Das Wunder im Pullunder

Zur Bildergalerie

Stade – Alle Zuschauer saßen im ausverkauften Stadeum am 22. Mai 2015 auf ihren Plätzen, das Licht ging aus. Es erklang Gitarrenmusik vom studierten Musiker Jochen M. Barkas. Langsamen Schrittes schritt ein weiterer Herr im Anzug zu seiner Trompete und setzte in das Musikstück ein. Der ebenfalls studierte Musiker Herr Stephan klärte diejenigen auf, die sich in einer Jazz-Session glaubten: „Wir sind die Vorband. Und je schlechter wir spielen, desto größer wird der Applaus für Herrn Schubert“. Herr Stephan moderierte ihn mit "dem Vergewaltiger des Bösen" an, der seit 25 Jahren auf der Bühne steht.

Und dann kam er auf die Bühne, die erotischste Comedyerscheinung seit Heinz Erhardt, das „Wunder im Pullunder“, mit mageren 65 kg Lebendgewicht: Olaf Schubert! Mit der Formation „Olaf Schubert und seine Freunde“ tourt er derzeit mit seinem Programm „So!“ durch deutsche Städte. Er erklärte, das er selten in einem Stadium (Stadeum) auftritt. Er umriss kurz seine Show: "Es gibt kein Pyro, keine Showeffekte, das Einzige, was wir zum explodieren bringen sind die Eintrittspreise". Der 46-jährige Comedian ist untergewichtig, aber überbegabt. So wurde er schon mehrfach prämiert, u.a. von RTL mit dem Deutschen Comedy Preis „Bester Newcomer 2008“, Deutscher Kleinkunstpreis 2010 und mit dem Deutschen Comedypreis „Bester Komiker 2013“.

Vom Stade Publikum solidarisierten sich wenige mit dem Künstler, keiner trug einen ärmellosen Pullunder. Dabei waren einige Muttersprachler aus seiner Heimat anwesend. Auch als Dynamo Dresden ins Gespräch kam, outete sich ein Fan aus dem Publikum lautstark. Das Thema an diesem Abend: Die Welt ist schlecht. Aber zu erleben, wie Olaf sich ihrer annimmt macht sie schon ein ganzes Stück erträglicher. Eigenen Angabe zufolge sei er der zweitwichtigste Bewahrer der Wahrheit nach dem Papst und ein Weltverbesserer. So nahm er sich 2 Stunden Zeit, die Missstände, die meistens mit dem Buchstaben K beginnen, aufzugreifen: Krisen, Konflikte, Krankheiten.

Nach kurzer Einleitung das erste Lied: Der Apfel. Hier nimmt der 46-jährige Dresdner Comedian die Gitarre selbst in die Hand. Mit dem Gitarrenspiel von Jochen, der meist lethargisch auf seinem Stuhl saß, war er nicht ganz zufrieden. „Hier sitzen Leute, die haben dafür bezahlt, und das ist nicht selbstverständlich in dieser Region. Streng dich an. Der Applaus für mich war eine Ohrfeige für dich!“ Der Argyle-Style-Pullunderträger nahm sich dann aktuellen, nationalen Konflikten an: Materialprobleme in der Bundeswehr, Lokführerstreik, KITA-Mitarbeiter-Streik. „Wenn Lokführer, Piloten und Prostituierte streiken, bleibt alles stehen“ so Schubert.

Dann ein Sprung hinüber zum Problem Sozialstandort Deutschland und Steuerflucht. Auch ganz normale Leute haben ein Konto in der Schweiz, er auch: in der sächsischen Schweiz. Er und seine Freunde zahlen auch Steuern auf alles, was sie beim Finanzamt angeben. „Stellen Sie sich mal vor, wir hätten heute Abend im Stadeum einen Auftritt gehabt...“ Er ist dafür mehr Steuern einzutreiben, da muss sich der Finanzminister Schäuble mal hinstellen und fordern. Nach dem zweiten Lied „Ehrlichkeit“ widmete er sich der Diskriminierung der Frau. „Stellen Sie sich vor, ein Zimmermann verdient doppelt so viel wie eine Zimmerfrau!“ Frauen werden aus finanzieller Not in die Prostitution getrieben.

 

Und wenn ein Mann sie am Bahnhof stehen sieht- dann kann man(n) helfen, jeder Tropfen zählt! Er selbst habe sich eine Freundin angeschafft: Carola. Ihr war auch das dritte Lied gewidmet: Madlene.

Nach der Pause fragte Schubert nach dem Befinden der Zuschauer. Er selbst stelle fest, das gerade Jugendliche in der Pause nur auf ihre mobilen Endgeräte schauen. Die neuen Medien sind seiner Meinung nach stark im kommen, mit der SMS verkümmert aber unsere Sprache. Heute wird sogar mit einer SMS Schluss gemacht, er hatte damals seiner Exfreundin wenigstens noch ein Fax geschickt. So folgte dann das nächste Lied über einen Freund, der zu lange vor dem Computer saß. Und immer wieder Kritik an seinen Musikern. Herr Lehmann verließ die Bühne, Jochen saß gelangweilt wie immer auf seinem Stuhl und schüttelte seine langen Haare.

Weitere hochbrisante Themen zur Religion oder Libido des Mannes folgten. Nachdem er offen über die Erektionsprobleme von Jochen sprach offenbarte er, das er selbst wie ein brodelnder Vulkan sei. Ständig klopfen junge Frauen nach seinen Shows an der Garderobentür. Wer sich während der ganzen Aufführung fragte, warum Bongo-Trommeln auf der Bühne standen, konnte sich beim Lied „Let´s have a Party“ von den Fähigkeiten Schuberts als Schlagzeugspieler überzeugen. Was wenige wissen, er spielt gelegentlich Schlagzeug in Cover-Bands.

Als Übergang zur Zugabe präsentierte Herr Stephan eine kleine Beamer-Präsentation aller Tonträger der Drei. Schubert und die beiden Musiker arbeiteten schon seit 20 Jahren zusammen. Sie waren erst Freunde, jetzt sind sie Kollegen. Und mit Jochen ist er bald verwandt: Olaf´s Frau bekommt ein Kind von Jochen.

Olaf Schubert stellte auch hier wieder seine enorme Unsicherheit zur Schau, die er mit krampfhaft gespielter Lässigkeit zu überdecken versuchte. Dabei verhedderte er sich immer wieder selbst in Wörter-Wirrwarr und stolperte in leicht sächselnder Tonart über seine eigenen Satzkonstruktionen. Zum Schluss bedankte Schubert sich beim Publikum für die Sitting Ovations.

Dem Promotiontext auf der Homepage des Comedians geben wir recht: "Wer also einen Abend erwartet mit bissig-kritischen und ironisch-sarkastischen verbalen Hochseilakten voller Tiefsinn, gespickt mit einem gnadenlos rasantem Pointenmarathon bis zum völligen Lachmatt, dargeboten von einem listig Falltüren öffnenden Wortspielphilosophen, ist bei Schubert genau falsch. Er ist alles und nichts von dem, sowie in jedem Falle anders.'“