Die Akte Schneeweiß

Antje

Von Felicitas Fuchs

Erscheinungstermin: 14. Mai 2025 in deutscher Sprache
Genre: Historischer Roman, Familiensaga
Einband: broschiertes Buch
Seitenzahl: 416 Seiten
ISBN: 978-3-453429048

Verlag: Heyne Verlag

Bewertung: 10 von 10
Inhalt/ Klappentext:

Zwei Frauen, vier Jahrzehnte und der Kampf für ihre Rechte. Bielefeld, 1963. Katja Schilling wächst im Wirtschaftswunder in einfachen Verhältnissen auf, in denen für ihren Traum, Ärztin zu werden, kein Platz ist. Nur ihr Großvater glaubt an sie – bis er eines Tages spurlos verschwindet. Sein Name wird in der Familie zum Tabu, und Katja bleibt mit ihren unbeantworteten Fragen allein. Jahre später stößt sie auf eine Wahrheit, die alles, was sie über ihre Familie zu wissen glaubte, erschüttert.

Bielefeld, 1936. Mathilde Schneeweiß beginnt ihre Arbeit als Sprechstundenhilfe bei Dr. Bönisch. Sie verliebt sich in den engagierten Arzt und wird in ein gefährliches Unterfangen hineingezogen. Gemeinsam helfen sie heimlich Frauen in Not, aber ihr Mut bleibt nicht unbemerkt. Als sie ins Visier der Gestapo geraten, muss Mathilde eine Entscheidung treffen, auch wenn diese sie das Leben kosten könnte. Der Kampf für die Rechte der Frauen muss schließlich weitergehen …

Ein bewegender Roman über Mut und Verrat, Schuld und Gerechtigkeit und die Spuren, die Geschichte in unseren Leben hinterlässt.

Rezension:

Der neue historische Roman von Felicitas Fuchs spielt auf zwei Zeitebenen in Bielefeld. Mathilde ist die Protagonistin in den Jahren 1936 bis 1943, auch ihr Bruder Rudolf ist in die Familiengeschichte involviert. Er ist der Großvater, Opa „Dom“ von der zweiten Protagonistin, Katja und ihrer kleinen Schwester Heidi, sie wachsen in den Wirtschaftswunderjahren ab 1963 in Bielefeld im nicht so wohlhabenden Arbeitermilieu auf.

Drei Frauen, die sich hartnäckig für die Frauenrechte einsetzen, aber auch für ein selbstbestimmtes Leben, gegen Gewalt, Unterdrückung und das Aberkennen von Menschenrechten. Jede auf ihre Art und Weise. Die einzelnen Episoden wechseln zwischen Mathilde, Katja und Heidi, jeweils mit Monats- und Jahresangaben.

Mathilde ist 1936 in einem jüdischen Haushalt als Hausmädchen angestellt, die Familie emigriert gerade noch rechtzeitig in die USA. Der Hausherr vermittelt der alleinstehenden Mathilde eine Stelle bei einem befreundeten Gynäkologen, Dr. Bönisch. Mathilde wird ihn zeitlebens nur „Bönisch“ nennen. Die Beiden nähern sich an, der Hochzeitstermin steht fest, auch Rudolf, Mathildes Bruder ist einverstanden, er freut sich sehr über das Glück seiner Schwester.

Die Zeiten im Deutschland unter der NSDAP Parteiführung verdunkeln sich immer mehr, Frauen in Notlagen suchen vermehrt die Praxis Bönisch auf, Mathilde und der Arzt begeben sich in große Gefahr. Sie können nicht wegschauen, allerdings lauern Spitzel und Denunzianten auch unter angeblichen Freunden. Das Leben hält für Mathilde einen weiteren schweren Schicksalsschlag bereit, sie wird von Bielefelder Nazibonzen gezwungen, in einem Fotolabor Bilder zu entwickeln. Allein ihr Nachname Schneeweiß macht Mathilde verdächtig, mehr als einmal wird Mathilde verunglimpft und beschimpft.

Diese Bilder dokumentieren Folter, medizinische Versuche, fast verhungerte Menschen, die Gräueltaten der „Herrenrasse“ im Deutschland Ende der 30er Jahre und Anfang der 40er Jahre. Mathilde fertigt Fotoabzüge an, die sie an Rudolf weitergibt, eine verdeckte Gruppierung leitet das Fotomaterial an die Alliierten weiter. Ein lebensgefährliches Unterfangen.

Im Jahr 1963 setzt sich die 14-jährige Katja in den Kopf, dass sie Medizin studieren möchte, doch da stößt sie bei ihrem Vater auf Granit, eine junge Frau studiert nicht in ihren Kreisen, wer soll das bezahlen. Einzig Opa Dom unterstützt sie. Doch eines Tages verschwindet der Opa spurlos. Der Rest der Familie schweigt, auch die Oma. Es herrscht sogar das Verbot, den Namen von Opa zu erwähnen. Eine Nachbarin verplappert sich, Opa Dom war sogar im Gefängnis, einigen Schulfreundinnen wird der Umgang mit Katja und Heidi verboten. Katja versucht immer wieder an Informationen zu kommen.

Katja bleibt hartnäckig, sie macht eine Ausbildung zur Krankenschwester, sobald sie volljährig ist, meldet sie sich zum Medizinstudium an, nun darf sie als junge, unverheiratete Frau in Deutschland endlich selbst entscheiden. Während einer Vorlesung bietet ihr der Dozent, Prof. Arno Dornberg, eine Stelle in seinem Forschungsteam an. Katja ist sich jetzt sicher, sie wird den Facharzt für Gynäkologie machen.

Die 70er Jahre in Deutschland bedeuten für viele Frauen, die über eine Abtreibung nachdenken, immer noch eine Fahrt ins Ausland, meistens nach Holland. Katja setzt sich mit ihren wenigen Kommilitoninnen für ein Recht auf Selbstbestimmung und Reformen zum § 218 ein.

Katja und Heidi finden alte Briefe, sie erfahren nach und nach die dramatische Familiengeschichte der Familie Schneeweiß und ihrer Großtante Mathilde.

Fazit:

Ein rundherum spannendes Buch, sehr gut recherchiert, zum Teil auf wahren Begebenheiten beruhend. Der Spannungsbogen ist durchgehend hoch. Zivilcourage, starke Frauen, die für ihr Recht auf Selbstbestimmung kämpfen, aber auch für Verbesserung der gynäkologischen Versorgung von Frauen. Das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte wird angsteinflößend, dunkel und brutal gezeigt.

Hier wird auf dem Klappentext der nachdenkenswerte Satz vermerkt „Jeder muss für sich verantworten, welche Erinnerungen unsere Nachfahren und die Gesellschaft an uns hat.“ Dem ist nur hinzuzufügen #Gegen das Vergessen.

Doch die Autorin beschreibt für uns Kinder der 60er und 70er Jahre durch „gezielte Produktwerbung“ auch etliche authentische Dinge wie die Bravoposter, der R4 und nicht zuletzt die mutige Kurzhaarfrisur Heidis à la Schätzchen Uschi Glas, die dem Familienroman dann zeitweise eine Normalität geben.

Abgerundet wird der Roman durch das wunderschöne Bild der jungen Mathilde, mit der zeitgemäßen Aufsteckfrisur auf dem Cover. Unbedingte Leseempfehlung!

Autorin:

Felicitas Fuchs ist das Pseudonym der Erfolgsautorin Carla Berling, die sich mit Krimis, Komödien und temperamentvollen Lesungen ein großes Publikum erobert hat. Schon bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete, war sie als Reporterin und Pressefotografin immer sehr nah an den Menschen und ihren Schicksalen. In ihrer dramatischen Familiengeschichte verarbeitet sie autobiografische Elemente und geschichtliche Hintergründe zu einer packenden Trilogie über drei starke Frauen. „HANNE“ und „ROMY“ erreichten die Top Ten der Spiegel-Bestsellerliste.


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