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OLYMPIA

von Volker Kutscher

Inhalt: Berlin, Sommer 1936. Inmitten der Olympiabegeisterung muss Gereon Rath verdeckt einen Todesfall im olympischen Dorf aufklären. Die Machthaber befürchten, dass Kommunisten die Spiele sabotieren. Rath hat seine Zweifel und ermittelt eher lustlos, zumal er private Probleme hat: Er ist Gastgeber amerikanischer Olympiatouristen, und seine Ehefrau Charly hat die gemeinsame Wohnung unter Protest verlassen. Dann findet er im olympischen Dorf einen Mitarbeiter mit kommunistischer Vergangenheit, der auch am Tatort war. Während der Verdächtige brutalen Verhören der SS ausgesetzt ist, geschieht ein zweiter Mord. Rath ermittelt fieberhaft, um weitere Todesfälle zu verhindern, und ahnt nicht, dass sein eigenes Todesurteil längst gefällt ist. Spannung pur!
Dies ist der 8. Roman um den Kommissar Gedeon Rath und der Kriminalassistentin Charlotte Ritter. Die Schauplätze befinden sich in und um Berlin.

Rezension: Schon der Bucheinband sieht bedrückend aus, wie die dunkle Zeit in die uns Volker Kutscher mitnimmt. Das Berliner Olympiastadion von Dunkelheit umgeben, nur die Arena, das martialische Bauwerk ist in gleißendes, glorifzierendes Licht getaucht.

Es ist die Olympiade 1936 in Deutschland. Hitler ist auf dem Höhepunkt seiner Macht angelangt, doch Nazideutschland gibt sich weltoffen und empfängt farbige Sportler, wie den legendären Läufer Jesse Owens. Eine Doppelmoral ohnegleichen. In dieser Olympiazeit werden weiterhin Minderheiten in Berlin und ganz Deutschland verfolgt. Vielen jüdischen Mitbürgern wird die Zeit knapp, ihr Heimatland zu verlassen.

Gereon Rath wird in das olympische Dorf Elstal versetzt, er soll hier den Mord an einem amerikanischen Trainer aufklären. Er starb im Speisesaal der Nationen, unklar noch, ob es ein Mord oder ein Herzinfarkt war. Der markante Rundbau, in dem der Speisesaal und Verwaltungsbüros untergebracht sind, dürfte den Fans der Serie "Homeland" aus den Berliner Episoden bestens bekannt sein. Auch heute werden dort noch Führungen angeboten, ebenso wie durch das Olympia Stadion.

Im 8. Band verdichtet sich auch das ganze Gräuel der SS und des bürokratischen Nazikonstrukts. Ein Geflecht aus Angst, Folter und Verleumdung. Kutscher gelingt es einmal mehr diese unsäglichen Leiden und Zukunftsängste seiner Protagonisten Charly, Gedeon und ihrem Ziehsohn Fritz eindrücklich und bildhaft darzustellen. Wer ist gut, wer ist ein Mitläufer, wem kann man noch vertrauen.
Es geschehen weitere Morde, die sich bis weit hinauf in die militärischen Ränge ziehen. Sollte es gar einen Mordanschlag auf Himmler geben?
Und ein vermeintlicher Täter ist auch bald ausgemacht, ein unbeschriebenes Blatt, ein früherer aktiver Kommunist – dieses Feinbild ist ja schon seit den ersten verfilmten Bänden der Gedeon Rath Romane, in Babylon Berlin, in Raths beruflicher Laufbahn immer wieder ein Fall für seine Ermittlungsarbeiten.

Rath gerät mehr und mehr in die Schlingen seines alten Vorgesetzten Gräf und des sadistischen SS- Mannes Tornow. Die schwarzen Uniformen verbreiten ihren gewollten Schrecken. Charly und Fritz werden von der Gestapo beschattet. Charly plant den Ausstieg für sich und Gereon aus Deutschland. Aber wird es ihr gelingen, Gereon zu überzeugen, sie ist sich nicht mehr sicher, inwieweit sie ihn noch retten kann aus dem braunen Sumpf, momentan überlebt er unter anderem auch durch seine Kontakte zur Unterwelt.
Fritze darf im olympischen Dorf in der Jugenduniform der Hitlerjugend als Gästebetreuer arbeiten, seine Schwärmerei und Verehrung für die amerikanischen Sportler, besonders für Jesse Owens, machen ihn zum Ziel von Mobbing durch die anderen Jungen der HJ. Der sportbegeisterte Teenager muss das Stadion verlassen, die Uniform wird ihm genommen. Auch in seiner neuen Pflegefamilie wird er von nun an misstrauisch beobachtet, alle Privilegien werden ihm aberkannt.
Somit entzieht sich auch Fritz dem Überwachungsstaat, er lebt wieder auf den Straßen in seinem Kiez. Für Fritze raufen sich die beiden starrköpfigen Charaktere Charly und Gedeon nochmals zusammen, aber vielleicht ist es schon zu spät gegen das Regime und die Schatten der vergangenen Fälle und Begebenheiten zu bestehen.

 
Gesamtbewertung:

Erscheinungstermin: 02.11.2020
Genre: Historischer Roman, Gegenwartsliteratur, Kriminal-thriller
Einband: gebundenes Buch, auch als eBook, Hörbuch und Audio-CD/ MP3 erhältlich
Seitenzahl: 544 Seiten
ISBN: 978-3-492-07059-1

Autor: Volker Kutscher, geboren 1962, arbeitete nach dem Studium zunächst als Tageszeitungs-redakteur, bevor er seinen ersten Kriminalroman schrieb. Mit dem Roman "Der nasse Fisch", dem Auftakt seiner Krimiserie um Kommissar Rath im Berlin der 30er-Jahre, gelang ihm auf Anhieb ein Bestseller. Darauf folgten weitere Bände. Mehrere Rath-Romane sind noch in Planung. "Moabit" (2017) erzählt die Vorgeschichte von Charlotte Ritter.
Die Bücher sind bisher in 21 Sprachen übersetzt worden, Kutscher ist mit etlichen Preisen ausgezeichnet worde

Verlag: Piper Verlag

FAZIT: Und wieder einmal ist es Volker Kutscher in diesem Band „Olympia“ gelungen, die deutsche Geschichte mit einem spannenden Kriminalthriller zu kombinieren. Teilweise sind die Verhörmethoden der SS, sowie die Züchtigungen der Kinder nichts für empfindliche Leser. Aber es sind sehr authentische Berichte aus diesem Jahr 1936.
Auch und leider sehr adaptierbar in die heutigen Jahre, seien es die politischen Strömungen oder Demonstrationen und Splittergruppen, gerade auch in Coronazeiten. Aber leider auch heutzutage sind die olympischen Spiele doch in einigen Ländern auf der Erdkugel ausgetragen worden, in denen die Bevölkerung unter Diktaturen, Armut und Ausbeutung leidet. Von der Umsiedlung ganzer Dörfer und Landstriche einmal ganz abgesehen. Ein Politikum eben.

Von Vorteil ist es, mindestens den 7. Band der Gereon Rath Romane „Marnow“ zuerst zu lesen, um das Konstrukt sämtlicher Personen in Band 8 besser zu verstehen, auch wenn man schon die ersten beiden"Babylon Belin"-Staffeln im Fernshen gesehen hat.
Ich schließe diese Buchbesprechung mit dem Zitat von Arthur Godfrey Kilner Brown, britischer Leichtathlet und Olympiasieger 1936: „The fact is that some of us went to Berlin with mistaken idea, that we were going to watch or take part in a sports meeting; instead we´re treated to a piece of political propaganda.“ (Innentext Olympia Seite 5).