach alles anders als davor. Und dann hat mein Onkel auf griechisch irgendwelche Sachen zu einer Madonna gemurmelt und dann Salz auf seine Hand gepackt und gebetet. Meine Mom hat mich dabei auf dem Arm gehalten und er hat diese gesegnete Prise Salz mir auf die Zunge gelegt. Und dann bin ich eingeschlafen und habe scheinbar zwei komplette Tage durchgeschlafen. Meine Eltern haben mich zwischendurch nur wieder mal geweckt, um mir Wasser oder Milch zu geben. Ich habe diese Geschichte das erste Mal gehört, als ich schon ein Teenager war und das hat mich total fasziniert. Daher kommt das vielleicht. Wobei ich auch als Kind schon gerne “X-Factor: Das Unfassbare” abgöttisch geliebt habe oder auch “Mord ist ihr Hobby” und so.

Gehen wir mal davon aus, dass morgen die Pandemie für beendet erklärt wird. Was wirst du als erstes tun? Madeline: Ich träume schon seit Jahren ein bisschen vom Reisen, aber ich erlaube mir das immer nicht, weil nach dem Album immer vor dem Album ist, nach der Tour ist immer vor der Tour. Ich würde extrem gerne mit gutem Gewissen ein bisschen Reisen. Ich glaube schon, dass das wieder geht. Das machen ja auch schon wieder viele. Ich würde gerne mal mit der Transsibirischen Eisenbahn fahren und generell ein bisschen was von der Welt sehen. Alle Dinge, die ich jetzt sonst nennen könnte, haben wieder etwas mit meiner Arbeit zu tun und ich müsste eigentlich mal ein bisschen chillen – denn ich mach’s nie. Aber ich glaube das wäre richtig cool, einfach mal ein bisschen kürzertreten, ein bisschen auf mich achten und vielleicht auch alleine irgendwo hin reisen, das wäre so mein Post-Pandemie-Traum.

Wir blicken optimistisch in die Zukunft und hoffen, dass dieser Traum bald in Erfüllung gehen kann und Madeline Juno auch ihre Tour, die pandemiebedingt bereits zum dritten Mal verschoben werden musste, endlich im Sommer spielen kann.