Was für ein Tourauftakt - Pohlmann liegt absolut falschgoldrichtig

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Bremen, 05.01.2023 (CH) - Nachdem die Tour im letzten Jahr verschoben werden musste, stand das gute alte Pohlmann-Trio am heutigen Abend endlich wieder auf der Bühne. Das Konzert war der überaus gelungene Auftakt zur längst überfälligen, 20 Städte umfassenden "falschgoldrichtig"-Tour. An Silvester noch mit über 38 Grad Fieber im Bett, strotzte Pingo scheinbar komplett genesen vor Kraft und heizte den Besuchern der Kesselhalle in Bremen mal so richtig ein.

Gegen 19:00 Uhr öffneten sich die Türen zur Halle im Schlachthof, vor dem sich schon weit vor Einlass dutzende Fans versammelt hatten. Das soziokulturelle Kulturzentrum in Bremen entstand in den 1980er Jahren aus der Besetzung eines ehemaligen städtischen Schlachthofs und steht heute für vielfältige Kultur und bietet Raum für gesellschaftliche und politische Themen. Mit der Wahl der Location lag der Künstler daher absolut richtig. Denn die zugehörige Kesselhalle mit ihrer steilen Tribüne bot die passende Kulisse für diesen besonderen Abend. Zwar trägt die Tour den Namen des aktuellen Pohlmann Albums, aber wer vermutete, dass er lediglich Titel des aktuellen Albums spielen würde, wurde Lügen gestraft.

Bevor jedoch das Pohlmann Trio gegen 20:45 Uhr die Bühne betrat, brachte der junge Nachwuchskünstler Michèl von Wussow, der in wenigen Tagen sein Debütalbum Angst gegen Vertrauen veröffentlicht, das Publikum in Stimmung. Als Opener des Abends wählte Pohlmann „König der Strassen“ und bot damit einen ersten Vorgeschmack auf das, was die Zuhörenden von diesem Abend erwarten konnten. Nämlich mitreißende Unterhaltung, ganz im Stile Pohlmanns, der trotz teilweise schwerer Themen auch immer ein Stück Zuversicht vermittelt. Das ist es, was diesen Künstler auszeichnet: Emotional schwere Themen musikalisch so stimmungsvoll und optimistisch zu unterlegen, dass sie stets ausgewogen klingen. Zum Nachdenken anregen, ohne dabei die Stimmung zu drücken.

Die Hingabe, mit welcher Pingo seine Stücke präsentierte, fasziniert immer wieder aufs Neue. Gerade live merkt man eben noch einmal mehr, wie authentisch er ist und wie er seine Musik lebt – wie er das liebt, was er macht.

Songs älterer Alben wechselten sich mit Titeln des neuen Albums ab. Auf diese Weise begeisterter der Sänger das Publikum schon von Beginn an und zog alle in seinen Bann. Zwischen den einzelnen Stücken war gerade einmal genügend Zeit für den Tausch seiner Gitarren. Dann begann auch schon das nächste Stück. Man merkte, dass Pohlmann wollte. Ab und zu einen lockeren Witz auf den Lippen, eine kleine Anekdote und schon ging es unter Volldampf weiter.

Die Auswahl der Songs war wohl durchdacht. Emotional schwerere Stücke des aktuellen Albums wie beispielsweise „Unter Wasser atmen“ wurden genauso ausgelassen wie „In Deinen Schuhen“.

 

Schulweg“ und „Glashaus“ waren daher die einzigen Lieder, die vom aktuellen Album stammen.

Mit „Columbus“ und „Lebensgefühl“ präsentierte Pohlmann im Anschluss zwei kleine Appetithappen aus seiner neuen EP, welche am morgigen Freitag vorgestellt werden soll. Und diese machten auf jeden Fall Hunger auf mehr!

Das in meinen Augen absolute Highlight des Abends war „Himmel und Berge“. Dieser so kraftvoll und voller Hingabe performte Song riss auch den letzten vom Platz. Die Stimmung auf dem absoluten Höhepunkt, sorgten Pohlmanns Stimme, die jubelnde Menschenmenge und das Schlagzeugsolo, dem am Ende nicht einmal die Drumsticks standhielten, für Gänsehautfeeling pur. Wahnsinn. Etwas ruhiger ging es nach der kurzen Zwangspause wegen der zerbrochenen Drumsticks weiter, bis nach „Gelassenheit“, „Für Dich“, “Silvestermond“ und „Mädchen und Rabauken“ die Kessel-Halle beim Song „Fliegende Fische“ noch einmal Kopf stand. Diese Stimmung konnte zum nächsten Titel herübergerettet werden, als uns Pingo nämlich aus der Seele sprach und „Wenn jetzt Sommer wär“ performte.

Nach „Stunde Deines Lebens“ forderte das Publikum dann lautstark und mit standing Ovations eine Zugabe. Von der Begeisterung des Publikums sichtlich angetan, legte das Trio nach und spielte drei weitere Stücke.

Insgesamt schaffte es Pohlmann das Publikum über 2 Stunden lang emotional zu bewegen und auf (s)eine musikalische Reise mitzunehmen. Durch die geschickte Auswahl und sorgfältig gewählte Reihenfolge der Songs, wurde der Abend zu einem mitreißenden Konzert. Stets glaubwürdig und authentisch, trugen mit Sicherheit auch die kleinen Späße und Anekdoten zum Gelingen des Abends bei. Trotz einiger eher nachdenklich anmutender Stücke, war von Schwermut keine Spur.

Ich werde diesen Abend auf jeden Fall noch lange in Erinnerung behalten und habe den „Hexenkessel-Saal“ mit einer heftigen Gänsehaut verlassen.