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Blind

von Christine Brand

Inhalt: Seine Welt ist dunkel. Er ist blind. Doch er hat ihren Schrei gehört – und seine Sinne haben ihn noch nie getäuscht…
Nathaniel hört einen Schrei, dann bricht die Verbindung ab. Gerade noch telefonierte er mit einer Frau. Eine anonyme App verband die beiden, die Frau half Nathaniel dabei, das richtige Hemd zu wählen. Denn Nathaniel ist blind, doch der Schrei klang eindeutig. Was, wenn der Frau etwas angetan wurde? Er ist sich sicher: Es muss ein Verbrechen sein. Doch keiner glaubt ihm, es gibt keine Beweise, keine Spur. Gemeinsam mit einer Freundin, der Journalistin Milla, macht sich Nathaniel selbst auf die Suche nach der Wahrheit. Er ahnt nicht, dass er für die fremde Frau die einzige Chance sein könnte – oder ihr Untergang ...

Rezension: Schon der dunkle Einband, sowie die Haptik, leicht erhaben, wie in der Brailleschrift, machen neugierig auf den Inhalt. Das I-Tüpfelchen, um sich noch mehr in die Welt des blinden Hauptprotagonisten Nathaniel einzufühlen, wäre es empfehlenswert gewesen, den Titel BLIND dann tatsächlich in Brailleschrift aufzudrucken.
Christine Brand beschäftigt hier die investigative Fernsehjournalistin Milla gleich mit zwei Ermittlungsfällen, einmal quasi hauptberuflich in einer Recherche über einen Musikschullehrer, der angeblich viele seiner erwachsenen Schüler mit HIV wissentlich infiziert hat. Der zweite Fall ist quasi ein Freundschaftsdienst für den blinden Nathaniel. Milla hat den jungen Mann während einer Fernsehreportage über die neue App „Be My Eyes" kennen gelernt. Hier können Blinde Kontakt via Face-Time mit Sehenden aufnehmen und sie um Hilfe bitten.

So hat Nathaniel auch vor ein paar Tagen die App benutzt, er brauchte Hilfe bei der Auswahl eines farbigen Hemds. Carole, die Frau, die auf seinen Anruf geantwortet hat, schrie plötzlich laut auf, Gepolter ist zu hören, dann wurde das Gespräch abrupt abgebrochen. Nathaniel versucht nachzuforschen, gerät aber durch seine Behinderung bald an seine Grenzen. Denn für solch außergewöhnlichen Suchbefehle und Man-Trailersuche ist seine geliebte, zuverlässige aber doch leicht chaotische Blindenhündin Alisha nicht geeignet. Zwar zieht sie ihr Herrchen Nathaniel in nicht ganz unfallfreiem Galopp in ein großes Park- und Waldgebiet, leider ergebnislos.

Somit bittet Nathaniel die Journalistin um Hilfe, er ist sich dank seiner besonderen Fähigkeit des Hörens sicher, dass Carole etwas zugestoßen ist. Milla ist sich am Anfang nicht sicher, ob an der Story etwas Wahres ist. Doch immer mehr Ungereimtheiten tun sich auf. Spätestens als sich herausstellt, dass Carole hochschwanger ist, die Entbindung steht kurz bevor. Doch Carole erscheint nicht zu dem ausgemachten Termin bei ihrer Gynäkologin, sie doch Panik vor der Geburt hat.

Milla umgarnt ihren Freund Sandro, Leiter des Dezernats Leib und Leben bei der Kantonspolizei Bern. Es kommt einmal mehr zum Eklat in ihrer Lieblingspizzeria, als Milla versucht in beiden Fällen an Insiderinformationen der Polizei zu kommen. Auch Nathaniel gerät unter Verdacht selbst etwas mit dem Verschwinden von Carole zu tun zu haben.

Auch in seiner Vergangenheit gibt es ein sehr dunkles Kapitel, seine restliche Familie fiel einem Verbrechen zum Opfer, nur der damals 11-jährige Junge überlebte mehr tot als lebendig. Nach seiner Genesung wuchs er bei einer Adoptivfamilie auf. Seit diesem Vorfall ist er komplett erblindet. Zudem ist Nathaniel auf seiner Arbeitsstelle Carole einmal begegnet. Auch Caroles Familiengeschichte ist so verworren, da überrascht es nicht wirklich, dass ein ihr bis dato unbekanntes Familienmitglied in beide Kriminalfälle involviert ist.

Fazit: Die Verstrickungen gehen in immer tiefere Schichten, es gibt im Laufe des Romans etliche Tatverdächtige und bedauernswerte Opfer, physisch wie psychisch. Bis zu den letzten Seiten bleibt der Täter fast unentdeckt, dank der Vielschichtigkeit der Charaktere Nathaniel und Milla ist es ein stimmiger Kriminalroman, der Kriminalist Sandro bleibt allerdings eine blasse Randfigur in diesem Fall. Es wird spannend in der Fortsetzung „Die Patientin“ von Christine Brand. Hier haben alle Figuren sicherlich Raum sich weiter zu entwickeln.

 
Gesamtbewertung:

Erscheinungstermin: 19.10.2020

Genre: Kriminalroman
Einband: Taschenbuch
Seitenzahl: 448 Seiten
ISBN: 978-3-764-506452-8

Autorin: Christine Brand, geboren und aufgewachsen im Schweizer Emmental, arbeitete als Redakteurin bei der »Neuen Zürcher Zeitung«, als Reporterin beim Schweizer Fernsehen und als Gerichtsreporterin.

Im Gerichtssaal und durch Recherchen und Reportagen über die Polizeiarbeit erhielt sie Einblick in die Welt der Justiz und der Kriminologie. Sie hat bereits Romane und Kurzgeschichten bei Schweizer Verlagen veröffentlicht. »Blind« ist ihr erster Roman bei Blanvalet. Christine Brand lebt in Zürich, reist aber die meiste Zeit des Jahres um die Welt. So hat sie unter anderem alte Sagen über den Mond aus der ganzen Welt gesammelt und in der aktuellen, neuzeitlichen Literatursprache veröffentlicht.

Verlag: blanvalet Verlag