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RUFUS WAINRIGHT & Amsterdam Sinfonietta: "Tristes Apprêts"

Ich werde es nicht leugnen- diese Rezension ist alles andere als objektiv, doch das soll an dieser Stelle nicht stören, denn das Werk, das ich glücklicherweise vorstellen darf ist von dem - laut Elton John - besten Songwriter unseres Planeten: Rufus Wainwright.

Wie Tori Amos, auch einer meiner GROßEN. Der US- amerikanische- kanadische Songwriter, Musiker und Komponist bedient wie kaum ein anderer eine so weite Bandbreite an Musikgenres. Bis jetzt veröffentlichte der Sprössling von Loudon Wainwright III und Kate McGarrigle 10 Studioalben, steuerte Songs zu Filmsoundtracks bei und komponierte zwei Opern. Die Musik des Künstlers lässt sich schwer einordnen, finden sich in seinem Repertoire radiotaugliche Popsongs, anspruchsvoll arrangierte Stücke, die zwischen Pop und Klassik wandeln, augenscheinliche „Popsongs“ mit - im wahrsten Sinne des Wortes - merkwürdigen Wendungen, Irrungen und Wirrungen, die den Zuhörer immer tiefer in das Universum der Wainwright´schen Kompositionskunst hineinziehen.

Alles getragen- die nichtabreissende Verbindung - von seiner einzigartigen Stimme, die mal englisch, mal französisch singt. Eine Stimme, die faszinierend ist, gleichwohl doch auch polarisiert. Meiner persönlichen Erfahrung nach spaltet sich das Publikum rasch in die Bewunderer (zu denen ohne Zweifel ich selbst gehöre) und diejenigen, die durch den besonderen Klang ein Gefühl, nahe eines Unwohlseins verspüren. Ich bin der Meinung und Überzeugung, dass Musik den Auftrag hat etwas auszulösen- was auch immer das sein mag. Das neue Live Album „Rufus Wainwright & Amsterdam Sinfonietta - Tristes Apprêts“ ist eine Zusammenarbeit - wie der Titel vermuten lässt- von Rufus Wainwright und der Amsterdam Sinfonietta.

Das Album beinhaltet Stücke von Rufus, doch auch Cover und eigens für dieses Album geschriebene Songs. Das Faszinierende an diesem Werk ist das Zusammenspiel, das Zusammenklingen, das Ineinanderfließen der zarten, pulsierenden instrumentalen Stimmen mit der mal zerbrechlichen, mal vor Schmerz, Leichtigkeit und Inbrunst bebenden Stimme von Rufus Wainwright. Von der ersten bis zur letzten Sekunde schwebt man in einer Wolke in dem Raum über der Bühne. Die 13 Stücke, nur unterbrochen durch Beifall und kurze Danksagungen an das Publikum stecken so voller Energie, Schmerz, Leben und Tod.

Meine persönlichen Favoriten sind „Who by Fire“ von Leonard Cohen und „I´m Going In“. „Who by Fire“ beginnt mit einem unglaublich schönen, Streicherintro. Es folgt sanftes pizzicato der Streicher und die eine durchdringende Stimme. Inspiration für Cohen´s Song war ein jüdisches Gebet: "Unetanneh Tokef“. Der Song ist seine Version dieses Gebetes und beschäftigt sich mit dem Tod und der Frage nach dem eigenen Tod. Rufus macht das Stück durch die Steigerung noch dramatischer. Ein Meisterwerk, was unter die Haut geht. Der Tod kommt zu jedem, auf unterschiedlichen Wegen, zu unterschiedlichen Zeiten - Gänsehaut pur. Das noch zu toppen, die fast zerstörerische Version des Songs „I´m Going In“ im Original von der kanadischen Singer-/Songwriterin Lhasa, die in diesem Stück ihren eigenen Krebstod thematisiert. Erschütternd. Erschütternd schön, gespenstisch liebend, schlicht und einfach erschütternd.

Fazit: Ich könnte noch weiter schreiben, doch beende ich mit den letzten, verklingenden Tönen von „I´m Going In“ im Ohr, gebe meine 10/10 Punkten, bedauere, dass es nicht mehr Punkte gibt und gebe mich für einen weiteren kleinen Moment diesem unbeschreiblichen Gefühl von Schmerz, Angst, Akzeptanz und Neugier hin. Ein Meisterwerk.

 
Bewertung:

GENRE: Klassik, „Klassikpop“

TRACKLIST:

1. How Deep Is the Ocean
2. Foolish Love
3. Excusion à Venise
4. Tristes Apprêts
5. Go Leave
6. Gay Messiah
7. Who by Fire
8. All I Want
9. Argentina
10. I´m Going In
11. L´ile Inconnue
12. Arachne
13. Amsterdam

VÖ: 26.11.2021
Format: CD / Vinyl / Digital
Label: Modern Recordings
Vertrieb: BMG
Auf Tour im Norden: -

Rezensentin: Patricia

--> Musikvideo: Rufus Wainwright & Amsterdam Sinfonietta - Excursion à Venise