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Interview mit Stefan Schmidt von Van Canto
Von Laura Fatteicher
Heavy Metal ohne (echte) Gitarren? Die A Capella-Meister von Van Canto beweisen es auf’s Neue und präsentieren auf ihrem Album „To The Power Of Eight“ neben eigenen energiegeladenen Songs auch Klassiker wie „Thunderstruck” von AC/DC in facettenreicher Sangeskunst. Stefan Schmidt, der 2006 die mittlerweile siebenköpfige Band gegründet hat, verrät, warum sich die Band nach diesem Album eigentlich auflösen müsste.
Wo hattest du deine ersten Berührungspunkte mit A Capella und wann hast du dich das erste mal daran ausprobiert?
Stefan: Tatsächlich haben unser Basssänger und ich zu Schulzeiten, als wir auch schon eine normale Band zusammen hatten, sehr gerne A Capella auf dem Schulhof gesungen. Es würde aber jetzt einen falschen Eindruck geben, wenn ich sage, dass das seitdem in unseren Köpfen ist. Eigentlich habe ich zur A Capella-Szene gar keine Verbindung, außer dass ich mir mal Anfang des Jahrtausends ein Wise Guys Album gekauft habe. Weil ich es schön fand. Es kommt schon eher alles aus dem Metal-Bereich, aus den Bands, die viel mit Chören und Stimmen machen, Blind Guardian zum Beispiel. Ich würde sagen, das ist eher die Inspiration – Bands, die es auf die Spitze treiben und so viele Chöre auf’s Album packen, dass man keine Instrumente mehr braucht (lacht).
Kann jeder A Capella singen lernen oder benötigt man dafür „besondere Grundvoraussetzungen“?
Stefan: Das ist eine gute Frage. Ich würde sagen, wenn man musikalisch ist, dann ist die Übersetzung zu etwas, was man singt, eigentlich immer gegeben. Die Stimme ist ja nun mal das Instrument, was jeder von uns hat. Wenn man jetzt musikalisch total unbewandert ist, weil man kein Rhythmusgefühl hat oder keinen Ton halten kann, dann hilft’s dir mit A Capella bestimmt weniger. Bei einer Gitarre weißt du, wenn sie gestimmt ist und du sie richtig greifst, dass sie richtig klingt. Beim Gesang musst du bei jeder einzelnen Note dafür sorgen, dass sie wirklich richtig ist. Ansonsten würde ich sagen, gibt es keine Hürde, warum man nicht A Capella-Sänger werden kann.
Hattet ihr dafür eine spezielle Gesangsausbildung oder habt ihr euch das autodidaktisch beigebracht?
Stefan: Die Leadsänger waren auch schon in ihren vorherigen Bands Leadsänger. Ausbildungen, wo du zu dem Gesangslehrer gehst und fragst, ob er dir zeigen kann, wie eine Heavy-Metal-Gitarre klingt, gibt es wahrscheinlich nicht wirklich viele. Vielleicht sollte ich das jetzt mal anbieten (lacht). Aber ich wüsste auch gar nicht, wie ich das erklären sollte. Ich singe ja die tieferen Gitarren und da ist die Gesangstechnik gar nicht mal so anders, als wenn ich jetzt Leadsänger in der Band bin. Eigentlich ist es dieses leicht angeraute von Heavy-Metal-Leadsängern wie James Hetfield von Metallica – nur eine Oktave tiefer. Und wenn du das als Leadsänger kannst, dann kannst du’s wahrscheinlich auch als Gitarrensänger. Allerdings musst dich damit abfinden, dass du auf einem Livekonzert sehr viel singen und nur sehr wenig atmen darfst.
Wie lange hast du gebraucht, um die Gitarre so singen zu können, dass du damit zufrieden warst?
Stefan: Bis ich zufrieden war … da würde ich jetzt wirklich sagen 15 Jahre. Zum aktuellen Album ist es uns jetzt auch wirklich bei Interviews passiert, dass Leute gefragt haben, die uns das erste mal interviewt haben, wer der Gitarrist ist (lacht). Wir haben uns mal gesagt, wenn wir das irgendwann so gut machen, dass man den Unterschied nicht mehr hört, dann müssen wir uns eigentlich auflösen. Jetzt muss ich mir noch überlegen, warum das noch nicht der Fall ist (lacht). Auf dem neuen Album bin ich echt zufrieden mit den Rhythmusgitarrensounds und den Leadgitarrensounds. Und wir wissen jetzt, wann wir welche Silbe am besten singen, damit es zu dem Leadgesang und den Drums passt. Jetzt bin ich sehr zufrieden – und in einem Jahr denken wir wahrscheinlich wieder „Oh, das hätte man aber anders machen können!“. Und dann muss man halt ein neues Album schreiben (lacht).
Bei elektronischer Musik sind die Möglichkeiten fast grenzenlos. Ist das Klangrepertoire eurer Stimmen begrenzt(er)?
Stefan: Ich kann nicht so viel zu elektronischer Musik sagen, aber rein vom Soundrepertoire von Synthesizern zum Beispiel, hast du recht, da kann man wohl alle Sounds die es gibt irgendwie erzeugen. Ich glaube aber, dass wir zumindest im Vergleich zu einer normalen Rhythmusgitarre mehr Möglichkeiten haben. Wir können unsere Stimmen da krasser variieren, als wenn du jetzt einfach zwei verschiedene Gitarren oder Verstärker nimmst. Von daher habe ich eher das Gefühl, dass wir mehr Töne im Werkzeugkasten haben, als normale Metalbands. Aber verglichen mit einem Synthesizer, können wir da irgendwann wahrscheinlich nicht mehr mithalten.
Was ist dein Geheimtipp für die Stimmpflege?
Stefan: Wasser trinken, ohne Kohlensäure! Nicht auf die Leute reinfallen die sagen, man solle irgendwelche besonderen Sachen trinken. Zum Beispiel sind Tees oft viel schlechter als man denkt, weil sie die Schleimhäute eher austrocknen. Für uns funktioniert tatsächlich Wasser am besten und auch die psychologische Komponente, sich nicht zu viele Gedanken zu machen. Am Anfang haben wir dann auch „keine scharfen Sachen zum Essen, auf keinen Fall Säfte, keine Kohlensäure“ und so Sachen auf den Catering Rider geschrieben. Und hat man dann aus versehen doch mal irgendwo dran getrunken, wo Kohlensäure drin war, dachte man sofort „Oh Gott, jetzt ist das Konzert gelaufen”. Aber eigentlich ist es dann auch egal – wenn du zehn Shows am Stück gespielt hast, ist die Stimme sowieso so angegriffen, dass du halt irgendwie klarkommen musst. Da ist es auch egal, ob du jetzt vorher Wasser oder Cola getrunken hast. Und exzessive Alkoholeskapaden gibt es bei Van Canto allein deswegen nicht, weil wir so viele Sänger sind. Ein Gitarrist kann auch mal mit einem Schädel auf die Bühne gehen und trotzdem noch super spielen, aber wenn die Sänger sich runtergerockt haben, dann hört man das bei einer A Capella-Band schon.
Nächste Woche kommt euer neues Album raus. Was erwartet eure Hörer?
Stefan: "To The Power Of Eight" ist das erste Album, wo wir mit drei Leadsängern arbeiten, die sich gegenseitig das Mikro in die Hand geben.
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Von der Seite gibt es schon mal neue Höreindrücke, als bei den anderen sieben Alben. Ansonsten würde ich sagen, ist es schon wie ein Best-of der Sachen, die wir in den letzten 15 Jahren gelernt haben. Es ist ja bei jedem Album so, dass man das, was man vorher gemacht hat, nicht wiederholen, aber trotzdem die Erfahrung mit einfließen lassen will. Daher sagt auch jeder Musiker, dass sein neuestes Album auch das beste und reifste ist. Bei uns stimmt das natürlich auch (lacht).
Wie du bereits erwähnt hast, habt ihr für das Album euren ehemaligen Bandkollegen Philip Dennis „Sly“ als dritten Leadsänger mit ins Boot geholt. Wie kam es dazu?
Stefan: Wir sind ja nicht nur ehemalige Bandkollegen sondern auch Freunde – der Kontakt ist da nie abgerissen. Für uns fühlt sich das also gar nicht so krass nach Comeback an, weil wir die ganze Zeit in Kontakt waren. Auf dem Summer Breeze 2019 ist er schon als Gast mit auf die Bühne gekommen. Das war eine sehr spontane Idee, die wir auch nicht angekündigt hatten. Es hat super Spaß gemacht, dann auch in dieser Konstellation mit drei Leadsängern. Schnell kam die Idee, dass er doch bei ein oder zwei Songs Gastvocals auf dem neuen Album machen könnte. Dann kam Corona und auf einmal haben wir gemerkt, dass wir unglaublich viel Zeit haben. Der Grund für ihn damals, aus der Band auszusteigen, war auch einfach der Aufwand den man betreiben muss, wenn man professionell Musik macht: mit Touren und allem was dazu gehört. Nun hatte man auf einmal ein Jahr lang ohne Konzerte Zeit, an einem Album arbeiten zu können, und so war es dann sehr schön, dass er letztendlich bei allen Songs dabei war.Wenn ihr die Songs des neuen Albums – hoffentlich bald – auch mal live singen könnt, wird Sly dann auch mit dabei sein oder funktionieren die Songs mit zwei Leadsängern genauso?
Stefan: Dass wir ihn jetzt als Gast angekündigt haben, ist auch so gemeint. Wenn wir jetzt wüssten, dass er auf alle Zeit wieder dabei ist, dann wäre er nicht als Gast dabei sondern als Bandmitglied. Es gibt auf dem Album durchaus auch Songs, die für einen speziellen Leadsänger, zum Beispiel für Hagen geschrieben waren, wie „Heads Up High“, „Raise Your Horns“ und natürlich „Thunderstruck“ oder auch Songs, wo Inga sehr stark im Vordergrund steht, wie „Faith Focus Finish“. Bei diesen Songs – die waren dann teilweise auch schon vorher geschrieben – haben wir noch eine dritte Stimme dazu arrangiert. Deswegen können wir sie ohne Probleme live spielen, auch in einem siebener Setup. Wenn wir ansonsten auf Festivals sind, ist ja die Auswahl an potentiellen Gästen, die mal eine andere Stimme übernehmen könnten, sehr groß. Das ist also auch etwas, was wir überlegen. Und man muss nach acht Alben auch ehrlich sagen: Wenn wir von der Bühne kommen, fragt immer irgendwer, warum wir den und den Song nicht gespielt haben. Wir können jetzt aus so vielen Songs auswählen, dass wir – egal in welchem Setup – glaub ich immer gute Songs auswählen können.
Neben neuen eigenen Songs, finden sich auf dem Album auch wieder mehrere Coversongs.
Sind prinzipiell alle Songs A Capella tauglich?
Stefan: Jeder bestimmt nicht. Für uns ist erst mal das Kriterium, dass man der Stimme relativ schnell anhört, ob jemand etwas ernst meint oder nicht. Wenn irgendwas rüberkommen soll, dann muss man auch eine Verbindung zu dem Song haben. Das heißt, wir könnten nichts covern, was wir nicht mögen. Das würde man dann glaub ich der Energie recht schnell anmerken. Dann haben für uns die Coversongs auch immer eine Funktion im Album. Wir sind da noch etwas altmodisch und denken in Alben und nicht in Singles. Dabei sollen die Cover auch schon irgendwie in die Albumreihenfolge passen. Es geht dabei nicht darum, dass wir nur schnelle Songs schreiben und dann noch vier schnelle Songs covern. Das muss irgendwie die Waage halten. Jeder Leadsänger sollte mal ein Cover haben, wo er sich auch zeigen kann. So haben wir das dann ausgewählt.
Einer eurer neuen Songs heißt „Turn Back Time“. Wenn du die Zeit zurückdrehen könntest: Welchen Tipp würdest du mit den Erfahrungen, die du jetzt über die Zeit gesammelt hast, Van Canto in der Gründungsphase geben?
Stefan: Das ist eine wunderschöne Frage (lacht). In "Turn Back Time" geht es tatsächlich – obwohl er Turn Back Time heißt – darum, dass es eigentlich gut ist, dass man die Zeit eben nicht zurückdrehen kann. Man soll eher das nehmen, was man erlebt hat, um daraus zu lernen und es in der Zukunft besser machen, da man die Zeit eh nicht ändern kann. Von daher mache ich mir über solche „Was wäre wenn…” Sachen nicht ganz so viele Gedanken, zumal ich persönlich sowieso finde, dass mit Van Canto viel mehr passiert ist, als wir uns am Anfang je erhofft hatten. Für mich sind irgendwie alle meine Teenager-Musikerträume in Erfüllung gegangen. Deswegen würde ich meinem jüngeren Ich maximal sagen: „Mach es genau so und lass dir nichts erzählen. Das wird schon alles gut.“
Zum Schluss noch ein kleiner Blick in die Zukunft: Was wünschst du dir für die Zeit nach Corona?
Stefan: Ich wünsche mir für die Zeit nach Corona – mal auf die Metalszene bezogen – dass es so gemeinschaftlich bleibt, wie es vor der Pandemie war. Ich habe ein paar Bedenken, weil ich glaube, dass es dann weniger Clubs gibt und ganz viele Bands, die alle gleichzeitig wieder auf Tour gehen wollen. Die Fans haben teilweise auch andere Sorgen, als jetzt jede Woche auf zehn Konzerte zu gehen – oder vielleicht auch weniger Geld, weil sie ihren Job verloren haben und so weiter. Ich hoffe einfach, dass diese Nachwirkungen, die Corona hat, nicht so schlimm ausfallen und dass sich die Metalszene als stark genug erweist, dass sie sich in den nächsten 2-3 Jahren erholen und auf neue Füße stellen kann.
Wir hoffen das Beste. Danke für deine Zeit!
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