Marillion? Ja, die gibt's noch.

Zur Bildergalerie

Bremen, 21.07.2017 (KOe) - Vergangenen Samstag im ausverkauften Musical-Theater Bremen trat die britische Rockband Marillion auf. Die Kult-Band wurde häufig mit Genesis verglichen und ist irgendwie ein Phänomen, wenn man die Leute befragt. Entweder bekommt man ein "kenn' ich nicht..."oder ein "klar, tolle Band!" Dazwischen gibt's nicht viel. 

Die britischen Musiker, die klar im Progressive Rock oder "Neo Prog"anzusiedeln sind, gibt es schon sein fast 40 Jahren, und seit über 30 Jahren in der aktuellen Besetzung Steve Hogarth (Gesang), Pete Trewavas (Bass), Mark Kelly (Keys), Ian Mosley (Drums) und Steve Rothery (Gitarre).

Abgesehen von einigen experimentellen Schlenkern nach dem Sängerwechsel sind Ihre Markenzeichen sehr tiefgründige (und anfangs schwer zu verstehende) Texte, eine atmosphärische Gitarre auf hohem Niveau und eine ganz besondere Beziehung zu ihren Fans, die es ihnen mit großer Treue danken. 

Die sogenannte "Fish-Ära" ist ein wichtiger Teil in der Geschichte von Marillion. Fish war Gründungsmitglied und die unverwechselbare Stimme bis 1987. Viele Fans vermissen ihn noch heute. Als neuer Sänger kam Steve Hogarth, der ein schweres Erbe antrat. Ein Sängerwechsel ist für eine Band nie leicht und sie hatten noch Jahre danach zu kämpfen, inkl. Rausschmiss beim MajorLabel und damit verbundenen finanziellen Schwierigkeiten. Aber auch die bereits genannten Genesis hatten den Wechsel des Sängers ja bestens überstanden.

1996 war Crowdfunding noch nicht erfunden, da finanzierten Ihnen Ihre Fans eine Nordamerika Tour, die sie sonst nicht angetreten hätten. Marillion weiß dies heute noch zu schätzen und veranstaltet regelmäßig Fan-Wochenenden.

Sie präsentierten am Abend fast ausschließlich ihr neues Album FEAR (Fuck Everyone And Run), das in Kritikerkreisen leider nicht so gut wegkommt und als altersschwach und vorhersagbar bezeichnet wird. Releasedatum war der 05.10.2016 und in den UK Album-Charts landete es spontan auf Platz 4, in Deutschland auf Platz 8. Es ist das 18. Studioalbum der Band, unterteilt in 6 Kapitel/bzw. 6 neue Songs. Der Albumtitel selbst stammt aus einem Teil einer Textzeile des Songs "The New Kings“, vorgetragen in klagender Falsettstimme.

 

Auf "F*** Everyone And Run (F E A R)" widmen sich Marillion den großen Lebensthemenn. 

“The New Kings“ wirft einen Blick auf die Bestie, in die sich der moderne Kapitalismus offensichtlich entwickelt hat, "El Dorado“ untersucht die Vorstellung des politischen Anspruchs und die modernen Herausforderungen des Vereinigten Königreichs, "The Leavers“ behandelt die Wirkung des flüchtigen Lebens on the road auf die, die immer wieder Abschied nehmen. Mit "F*** Everyone And Run (F E A R)" zeigen Marillion, dass sie so lebendig sind wie eh und je.

Auch wenn es ihm "etwas" an Dynamik fehlte, aber musikalisch war  Gitarrist Steve Rothery gestern gut drauf und spielte auf hohem  Niveau. Einige Zuschauer verglichen ihn nach dem Konzert sogar mit den Pink Floyd Gitarristen David Gilmore. Frontman Hogarth hatte von Anfang an einen direkten Draht zum Publikum und setzte sich gleich beim Auftakt vorne an den Bühnenrand, so war er für die Zuschauer der ersten Reihe zum Greifen nah. Seine Bühnenperformance, bzw. Gestik wirkte manchmal etwas unbeholfen, doch er inszenierte die Show mit Herzblut. Das Livekonzert wurde begleitet von einer Animation per Video, passend zu den Songtexten. So wirkte es wie eine Geschichte. 

Auf die bekannten Songs aus der Fish-Ära, wie Kayleigh oder Lavender wartete man vergeblich. Dafür gab es für einige Zuschauer vor dem Konzert von Jan Trautmann (Veranstalter im Musical Theater Bremen), wie gewohnt, exklusiv signierte Poster. Nach 2 1/2 Std Feuerwerk aus Licht, Sound und Video gab es minutenlang Standing Ovations und noch 2 Zugaben im Bremer Theater. In Deutschland sind Marillion dieses Jahr noch in Frankfurt, Nürnberg, Rottenburg und Pratteln live zu sehen, es lohnt sich.