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LAING: „Fotogena“

Morgens immer müde“. Ja, diesen Satz kann ich bestätigen. ‚Vielleicht deshalb ist mirt dieser Song noch in guter Erinnerung. 2012 schaffte das Berliner Frauenensemble Laing den zweiten Platz beim Bundesvision Song Contest – also der Contest, den es jetzt nicht mehr gibt und von Stefan Raab organisiert wurde-. Dieser Song hat sich als ein waschechter Dauerbrenner entwickelt und reiht sich neben anderen deutschen Partyklassiker der letzten Jahre ein.

Am Debütalbum „Paradies naiv“ arbeitete Sängerin, Songwriterin und Produzentin Nicola Rost und ihren Mädels über einen sehr langen Zeitraum und das konnte man auch hören. Der Nachfolger „Wechselt die Beleuchtung“ brauchte nur 18 Monate bis ins Regal und brachte weniger Hits. Immerhin ließ man sich jetzt ganze 4 Jahre Zeit für das neue Album „Fotogena“. Das hatte nicht nur einen künstlerischen Grund: Nicola Rost fehlten einfach die notwendigen finanziellen Mittel, um ein neues Laing-Album aufzunehmen. Schließlich bekam sie im September 2017 von Regisseur Rudi Gaul ein Angebot, den Soundtrack zum Film "Safari- Match Me You Can" zu komponieren. Die neue Scheibe enthält auch zwei Songs des Filmsoundtracks ("Unberechenbar", "Puzzle"). Mit dem Kinofilm kam dann auch die Deadline für eine neue Platte.

Frontfrau Nicola Rost -deren Mutter heißt mit Mädchennamen Laing - bleibt bei ihrem selbstbetitelten "Electric Ladysound", lediglich zwei Mitgliederinnen wurden ausgetauscht. Sie schreibt und komponiert, entwirft Kostüme und Choreografie und alles ist immer etwas ausgefallen und provokant - ein Gesamtkunstwerk sozusagen.

Fotogena“ liefert einen relativ ähnlichen Sound wie die Vorgängeralben. Lyrisch sind die 13 Songs des Albums stärker als musikalisch. Es beinhaltet kleine Geschichte, die aus dem Leben gegriffen sind, Wortspiele die für etwas Schmunzeln sorgen- klar heraus und ohne Schnörkel.

Mit dem souligen Eröffnungsstück “Camera“ bringen sie einen gekonnt glamourösen und ironischen Einstieg. Sie behandeln damit die Generation Social Media, der Bild-Dominanz im Netz, indem jeder nur sein makelloses virtuelles Ich zeigt, ohne viel von sich selbst preiszugeben. Eine virtuelle Persönlichkeit die sie als "Fotogeno" und "Fotogena" bezeichnen. Mit “Du bist Dir nicht mehr sicher“ führt Rost uns allen vor Augen, wie wir nicht in einer ehemals schönen Beziehung stecken bleiben sollen. Im Lounge-Musik im Stil der 70-er "Nieselregen" singt Rost mit mürrischer Männerstimme über das schlechte Herbstwetter in Berlin, auch hier mehr Ironie als ein Song für das Format-Radio. Die Single-Auskopplung "Du Bist Dir Nicht Mehr Sicher" ist mit ihrer dynamischer Bass-Arbeit, schönen Synthesizer-Akkorden und mehrstimmigen Soul-Gesang dann wieder sehr radiotauglich. Sie erzählt von der ganz großen Liebe, die nach einiger Zeit im Alltag im Nichts aufgeht. "Hoch ist die richtige Richtung" spinnt die gemeinsame Euphorie zweier Liebender um den Heißluftballon.

FAZIT: Ein lyrisch erwachsenes Werk von tanzbarem Pop mit einigen Schönheitsfehlern insbesondere in der Albummitte. Elektronische Beats und Sounds, harmonische Stimmen, poetische und puristische Texte dominieren das Album. Bedauerlicherweise hält die Musik mit der inhaltlichen Ebene, die weit über simple Befindlichkeiten und Oberflächlichkeiten hinausgeht, häufig nicht mit, daher gibt es Abzüge in der Bewertung. Bei Laing stehen offensichtlich nicht die Verkaufszahlen im Vordergrund, Kreativität scheint den Berliner Mädels mittlerweile wichtiger zu sein. Laing kommt natürlich auch auf Tour, bei der sie durch die Tänzerin Marisa Akeny unterstützt werden. Das sie live sehenswert sind, darüber hatten wir bereits --> 2013 berichtet.

 
Bewertung:

GENRE: Synthie-Pop/ Soul

TRACKLIST:

1. Camera
2. Du bist dir nicht mehr sicher
3. Nein
4. Hol den Wagen
5. Meine Sprache
6. Unberechenbar (From "Safari - Match Me If You Can)
7. Ich auf Whatsapp
8. Nieselregen
9. Hoch ist die richtige Richtung
10. Puzzle (From "Safari - Match Me If You Can")
11. Organspende
12. Uhr
13. Ende

VÖ: 07.09.2018
Format: CD / 2 LP / Digital
Label: Island Records
Vertrieb: Universal Music
Auf Tour im Norden: Reeperbahnfestival Hamburg: 19.9.18 Häkken | 21.09.18 Uebel & Gefährlich | 26.01.2019 Bremen, Kulturzentrum Lagerhaus | 30.01.19 Hannover, Musikzentrum

--> Musikvideo: Laing - Camera

  Rezensent: Wolfgang