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TURBOSTAAT: "Uthlande"

Nordfriesland ist für mich als Österreicher ja schon etwas Mystisches. Ich bin daher nicht mit dem dortigen Dialekt vertraut und schon garnicht mir spezielleren Bezeichnungen wie beispielsweise "Uthlande". Als Laie tippte ich vorerst auf eine schwedische Band, die progressive Metal macht, doch dann habe ich genauer hingesehen und die Interpreten erkannt. Es handelt sich um eine Punkband, welche ich auf Grund ihres sehr lyrischen Ansatzes schon lange sehr schätze.

Währenddem diverse Pop-Punk Bands sinnentfremdete Refrains über Bier und Arbeitslosigkeit kreieren setzen sich die Musiker der Truppe Turbostaat mit Prosastücken eines John Donne oder auch mit den Werken Simmels auseinander. Somit sollte erklärt sein warum Turbostaat für mich schon auf Grund dieses Fakts bevorzugt wird.

Der Name des nun siebten Studioalbum der Band bezichnet die Inseln Halligen und Marschen vor dem nordfriesisches Festland, nur um das noch abschließend geklärt zu haben. Die Band selbst berichtet von einer gewissen Unlust sich in festen Strukturen, was das Songwriting angeht, einzufinden und so hat es über die Jahre das eine Album das mir gefiel und das Andere welches mir wieder weniger gefällt. Das vorletzte Album setzte sich mit dem Thema Angst auseinander und gefiel mir sehr gut. Das darauf Folgende nahm Utopie und Dystopie zum Thema und da jenes sozusagen ein allgegenwärtiges Motiv im Metal ist, bin ich dahingehend schon etwas abgesstumpft und war nicht gerade empfänglich dafür. Nun dreht es sich um "Übrigbleiben und Beharren im Mosaik der Möglichkeiten", wie es im Pressetext heißt.

Dies klingt nun etwas verwirrend, doch es bedeutet nichts anderes als das Theamtisieren der Plastizität des eigenen Horzitonts, soweit ich es beschreiben kann. Der eigene Horizont ist ja eine sehr persönliche Sache, doch wenn sich eine Punk-Band der Diskussion über das Mosaik der Möglichkeiten annimt, dann hat jene einen schönen Weg gefunden um den Diskurs auf metaphorische Ebene zu heben. Die Texte sagen Einiges aus und es wäre stümperhaft zu versuchen, den Sinngehalt hier in 400 Wörter zusammenzufassen, daher meine Empfehlung: "Setzt euch hin und hört gut zu!".

Die Band ist kritisch, doch auf einem Diskursniveau welches ich mir oft von manchen Politikern wünschen würde. Musikalisch kann man schon sagen, dass Turbostaat schon ihren eingängigen Stil hat, doch ihr Mosaik an Möglichkeiten doch schon wesentlich über die Jahre zugenommen hat. So kommt es mir zumindest vor.

FAZIT: Ich gebe zu einer von denen zu sein, welcher in der Presseschrift unter der Aussage: "manche haben sie aus den Augen verloren" gemeint war. Umso schöner ist es, dass mich dieses Album wieder zurückkommen lassen hat und mir wieder etwas Interesse eingehaut hat! Ich hatte schon komplett vergessen wie mir die lyrische Seite der Band gefällt und dieses Album ist diesbezüglich ein wirkliches Meisterwerk in meinen Augen. Musikalisch hat es mich nur mittelmäßig gepackt, doch die Kombi ist schon sehr fein gelungen. Daher gibt es 8 von 10 Punkten.

--> Musikvideo: Turbostaat - Ein schönes Blau

 
Bewertung:

GENRE: Punk

TRACKLIST:

1. Rattenlinie Nord
2. Meisengeige
3. Ein schönes Blau
4. Schwienholt
5. Stine
6. La Hague
7. Nachtschreck
8. Luzi
9. Heilehaus
10. Brockengeist
11. Hemmingstedt
12. Stormi

VÖ: 17.01.20
Format: CD / Vinyl / Digital
Label: PIAS Germany
Vertrieb: Rough Trade
Auf Tour im Norden:18./19.02.2020 Markthalle Hamburg | 02.04.2020 Lübeck, Treibsand | 03.04.2020 Schlachthof Bremen

 

  Rezensent: Gregor