Die schwarze Szene feiert beim M’era Luna

Wolfgang Karg

Hildesheim-Drispenstedt, Samstag, 10.08.2024 – Wo sich sonst Hubschrauber, Ultraleichtflieger und Flugschulen tummeln, wurde es an diesem Wochenende richtig dunkel. Nein, nicht die Wacken-Jünger sind waren gekommen, sondern die andere schwarze Fraktion der Gothic- und Cyber Gothic Szene feiert ihr seit dem Jahr 2000 bestehendes Festival M’era Luna (ein Fantasiename) am zweiten August-Wochenende.

Mit beständigen Besucherzahlen von ca. 25.000 Schwarzlingen ist es neben dem in Leipzig stattfindenden Wave-Gotik-Treffen eines der größten Festivals der Alternative-Musik- und Schwarzen Szene. Das Festival ist ausverkauft, heißt es auf der offiziellen Website.

M‘era Luna ist vor allem ein Familienfest mit vielen Stammgästen. Sie haben hier die Möglichkeit, ihre dunkle Seite ein Wochenende lang auszuleben. Wie immer ist die Szene aber gar nicht so düster, wie sie nach außen scheint, sondern eher dunkelbunt. Das M’era Luna 2024 gibt es bei ARTE Concert im Stream zu sehen!

© NordeventsImpressionen


Treffen der großen schwarzen Familie

Insgesamt stehen 39 Acts auf den zwei Bühnen und im Disco Hangar findet ein umfangreiches genreübergreifendes Rahmenprogramm statt: Lesungen mit Christian von Aster, Lydia Benecke und Markus Heitz, die Academy mit Podiumsdiskussionen, Schreib-, Tanz- und Make-up-Workshops, Fashion Show, Partys und mehr.

Die Festivalmacher präsentierten zwei Gewinner des Votings zum M’era Luna Newcomer 2024: Re.Mind und JanRevolution.

Bereits am Freitag gab es den Crypttalk in der fünften Ausgabe mit Stephan Thanscheidt (Chefbooker FKP Scorpio) und dem unvergleichlichen Chris Harms (Lord of the Lost).


Fashionshow im Flugzeughangar

Schwarz war natürlich die dominierende Farbe bei der Kleidung, ob Vampir-Outfits, Steampunk oder Kleidung der viktorianischen Epoche. Sehen und gesehen werden war das Motto. Und obwohl das Gros der Anwesenden über Nacht im eigens aufgebauten Zelt verschwindet, verwandeln sich diese zu aufwendig hergerichteten Schönheiten. Viele planten und kreierten ihren einzigartigen Look bereits weit im Voraus.

Jene Pilger der Dunkelheit machen M’era Luna zumindest zum optisch spannendsten Festival im Norden. So auch in der sehenswerten Fashionshow im Flugzeughangar. Nach einer kurzen Ansage und schon stürmen die männlichen und weiblichen Models den Laufsteg. Die mittelalterlichen Kleider und feinste Roben sind schon der Wahnsinn.

© Nordevents Antje Karg – Gothic Fashion Show


Neben den musikalischen Highlights dürfen sich die Besucher auch auf eine mitternächtliche Disco und einen Mittelaltermarkt freuen, der mit seinen Gauklern und seinem Flair aus einer längst vergangener Zeit zum Verweilen einlädt. Dieser war gut besucht und bis in die späten Abendstunden ein Anziehungspunkt für alle Teilnehmer. Der Markt bietet einen Gold- und Silberschmied, Feuershows, Gaukelei, Musik mit mittelalterlichen Klängen, Tanz und Kulinarisches. Auch standen Grills zur Verfügung und die hungrigen Gäste brauchten nur das eigene Grillgut mitzubringen.

Das musikalische Programm

Es ist zu einer lieb gewonnen Tradition geworden, das M’era Luna von Bands eröffnen zu lassen, die den zuvor veranstalteten Newcomer Contest gewonnen haben. So begann Hauptprogramm auf den beiden Bühnen recht früh am Samstag um 11:00 Uhr mit dem Necomer Re.Mind auf der Main Stage, gefolgt von Schwarzer Engel, das Projekt des deutschen Musikers und Sängers Dave Jason. Bei ihm treffen Dark-Metal und Symphonic-Metal auf Neue Deutsche Härte. Kurz nach seinem Auftritt gab es Autogramme.

Die schweizerische Dark-Rock-Band Hell Boulevard spielte kurz nach High Noon auf, Gothic-Klänge werden hier in eine gehörige Portion Rock ’n‘ Roll getaucht. Die Dark-Rock-Band Lacrimas Profundere (lateinisch Tränen vergießen) aus Waging am See hat schon einige Mitgliederwechsel hinter sich, von den Gründungsmitgliedern ist nur Gitarrist Oliver Nikolas Schmid übrig geblieben. Die düsteren und melancholischen Songs werden charismatisch vom Leadsänger Julian Larre vorgetragen.

© NordeventsLacrimas Profundere, S.P.O.C.K, Die Herren Wesselsky, Oomh!

Hinter dem Namen Die Herren Wesselsky verbirgt sich das Solo-Projekt von Alexander Wesselsky, vielen bekannt als Sänger der Band Eisbrecher, manchen vielleicht als Moderator von „Auftrag Auto“. Alte und selten gespielte Eisbrecher Songs, den einen oder anderen Hit und vielleicht sogar spannende Coverversionen gab es an diesem Nachmittag. Das alles performt Wesselsky natürlich kein bisschen weniger energiegeladen als bei einem Eisbrecher-Konzert und verleiht dem Ganzen dabei eine persönlichere Note.  

Melancholie und rabenschwarze Nächte

Seit den späten 80er Jahren liefert das Trio von Oomh! aus Braunschweig genredefinierenden Dark-Rock und ist über die Jahrzehnte zu einer der einflussreichsten Bands der NDH geworden. Auch den Sängerwechsel 2021 hat die Band verkraftet. Nun ist Daniel Schulz am Mikrofon und die Band kam mit der neuen Platte „Richter und Henker“. Die Band schien die Garderobe von Alligatoah aufgekauft zu haben, sie alle in langem, grauen Pelzmantel bei 26 Grad Außentemperatur. Nach einem Intro folgen 8 Songs wie „Soll das Liebe sein?„, „Tanzt du?“ oder „Letzte Augen auf„.

Hämatom mussten 2023 den Tod von Bandmitglied West verkraften. Ihr 20-jähriges Bestehen feiern sie dieses Jahr trotzdem, nicht nur bei M’era Luna. Ihren verstorbenen Mitglied widmeten sie das Lied „Gott muss ein Arschloch sein„. Annika Jaschke ist die neue Gitarristin und Pyro durfte nicht fehlen.

Sänger Alexander Veljanov und dem Komponisten und Multiinstrumentalist Ernst Horn sind Deine Lakaien. 30 Jahre nach ihrer Gründung und nach über eine Million verkauften Tonträger überzeugen sie immer noch mit ihrem langsamen Dark Wave.

Mittlerweile 21 Jahre Bandgeschichte können Saltatio Mortis vorweisen. „Finsterwacht“ (unsere → Rezension) ist bereits das 13. Album des Spielmannstrupps, man glänzt mit vier Nummer-Eins-Alben und mit einer goldenen Schallplatte. Trommeln und Sackpfeifen sind nach so vielen Jahren immer noch dabei. Sänger Jörg Roth (Alea der Bescheidene) hatte uns schon bei Deichbrand beeindruckt, als er bei 30 Grad Mittagshitze und brennender Sonne auf der Bühne wie ein Derwisch herumwirbelte und Lieder über Loki und Valhalla und übers „Saufen“ performte. Zuletzt sahen wir ihn in Wacken im Bühnengraben von Knorkator. Jörg Roth merkte bei seinem Aufritt nicht, dass er sich an der linken Schläfe verletzte und das Blut lief ihm das Gesicht herunter. Das störte ihn aber nicht, mit gleicher Power weiter zu machen.

© Nordevents Hämatom, Deine Lakaien, Saltatio Mortis, Suicide Commando und London After Midnight

In den 80er Jahren waren die Belgier von Front 242 das Aushängeschild der Electronic Body Music und prägten diesen Musikstil wie kaum eine andere Band. Sie werden ein letztes Mal beim M’era Luna auftreten, denn 2024 geht ihre Karriere zu Ende.

Dass es zwischen Metal und Gothic doch gewisse Schnittmengen gibt, bewies an diesem Wochenende in Person ASP mit Gothic Novel Rock, nach 2022 erneut in diesem Jahr dabei. Die Formation um Mastermind und Ausnahmestimme Asp Spreng erschuf nicht nur ihr ganz eigenes Genre, sondern bietet seit zweieinhalb Jahrzehnten im besten Sinne des Wortes eigenartiges für Klang-Gourmets aus verschiedensten musikalischen Richtungen. Etliche Songs aus ihren 15 Studioalben wie „Schwarzes Blut“,„Weltunter“ und die Ballade „Butterfly on a wheel“, wohl einer der bekanntesten und erfolgreichsten Songs der Band, führten zu kollektivem Ausrasten.

Ein Paradies für die schwarzen Herzen

Stage-Wechsel: Vor der Club Stage wurde ein imposantes, rundes Sonnendach mit einem Hauch von Futurismus platziert – das einen vor gnadenlosen Sonnenstrahlen bewahrt, aber auch bei aufkommenden Regengüssen angenehmen Schutz spendet.

Assemblage 23 entwickelte sich über die Jahre zu einem Pfeiler der aufbegehrenden EDM-Szene in Nordamerika. Elektronische Musik auf höchstem Niveau.

Das Quartett London After Midnight fingen ihr Konzert weit vor Midnight an. Im letzten Jahr fiel der Auftritt der Post Punker aus und Mesh füllen den vakanten Slot. Viel Nebel und düsteres Licht sorgten für den entsprechenden Auftritt.

Die belgischen Brachial-Elektroniker Suicide Commando um Johan van Roy kombinierten ihre düsteren Lyrics mit psychotischen Shouts, knüppelharten Beats und dunklen Soundflächen zu einem schlüssigen Gesamtkonzept. Viele schwarze Seelen tanzten mit.

Der Samstag fand dann mit der altbekannten Disco im Hangar seinen Ausklang, hier gab das Suicide CommandoDJ Team MD 75, als Djs ihr Bestes um die Nachtschwärmer zu begeistern.

Etwas Schlaf und eine Pause für die gebeutelten Füße musste aber durchaus drin sein, denn der Sonntag hatte noch ein stattliches Programm für uns parat. Gute Nacht, M’era Luna!

Schwarzes Eis für Schwarzlinge

Natürlich will die Gothic Anhängerschaft auch kein normales Eis, sondern bevorzugt schwarzes Eis. Und das bietet ;Black Monky Ice“. Seit 16 Jahren ist der Betreiber mit unterschiedlichen Food Ständen wie Pommes oder Schwenkgrill unterwegs. Als einer der Pioniere des schwarzen Eises hatte er sich irgendwann entschieden, in die recht teure Eismaschine und einen entsprechen Foodtruck zu investieren. So ist er bundesweit unterwegs, im Norden bislang beim Hurricane Festival und Mera Luna unterwegs. Das Eis wird Aktivkohle und Lebensmittelfarbe zugesetzt, was laut Betreiber absolut unbedenklich ist. Neben dem schwarzen Eis gibt es noch 3 weitere Eissorten und 8 Variationen Slush, ein halbgefrorenes Trinkeis, welches in der Konsistenz Schneematsch ähnelt.

Ähnliche Beiträge
Schon geteilt?

1 Gedanke zu „Die schwarze Szene feiert beim M’era Luna“

Kommentare sind geschlossen.