Interview mit Katie Melua Von Florian Poeschko Katie Melua ist schon fast ein Haushaltsname und eine der vorrangigen Popmusik-Künstlerinnen der letzten zwei Dekaden mit einer beeindruckenden Vita: Mittlerweile neun Alben (fast alle Top-Ten), zahlreiche Konzerte, Fernsehshows, Auszeichungen, Weltrekordhalterin (tiefstes Konzert unter dem Meeresspiegel), Namensgeberin eines Himmelskörpers (Asteroid 25131 „katiemelua“), Schauspielerin (Robert Rodrigues/Quentin Tarantinos „Grindhouse“) und Model (Eric Bomparts). Im Zuge der Promotion ihrer aktuellen Veröffentlichung „Album No.8 Acoustic“ (unsere --> Rezension) hatte ich die Gelegenheit, Melua zu einem persönlichen Interview in Berlin zu treffen, bei dem es vorrangig um ihre Haltung zur Musik, ihrem Arbeitsprozess bzw. den Hintergründen der Entstehung ihrer letzte beiden Alben ging...und einen aufgrund der versöhnlichen Zugänglichkeit ihrer Musik und Persönlichkeit allzu oft übersehenen Aspekt offenlegt: Tiefe, Konsequenz und einen nicht enden wollenden Einfallsreichtum. Bevor wir anfangen, kannst Du mir mit der korrekten Aussprache deines Nachnamens helfen? Ich habe z.B. allein innerhalb einer Show in der du bei der BBC aufgetreten bist schon drei Varianten gefunden... Ja, es war Melua, Meljua und Melua... Gut... Also, jetzt ganz offiziell zuerst einmal vielen Dank, dass Du dir die Zeit genommen hast dieses persönliche Interview zu geben. Bevor wir uns im Detail über deine letzte Veröffentlichung unterhalten, wie hast Du die letzten eineinhalb Jahre erlebt, besonders als Künstlerin? Dann habe ich in der Zeit mit meinem Bruder Zurab und meinen Eltern zusammengelebt, da ich kurz davor eine Trennung hatte und ganz urplötzlich waren wir vier wieder eine familiäre Gemeinschaft. Mein Vater ist Arzt und wir waren wirklich sehr besorgt um ihn. Wenn er nach Hause kam, dann lief es immer so in der Art ab: „Wir müssen alles desinfizieren, wasch deine Hände, nimm eine Dusche“. Und dann hat sich ein Teil meiner Familie auch mit Covid infiziert. Sobald sie wieder gesund waren dachten wir alle „Gott sei Dank!“ und waren so froh, dass es ihnen wieder gut geht. Ich hatte das Gefühl, dass wir wirklich Glück hatten wie es abgelaufen ist. Da war also ganz offensichtlich eine Angst am Anfang, aber je mehr die Zeit verstreicht desto mehr gewöhnt man sich an den Zustand und denkt „Wow, wir haben echt Glück, dass wir hier sind!“. Und dann bin ich einfach sehr beschäftigt gewesen mit Schreiben, der Arbeit an verschiedenen Projekten und dann kamen wir dazu dieses Akustik- Album zu machen. Zurab war dazu in der Lage das zu Hause aufzunehmen. Wir konnten diese Songs neu wiederentdecken und wir wollten, dass es sich wie ein sehr intimes Konzert anfühlt, weil wir natürlich nicht die Gelegenheit hatten überhaupt irgendwelche Konzerte zu geben. Das wäre nun meine nächste Frage gewesen. Wie entstand die Idee, eine Akustik-Version deines letzten Albums zu machen? Das wollte ich ebenfalls noch fragen: Du hast die Aufnahmen selbst gemacht, die Mischung und die Produktion und die beteiligten Musiker sind recht bemerkenswert. Da bist du und dann ist da unter anderem dein Bruder Zurab. Wann ist er Teil deines künstlerischen Lebens geworden? Neben Mark Edwards, der mehr oder weniger dein „Haus-und-Hof“-Pianist ist gab es aber hier noch eine Zusammenarbeit mit Simon... Wie kam das zustande? Dann haben wir uns getroffen und die Zusammenarbeit war so großartig. Es hat uns wirklich sehr viel Spaß gemacht. Wir haben dann diesen Sommer eine Show in England zusammen mit Simon gespielt, also Zurab, Simon und ich, und das hat sehr gut funktioniert. Dann habe wir darüber gesprochen ob man vielleicht noch bei anderen Dingen zusammenarbeiten könnte und sieht gerade so aus, dass wir mit anderen gemeinsamen Projekten experimentieren. Die Idee seiner Beteiligung an meinem Akustik-Album hat sich also in diese andere Idee entwickelt. Das heißt also es könnte ein zukünftiges Projekt mit Simon geben? Wenn wir kurz ein wenig auf Album No.8 zu sprechen kommen wollen, weil von dort eigentlich das ganze Material für das Akustik-Album stammt. Es ist irgendwie eine Neuerung zu deinen vorherigen Alben. Du hast z.B. viele oder genaugenommen alle Songs selbst geschrieben? |
Aha...Auf deinen früheren Veröffentlichungen gab es eben immer sagen wir den gelegentlichen Song, den du ganz geschrieben hast oder eben in Zusammenarbeit mit jemandem. Was mir an diesem Album ins Auge gestochen ist: Es ist alles von dir, also zumindest die Texte. Und es war das Album was die längste Zeit gebraucht hat. Ist das ein neuer Prozess, der hier bei dir entsteht? Mehr und mehr selbst zu machen?
K.M.: Naja, schau, als ich angefangen habe, hatte ich mit einem sehr starken künstlerischen Partner gearbeitet, Mike Batt. Er hat „The Closest Thing To Crazy“ geschrieben, er hatte eine sehr starke Vision. Und ja, zu diesem Zeitpunkt gab es ein wenig ein Tauziehen „Ich will einen Song schreiben, nein ich will einen Song schreiben“, weißt du wie ich meine? Wir hatten das definitiv. Aber jetzt...für mich ist das jetzt nicht dieses „Ich will aber das ganze Material alleine machen“. Die letzte Jahre ging es für mich darum tief ins Texte-schreiben einzutauchen weil ich mir dachte, dass das die Sache ist die in meinem Fähigkeitenkatalog gefehlt hat. Ich wollte technisch gesehen besser darin werden Lyrik zu schreiben. Ich wollte die Konstruktion von Texten besser verstehen, die Dinge die Worte beeinflussen, wie man neue Worte kreiert und wie man Worte mit Musik vermischt. Das war mein Hauptaugenmerk. Und weil das die Forschung und Praxis der letzten fünf Jahre gewesen ist war das Album No.8 auf eine Art Höhepunkt dieser Arbeit. Und das ist der Grund, warum es so lange gedauert hat. Aber es ergibt absolut einen Sinn für mich. Für mich ganz persönlich war das auch einer der bezaubernsten Aspekte von Album No.8, die Texte. Da ist auch, ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll, diese Kontrolle über die Sprache. Dieses Arrangieren der Worte was es nicht zu diesem Standard-Modell des Liebelieds macht. Und ich wäre ja schon allein deswegen Feuer und Flamme für das Album gewesen. Aber bei einem tieferen Eintauchen scheint es als wäre nichts, aber auch gar nichts unangetastet geblieben. Die Harmonien gehen in eine Richtung und gerade wenn man denkt „jetzt habe ich es“ macht es eine Abzweigung in eine völlig unerwartete Richtung. Dann hört man die Arrangements, z.B. die teilweise wirklich gewagten Streicher, dann hört man großartige musikalische Arbeit, und dann hört man irgendwann einen großen Bogen über alle Songs hinweg, alles scheint irgendwie genau zu passen. Und es klingt für mich in der Summe alles sehr „Erwachsen geworden“, mit einer gewissen Portion wie sagt man- Gelassenheit, Selbstsicherheit. Wie stehst Du zu dem Album als Ganzem, bist das Du? Ist es das was Du sein willst? Sind dann deine Tage als Fallschirmspringerin gezählt? Die Texte haben wirklich sehr viel Arbeit gekostet, sehr viel. Es ist der absolute Lieblingsteil meiner Arbeit. Und Leo als Produzent hat das gesehen. Er hatte gesagt er wollte, dass die Musik wie eine Art griechischer Tragödienchor zur Geschichte im Text wird. Um das Ganze abzuschließen eine letzte, eher persönliche Frage noch. Einer deiner frühen Songs „Toy Collection“... Es gibt da eine Textzeile „Who´s to say when you get older, you don´t need a toy collection.“ ... und dann „who´s to say when you get older, you have to follow convention“ Meine Frage: Hast Du immer noch deine Sammlung an Spielsachen? Vielen Dank! Dann würde ich sagen, wenn es nichts mehr gibt was Du noch besprechen wollen würdest... |
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