The 800
Helden werden gemacht in den Geschichten, die über sie erzählt werden. Und in den Filmen, die über sie gedreht werden. In China kennt jedes Kind die Heldengeschichte der kämpfenden Soldaten im Oktober 1937. In dem chinesischen Kriegs-Blockbusters „The 800“ kämpfen 800 chinesische Verteidiger aus dem 542. Regiment der Nationalrevolutionären Armee Chinas (eigentlich sind es nur 452 von ursprünglich 800 Soldaten) gegen 20.000 japanische Angreifer in einem Militär-Lagerhaus das vollständig von der japanischen Armee umgeben ist in einer letzten, verzweifelten Schlacht um Shanghai.
Bereits 1938 gab es schon eine chinesische Produktion zu diesem Thema. Erst 2020 kam „The 800“ ins Kino. Der Mega-Hit spielte allein an den chinesischen Kinokassen mehr als 460 Millionen Dollar ein. Damit avancierte das Kriegs-Epos sogar zum weltweit erfolgreichsten Kinofilm 2020. Was natürlich vor allem daran lag, dass im Westen die Kinos über viele Monate geschlossen hatten, während in China, dem Ursprungsland der Pandemie, schon im Sommer die Lichtspielhäuser wieder öffnen konnten.
Wer sich nicht mit dem Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg auskennt oder wenig über die unter den westlichen Mächten aufgeteilte Riesenstadt Shanghai weiß, hat es erst einmal schwer, das Szenario zu verstehen. Denn nach einer nur sehr kurzen Einführung geht es direkt ins Schlachtgeschehen.
Hinter dem umkämpften Lagerhauses, getrennt nur durch einen schmalen Fluss, liegt die britische exterritoriale Zone, die sogenannte Konzession von Shanghai. Die Japaner trauten sich nicht, die von unter anderem Großbritannien, Frankreich und den USA verwalteten Gebiete der Metropole anzugreifen.
Es ist schon surreal. Auf der einen Seite des Flusses die total zerstörte graue Einöde des Schlachtfeldes mit dem Sikang-Lagerhaus, auf der anderen Seite das bunte Nachtleben mit Glücksspiel oder bei Theateraufführungen und beobachtende Menschen vor farbenfrohen Lichtern und Reklamen. Bewohner, Reporter aus aller Welt stehen auf den Balkonen sowie am Ufer, um die erbitterte Schlacht auf der anderen Flussseite zu filmen und fotografieren. „Himmel und Hölle“ eben, je nach dem auf welcher Seite des Flusses man sich befand.
Die Erzählung folgt dabei weniger den menschlichen Schicksalen als den zeitlichen Abläufen nach Tagen unterteilt. Im Unterschied zu den meisten Kriegsfilmen gibt es zwar Protagonisten die mal öfters zu sehen sind, aber keine richtigen Hauptdarsteller. An diese sollte man sich aber nicht zu sehr gewöhnen, sie werden meist im Kugelhagel sterben.
Fazit: „The 800“ ist ein bildgewaltiges Kriegsdrama, das sich visuell mit den allerbesten Beiträgen des Genres messen kann. Der chinesische “Dunkirk‘ über dieses hierzulande weitgehend unbekannte Kapitel der Weltgeschichte ist schon optisch eine Wucht. Die hektischen Aufnahmen im Getümmel, Drohen-Kameraaufnahmen, Imitation der historischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen der internationalen Beobachter tragen zur Intensität des Films bei. Die Schlachten sind fulminant umgesetzt, sehen jederzeit spektakulär aus und hören sich ebenso an. Zudem wurden viele Sets -heutzutage üblich- in echt auf mehr als 130.000 Quadratmetern detailliert nachgebaut. Die unter Aufsicht von Hollywood-Spezialist Tim Crosbie („Matrix“) ergänzen visuellen Effekte ergänzen diese realen Kulissen mit sehr überzeugendem Ergebnis.
Die Handlung an sich ist aber ein heilloses Durcheinander in dem man sich nur mit Mühe zurechtfindet.
Wie in den allermeisten chinesischen Kriegsfilmen gibt es eine einseitige Darstellung der historischen Ereignisse. Da die Originalfassung zu Problemen mit den Zensurbehörden in China führte, wurde die am 15. Juni 2019 geplante Weltpremiere wieder abgesagt und die chinesischen Regierung hat dann noch mal Einfluss auf den Film genommen und um etwa 15 Minuten gekürzt. |