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Die verlorene Frau

von Emily Gunnis

Inhalt: 1960, Seaview Cottage: Die dreizehnjährige Rebecca und ihre Mutter leiden unter dem gewalttätigen Vater. In einer stürmischen Nacht pocht jemand an die Tür des abgelegenen Cottages. Wenig später sterben beide Eltern, doch die Umstände ihres Todes werden nie aufgeklärt.

2014, Chichester: Eine junge Mutter verschwindet spurlos mit ihrem todkranken Baby. Ihre Schwester Iris, eine Journalistin, soll sie so schnell wie möglich finden. Sie bittet ihre Mutter Rebecca um Hilfe - die ihr nie von der schicksalhaften Nacht vor über fünfzig Jahren erzählt hat. Doch nur mit dieser erschütternden Wahrheit kann es Iris gelingen, das Baby zu retten ...

Rezension: Unmittelbar auf der ersten Seite wird man Zeuge einer Familientragödie in einem kleinen Cottage an der stürmischen Küste Englands. Die 13-jährige Rebecca wird in dieser Nacht zur Vollwaise. Im blutgetränkten Nachthemd wird sie stundenlang von einem Kriminalinspektor verhört. Er glaubt in ihr die heimtückische Mörderin zu erkennen. Die Beweislage ist zu dünn, doch Rebecca fühlt sich ihr ganzes Leben lang schuldig. Schuldig auch daran, ihrer Mutter Harriet nicht genügend Schutz gegenüber ihrem gewalttätigen Vater, welcher ihr in den ersten Lebensjahren fremd blieb, da er traumatisiert und lebensfern aus dem 2. Weltkrieg nach Hause zurück kehrte.

Rebekka heiratet Harvey, auf dessen Farm sie schon als Kind gerne war. Harvey und Rebekka sind Spielgefährten, da Harriet auf der Farm den Haushalt führte, um sich den Unterhalt zu sichern, bis ihr Ehemann aus dem Krieg heimkehrte. Harvey und Rebekka bekommen eine gemeinsame Tochter Jessie. Doch die Ehe zerbricht an den Ereignissen in jener Nacht im Seaview Cottage. Rebecca kann sich niemanden offenbaren. Sie wird eine erfolgreiche Kinderärztin, eine zweite Tochter wird geboren, Iris, eine sehr erfolgreiche Journalistin.

Jessie ist hochschwanger als sie Kontakt zu Rebekka aufnimmt, sie lebt schon lange beim Vater und seiner 2. Ehefrau. Jessie hat psychische Probleme, wie seinerseits Rebekka. Jessie möchte endlich Antworten, sie stöbern in alten Aufzeichnungen, auch in Unterlagen von Harriet. Dies verwirrt Jessie jedoch noch mehr, im Krankenhaus verschlimmert sich nach der Entbindung des Babys die postnatale Depression noch mehr. Jessie und das kranke Baby verschwinden spurlos.

Doch es ist schon einmal in dunklen Familiengeschichte eine junge Mutter und ihr Baby verschwunden. Die junge Frau bei der Harriet damals in Diensten stand, tauchte nie wieder auf. Auch das Baby galt seitdem als vermisst, der Vater und Ehemann ließ es schließlich für Tot erklären.

Ein Wettrennen mit der Zeit und der Vergangenheit beginnt für Iris, Rebecca und Harvey.

 
Gesamtbewertung:

Erscheinungstermin: 11.05.2020
Genre: Familientragödie, Psychothriller
Einband: Fester Einband
Seitenzahl: 384 Seiten
ISBN: 978-3453272897

Autorin: Emily Gunnis arbeitete lange beim Fernsehen, unter anderem als erfolgreiche Drehbuchautorin. Mit ihrem Debutroman »Das Haus der Verlassenen« gelang ihr auf Anhieb ein internationaler Bestseller. Die Tochter der internationalen Bestsellerautorin Penny Vincenzi lebt mit ihrer Familie im südenglischen Sussex.

FAZIT: Eine sehr emotionsgeladene und spannende Familiengeschichte ist Emily Gunnis hier gelungen. Auch der atmosphärische Erzählstil der Settings an der englischen Küste mit seinen nebeligen und steinigen Strandabschnitten trägt dazu bei. Auch das enge Korsett der damaligen Bediensteten und der Upper Class und die Nöte der traumatisierten Kriegsheimkehrer,sowie der „Nervenheilanstalten“ der 40er und 50er Jahre sind in ihrer ganzen Brutalität und menschenverachtenden Behandlungsmethoden eindrucksvoll erläutert.

Auch die beiden Erzählstränge in der aktuellen Zeit und rund 60 Jahre früher zeigen gut die Rolle der Frauen, zum Teil herrscht auch heute noch Unverständnis für Frauen mit Schwangerschaftsdepressionen und Eigenständigkeit im Beruf trotz Kindern. Für mich gleichermaßen ein aufrüttelnder Familienroman, in vielen Teilen schon eine Tendenz zu einem gut recherchierten Psychothriller. Und nicht zuletzt ein wunderschön gestalteter Einband.

 

Verlag: Heyne Verlag