Interview mit Sharon den Adel | Within Temptation Von Patricia Mikolasch Auf mein Interview mit Sharon den Adel, Frontfrau von Within Temptation, war ich sehr gespannt. Persönlich hatte ich mich bis jetzt noch nicht so intensiv mit dem Genre des Metal und Symphonie Metal beschäftigt, doch während unseres Gespräches zeigte sich einmal mehr, dass Musik mehr ist, mehr kann und mehr verbindet, dass sie trotz der unterschiedlichen Unterteilungen und Abgrenzungen einfach Kunst ist, Leben und Lieben durch die Augen Seele des Künstlers erzählt. Sharon, was ist der Kern Eurer Musik? „Melancholie. Sie ist essentiell für unsere Musik“ Wie schreibt Ihr Eure Songs? „Meinst du das Schreiben von Songs- Inspiration etc. oder das Aufnehmen und produzieren?“ Im Grunde genommen beides. „Ich bin in der glücklichen Lage den Tag über schöne Dinge tun zu können. Wie ein Buch lesen oder Filme schauen, Dinge, die mich in eine gute Stimmung versetzen und mich inspirieren. Dann kann ich etwas schreiben. Es ist nicht so, dass wir uns treffen und jammen- wir jammen nicht. Wir schreiben entweder alleine oder zu zweit. Die Ideenstücke können sehr unterschiedlicher Natur sein- mal ist es eine Gesangsmelodie etc.“ Woraus setzt sich Euer Wiedererkennungswert zusammen Was ist Euer Trademarksound? „Ich würde sagen die Gitarre. Die Gitarre in Kombination mit den Keyboards. Orchestraler Sound und Chorgesang. Der Sound ändert sich zwar von Album zu Album, aber wenn du einen unserer Fans fragen würdest, wären es wahrscheinlich das Orchester und die Chöre, die genannt werden würden.“ Du bist ja schon lange im Geschäft, nächstes Jahr sind es 25 Jahre- was war die beste Kritik oder der beste Rat, den Du bekommen hast? „Im musikalischen Bereich habe ich oder wir als Band nicht viele Ratschläge bekommen- wir mussten sehr viel selbst ausprobieren und herausfinden. Für das Leben allgemein hat Xzibit mal etwas sehr schönes zu mir gesagt. Während den Arbeiten an dem Song „And We Run“ sagte er beim Mittagessen zu mir- Du musst Entscheidungen im Leben treffen, denn du kannst die Zeit nur einmal erleben. Du kannst alles kaufen, außer Zeit, verbringe und nutze sie weise. Xzibit ist ein weiser Mann. Nicht jemand, der versucht weise zu sein- sehr viel von dem, was er sagt, ergibt sehr viel Sinn.“ Hat dieser Satz etwas für Dich verändert? „Ich denke immer wieder an diese Worte wenn es mir nicht so gut geht, daran gute Entscheidungen treffen zu müssen.“ An welchen Moment erinnerst Du Dich (mit) am liebsten in Deiner Karriere als Musikerin? „Da gibt es ein paar, aber was wirklich eine wundervolle Erfahrung war, war die Zusammenarbeit mit dem Metropol Orchester. Dieses Rock/Pop Orchester, was mit so vielen tollen Künstlern, wie zum Beispiel Tori Amos, gearbeitet hat. Die Musiker waren sehr engagiert. Das Orchester versteht die Musik der Künstler, mit denen es zusammenarbeitet und ist sehr gut darin, die Arrangements passend zur Musik zu schreiben, ohne, dass es weinerlich wurde. Die Musiker waren alle sehr motiviert und fokussiert und hatten spürbar Lust auf die Zusammenarbeit. Das war ein Traum, der in Erfüllung ging.“ Eine der Künstler, die Du erwähntest, ist Tori Amos- Du nennst sie auch als Einfluss- in wieweit hat sie Dich beeinflusst oder inspiriert Dich vielleicht immer noch? „Was ich an Tori Amos schon immer sehr schätze, ist ihre Verletzlichkeit in ihren Texten. Sie beschreibt Ereignisse oder erzählt Geschichten mit Metaphern, die jedem genug Raum lassen, eine eigene Bedeutung zu interpretieren und trotzdem dringt ihre Message durch. Das hat meinen Blick auf meine eigenen Texte verändert.“ Als großer Tori Amos Fan stimme ich Sharon absolut zu. Verletzlichkeit, -innere- Stärke, Dinge, die ein Künstler meiner Meinung nach unbedingt braucht. Dinge, die einem als Künstler die Kunst auch sehr schwierig machen können. Gab es Momente in denen die Musik, mit all ihrem Geben und Nehmen, Höhen und Tiefen, mit all ihrer Energie zu mächtig, überwältigend für Dich war? „Der einzige Moment, der für mich, für uns so überwältigend, Angst einflößend und verwirrend war, war als Within Temptation aufhörte eine kleine, unbekannte Band aus den Niederlanden zu sein, die einfach für ihr Publikum spielte und alle damit glücklich waren. Als wir spürten, dass etwas passierte, was wir nicht aufhalten konnten- ob wir wollten oder nicht, kamen viel Fragen auf- was sollen wir tun?- wir hatten alle Jobs oder gingen noch zur Uni. Auf einmal wurde der Druck, der auf uns lastete beängstigend hoch. Der Einstieg in den Mainstream und die Veränderungen, die sich daraus ergaben, waren von so vielen Emotionen überschüttet- der Druck, die Angst, gleichzeitig war es aber natürlich das größte Kompliment, dass es auf einmal nicht mehr egal war, was wir taten. Jede Tour, die wir spielten, wurde größer, die Locations wurden größer. Zum Glück für uns waren wir schon um die 26 Jahre alt und der Auf-/Umstieg in den Mainstream ging etappenweise. Wir hatten unsere Jugend, wir hatten ein Leben davor. Ich kann mir kaum vorstellen, was für ein Druck und Umstellung es für Künstler wie zum Beispiel Billie Eilish sein muss, die so jung entdeckt wurde und praktisch über Nacht ein Megastar war. Das muss unglaublich belastend sein. Bei uns hat dieses Gefühl zum Glück über die Zeit abgenommen. Abgesehen davon, gibt es auf der Bühne die Momente, die einem emotional alles abverlangen, doch wenn man in der Lage ist alles zu geben und zu zeigen und das Publikum eine Verbindung aufbauen kann, ist es ein unglaublich schönes Gefühl. Wenn alles auf der Bühne zu einem Ganzen wird. Wichtig ist aber natürlich, sich selbst nicht komplett darin zu verlieren. Wunderbar finde ich auch, dass man bei Songs, die sehr persönlich und bedeutsam sind, wieder in diese extremen Emotionen abtauchen kann und sie aber auch hinter sich lassen kann. Wichtig ist die Balance.“
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Schon früh während unseres Gesprächs merke ich, dass ich viel zum Nachdenken habe… Trotzdem - und gerade deshalb - frage noch weiter.
Du sagtest, nächstes Jahr sind es 25 Jahre für Dich im Musik Business. Als einzige Frau in der Band in einem immer noch männerdominierten Genre, drängt sich mir die Frage auf, ob Du Dich jemals anders behandelt gefühlt hast, weil Du eine Frau bist? „Ich bekomme diese Frage recht häufig gestellt. Nein, ich habe mich nie anders behandelt gefühlt. Wir sind alles Freunde in der Band und mein Freund war immer dabei, es stellte sich für mich nie die Frage nach einer Berechtigung für mein Mitwirken. Als junges Mädchen sah ich so viele weibliche Künstlerinnen, die Instrumente spielten oder sangen, daher zweifelte ich selbst nie daran als Künstlerin anerkannt und ernst genommen zu werden. Vielleicht lag es auch daran, dass sich niemand getraut hat etwas zu sagen, weil mein Freunde war, aber auch vorher nicht. Mit 14 Jahren sang ich in einer Coverband mit. Die Anderen waren alle schon 19 Jahre alt und agierten immer wie eine Gang um mich. Sie haben mich auf unseren Gigs oder anderen Konzerten, zu denen die Jungs mich mitnahmen, immer beschützt. In einer Band beschützt man sich gegenseitig. Langsam verändert sich ja auch die musikalische Landschaft und Frauen werden immer präsenter, was ich sehr schätze. Ich denke, wenn Mädchen eine Musikerin sehen, entwickelt sich eine andere Sichtweise auf das Musikgeschäft und auch das Selbstbewusstsein, selbst diesen Weg gehen zu können.“ War es mit Leuten aus dem Musik Business anders? „Nein, dadurch, dass wir und schon bewiesen hatten, bevor wir unseren ersten Vertrag unterzeichnet hatten, waren wir in einer anderen Situation. Die erste Plattenfirma, bei der wir waren, war selbst noch im Lernprozess. Die Promotion war sehr gut- überall, wo wir spielten, wurden Poster aufgehängt, aber sonst mussten sehr viel sagen, klare Ansagen und Anweisungen machen. Wir mussten schon eine genaue Vorstellung davon haben, wie wir klingen wollten. Ich glaube, es ist sehr wichtig als Künstler eine genaue Vorstellung davon zu haben, wie man klingen möchte, wer man sein möchte. Am besten ist es, etwas Eigenes zu haben, anders zu sein als andere Künstler, auf eine Art und Weise, dass Menschen eine Verbindung dazu aufbauen können.“ Immer noch ganz beeindruckt vom Gesagten, merke ich, dass es Zeit für die letzte Frage wird…Als Mutter von drei Kindern- wie schaffst Du es die Balance zwischen Familienleben und Künstlerdasein zu wahren? „Das ist zugegebenermaßen eine schwierige Sache, die immer wieder überprüft und verändert werden muss. Ca. alle fünf Jahre verändern sich die Bedürfnisse- die Kinder wachsen heran, wir werden älter, die Band braucht andere Dinge- alle in der Band haben eine Familie- die Balance zu finden und immer wieder herstellen zu können, ist absolut notwendig. Die beiden Welten sind einander so fern, dass es schon fast etwas schizophrenes hat. Wenn ich nach einer Tour nach Hause komme, brauche ich ungefähr eine Woche um wieder klar zu kommen und an der Realität teilzunehmen. Auf Tour ist alles durchgeplant. Sämtliche Termine sind vorgegeben, geplant, selbst wann gegessen wird. Im Grunde genommen, ist es eine ziemlich bequeme Zeit für die Band - man sieht zu, dass man sich umschaut, Kultur kennenlernt, schöne Dinge macht und dann abends eine gute Show spielt; das Warten allerdings kann sehr anstrengend sein. Kommt man wieder nach Hause, muss man an den täglichen Ritualen teilnehmen, selbst kochen (-ach, ich sollte das Abendbrot zubereiten?? ;) ). Einige gehen nach Ende einer Tour für eine Woche ins Hotel, um wieder in die Normalität zurückzufinden. Man kann nicht in beiden Welten gleichzeitig leben- man muss sich aufteilen- das hat wirklich etwas von Schizophrenie. Doch man braucht beides. Die Normalität um geerdet zu bleiben und nicht zu vergessen, was im eigenen Leben wichtig ist. Auf Tour vergisst man wirklich wie die echte Welt funktioniert. Da alles aber ein Ende hat, darf man den Bezug zur Realität und zur Normalität nicht verlieren. Man verpasst so viele Dinge, Geburtstage, wichtige Momente. Man muss immer wieder zurückkommen und sich darüber klar werden und sich auch darum kümmern, was wichtig ist. Wie Familie und Freunde. Und zwar nicht nur die eigene Familie mit Kindern und Mann, sondern auch die eigenen Eltern, Geschwister und Freunde. Wenn man sich nur auf das Tourneen konzentriert, wird man einsam und kommt von der Spur ab. Die Balance zwischen Familienleben und Künstlerdasein braucht Kommunikation. Man muss reden um Dinge für alle gut zu regeln. Und man kann es schaffen. Bevor ich Kinder hatte war ich zum Beispiel sechs Wochen auf Tour und konnte alles machen. Jetzt gehe ich immer noch sechs Wochen auf Tour, aber im zwei Wochen Rhythmus. Also bin ich zwei Wochen auf Tour und komme dann für zwei Wochen wieder nach Hause, so habe ich das Beste aus beiden Welten.“ Mit sehr viel Input zum Nachdenken, Dankbarkeit für die ausführlichen und ungeschönt ehrlichen Antworten, muss ich das Interview leider beenden. Zurück bleiben zahllose Eindrücke aus dem Leben einer vielschichtigen, sehr sympathischen Künstlerin. Herzlichen Dank an Sharon den Adel für das tolle Gespräch. Ich gehe jetzt erst einmal nachdenken… |
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