Selig ist zurück in Hemmoor Hemmoor, 30.6.2018 (VH) - Wir schreiben das Jahr 1994, elf Jahre vor der Erfindung von Youtube und dem ersten Deichbrand Festival im Fort Kugelbake. Musikfernsehen ist groß im Kommen, neben MTV Europe versuchte sich auch der deutschsprachige Sender VIVA auf dem Markt zu behaupten. Während der Konkurrent überwiegend auf die großen Rockbands wie Guns N´ Roses, Metallica und Nirvana setzte, förderte das Kölner Medienunternehmen gleichermaßen auch die nationalen Newcomer Acts. Diesen Trend griff damals der Culturkreis Hemmoor auf und brachte im bis dato konzertmäßig nahezu toten Landkreis Cuxhaven aufstrebende Acts aus Deutschland für schmales Geld in familiärer Atmosphäre auf die Bühne der Festhalle Basbeck. Ein Highlight aus der über viele Jahre andauernden Konzertreihe war 1994 das Konzert von Selig. Fast ein Vierteljahrhundert später holte der ehrenamtlich tätige Verein die Hamburger Band nun erneut für ein Konzert an die Oste. Als Location diente dieses Mal jedoch nicht die inzwischen sanierungsbedürftige Festhalle in Basbeck sondern ein eigens für dieses Event aufgestelltes Festzelt auf dem Rathausplatz, was auf jeden Fall auch genügend Platz für den einen oder anderen Besucher mehr an diesem Abend gehabt hätte. Als Support-Act durfte Dreiklangzelt den Abend musikalisch eröffnen. Die vier Musiker mit dem für dieses Event absolut passendem Namen traten bereits im letzten Jahr im Vorprogramm des Open Air am Rathaus in Hemmoor auf und waren dem Publikum dadurch bereits bestens bekannt. In leicht geänderter Besetzung sorgten Dreiklangzelt auch dieses Mal für entspannte Akustik-Pop-Rock-Atmosphäre mit satten Beats und läuteten auch gleich die ersten Mitsing-Parts des Abends ein. Nach einer kurzen Umbaupause enterten Selig dann die Bühne und erntete die ersten Vorschusslorbeeren.
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Die Band gehört seit ihrem Durchbruch Anfang der 90er Jahre zur Avantgarde der deutschsprachigen Rockmusik jenseits des Mainstreams. Insbesondere die unverkennbare Stimme und die gehaltvollen Texte von Jan Plewka, der immer wieder im selben Atemzug mit Rio Reiser genannt wird, gehören zu den Markenzeichen von Selig. Nicht weniger unauffällig ist der Sound das virtuose Gitarrenspiel von Christian Neander, der den Songs den passenden instrumentalen Rahmen mit hohem Wiedererkennungswert verpasst. Zuletzt waren Selig Ende 2017 mit ihrem siebten Tonträger „Kashmir Karma“, der in der Einsamkeit Schwedens entstanden ist, auf Tour. Aus diesem Album stammte auch der erste Song des Abends „Unsterblich“. Aber auch auf die langersehnten Kracher aus den 90er Jahren wie „Sie hat geschrien“ oder „Ohne dich“ brauchte das Publikum nicht verzichten. Nach all den Jahren spulen Selig ihr Programm nach wie vor nicht einfach so herunter. Insbesondere die Songs aus den 90er Jahren wirkten dabei frischer und reifer zugleich, als wären sie mit der Band mitgewachsen, sie haben Aufstieg, Auflösung und Reunion miterlebt und retrospektiv nicht an Aktualität eingebüßt. „Heute sind wir besser“ scherzte Jan Plewka zutreffend. Nach knapp 20 Songs einschließlich diverser Zugaben erklang regenbogenleicht der letzte Akkord des Abends und so etwas wie Melancholie machte sich breit. Hemmoor machte an diesem Abend einen Sprung zurück nach 1994 und war endlich wieder selig. Für das Publikum stand danach eindeutig fest: Wir werden uns wiedersehen, dieses Mal aber nicht erst in 24 Jahren. |
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