Nicht bloß „Simply“, nein „Really” the Best Bremen, 01.03.2023 (Christian Habeck) - Im November 1939, als Anna-Mae Bullock alias Tina Turner in Nutbush, Tennessee geboren wurde, hätte es wohl Niemand für möglich gehalten, was diese "Schwarze" einmal zustande bringen wird. Bis heute gilt sie als erfolgreichste Sängerin aller Zeiten. Und dabei war ihr Werdegang alles andere als leicht. In einer Zeit ohne Streamingdienste wie Spotify oder Apple Music und ohne Social Media, dafür aber in einer Zeit, in der Rassismus allgegenwärtig war, begann ihre Karriere. Erst als Backgroundsängerin, später als Solokünstlerin. Als Kind ungeliebt, bei der Großmutter aufgewachsen erfuhr sie auch in der Ehe mit Ike Turner permanent Gewalt. Doch auch hegenseitiges Misstrauen und Eifersucht, sowie die ständige Gewalt in der Beziehung mit Ike konnte sie nicht brechen; letztlich befreite sich Tina durch die Trennung von Ike und Dank ihrer unbeugsamen Willenskraft in ein freies, erfülltes Leben. Doch leicht war die nächste Zeit nicht, denn lange Zeit konnte sie nicht an die Erfolge der Ike und Tina Turner Revue anknüpfen und musste sich jahrelang mithilfe kleinerer Konzerte über Wasser halten. Stück für Stück kämpfte sie sich jedoch nach oben, bis sie schließlich etwa zwanzig Jahre später ein Stadion in Rio de Janeiro mit 188.000 Zuschauenden füllen konnte, was ihr einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde bescherte. Etwa zehn Jahre später verkündete Tina Turner dann nach 50 Jahren Bühnenpräsenz in einer Talkshow ihren Rücktritt aus dem Show-Biz. Das Eröffnungskonzert der „Tina!: 50th Anniversary Tour“ im Oktober 2008 war innerhalb von 2 Minuten restlos ausverkauft. Aufgrund der hohen Vorverkaufszahlen wurde die Anzahl der Konzerte in Deutschland von sieben auf sechzehn erhöht. Mit dem 90. Auftritt der Tour beendete Tina Turner dann ein Jahr später auf dem absoluten Höhepunkt mit 69 Jahren eine Bühnenkarriere, die bis heute ihresgleichen sucht. Im März 2019 feierte das von Tina Turner autorisierte und mitgestaltete Musical Deutschlandpremiere und begeisterte bis heute mehr als 250.000 Fans. Pünktlich um 20:00 Uhr begann das von Bernhard Kurz produzierte Musical am gestrigen Abend in Bremen. Kurz gilt als Garant für erfolgreiche Musicals. Bereits in den 1980er Jahren etablierte er gemeinsam mit seinem Bruder das Genre Musical in Deutschland. Dabei produzierte er nicht nur klassische Musicals wie „Cats“, „Starlight Express“, oder „Das Phantom der Oper“, sondern auch Tribute Shows wie „ABBA“, „Elvis Presley“ und eben auch die „Tina Turner – Simply The Best“ Show. Das bunt gemischte Publikum wartete bereits gespannt auf seinen Plätzen, um gleich mit dem ersten Einsetzen der Musik mitzusummen und den Kopf im Takt zu bewegen oder mit den Fingern mitzuschnipsen. Das Metropol Theater in Bremen feiert bereits die ersten Takte des unvergessenen Songs „Simply the best“ und tatsächlich brauchte es gestern keine fünf Minuten, bis das Publikum von der Power der Musik angesteckt wurde. Aber es ging gestern Abend um mehr – um mehr als nur die Musik von Ike und Tina Turner. Es geht vor allem um die bewegte Geschichte, die widrigen Umstände und der steile, steinige Weg der Schwarzen. Da war es kaum verwunderlich, dass die Stimmung beim Publikum schon Minuten vor Beginn des Musicals emotionsgeladen war. Den Gästen wurde schnell klar, dass vor ihnen knapp drei beeindruckende Stunden liegen würden, die viel Gefühl mitbringen werden. Gestern ging es nicht um die perfekte Imitation einer anderen Person. Es ging um eine Hommage an die Queen of Rock `n Roll und die Sensibilisierung dafür, dass die Karriere der Sängerin nicht Stufe für Stufe nach oben gegangen ist, sondern immer wieder Steine aus dem Weg geräumt werden mussten. Es gelang dem Ensemble, eine Mischung aus Musik und szenischen Darstellungen so zusammenzustellen, dass die Zeit wie im Flug verging. Der Hauptdarstellerin war bei wirklich jedem Song anzumerken, dass sie Tina Turner verehrt und sich hat inspirieren lassen von der Stimmgewalt, der Energie und der beeindruckenden Präsenz auf der Bühne. Aber Coco Fletcher stand selbstverständlich nicht allein auf der Bühne. An ihrer Seite spielte eine nicht weniger engagierte und nicht weniger talentierte Band. Vasti Jackson, seit 43 Jahren professioneller Musiker, glänzte nicht nur in seiner Rolle als Ike Turner, sondern überzeugte auch als Gitarrist auf ganzer Linie. Kein Wunder – gilt er doch als vollendeter Performer, Songwriter, Arrangeur und Produzent als Urgewalt in der Musikwelt. |
Nur einzelne Musiker der Band besonders hervorzuheben wäre ungerecht. Denn allesamt lieferten eine absolut hervorragende Leistung ab, die sie den ganzen Abend und nicht nur bei ihren Soli kräftig unter Beweis stellten – und davon gab es glücklicherweise einige. Andreas Walter, im Übrigen der einzige Deutsche Musiker der Band, spielte den Bass, Ilia Skibinsky Saxophon und Keyboard, Doan Pham saß am Schlagzeug und Michael Shand spiele Orgel und Keyboard. Gerade im zweiten Akt nach der Pause drehten alle Musiker so richtig auf und ließen diesen zu einer rasanten und mitreißenden Show werden. Coco wurde außerdem von den Darstellerinen Della Miles, Olvido Ruiz, Mariana Souza Pret und Miku Graham als „The Ikettes“, sowie den beiden Tänzerinnen aus Berlin Agata Boguslawska und Carla Oya tatkräftig unterstützt. Alle Darstellerinnen und Tänzerinnen können eine langjährige Erfahrung im Show-Biz und zahlreiche Auszeichnungen vorweisen. Insgesamt ein mehr als absolut hochkarätiges Cast, welches extra für die Tour zusammengestellt wurde. Aufgrund des zwar schlicht gehaltenen, aber technisch durchaus perfekt gestalteten Bühnenbildes hatte man von jeder Position des Saals aus einen hervorragenden Blick auf die Szenerie. Zentral thronte eine Treppe, die symbolisch für das Auf und Ab der Ausnahmekünstlerin stehen könnte. Schräg darüber eine Leinwand, die immer wieder Filmaufnahmen aus der jeweiligen Zeit zeigte, genauso wie die beiden Filmmusiken zu „Mad Max“ und „Golden Eye“ oder aber auch alte Plattencover. Einen Teil Tinas Geschichte erzählte sich quasi anhand der Musik selbst, wie unter Anderem die Trennung von Ike oder die zart angedeuteten Eifersüchteleien und Gewaltausbrüche während der Ehe. Glänzend disponiert und inszeniert wurde der andere Teil der Geschichte aber von Marten Kurz, der in den wechselnden Rollen ebenfalls brillierte. Schlüpfte er doch von Lebensabschnitt zu Lebensabschnitt der Künstlerin in die Rollen der verschiedenen Produzenten beziehungsweise in die Rolle ihres Managers Roger Davis. Während sich der erste Akt auf den eher unbekannteren Teil Tina Turners Geschichte bezog, startete der zweite Akt mit ihrem großen Comeback und den unvergessen Hits wie „I can´t stand the Rain“ „I don´t wanna fight anymore“, sowie den beiden Filmmusiken „We don´t need another Hero“ bzw. „Golden Eye“, die ohne Frage den Zenit der Karriere Turners markieren. Die einzigartige Stimme der Rocklegende mit dem unverkennbaren dunklen Timbre, die Darbietungen der Musiker und Darstellerinnen im zweiten Akt rissen einfach alle Zuschauenden von den Sitzen und spätestens ab der Hälfte des zweiten Aktes gab es kein Halten der Zuschauenden mehr. Es wurde getanzt, geklatscht, gepfiffen, lauthals mitgesungen und der Saal glich förmlich einem Hexenkessel, wenn ich diese Analogie bemühen darf. Die Stimmung war einfach unbeschreiblich und eine Gänsehaut folgte der nächsten. Nach drei Stunden, inklusive einer 25- minütigen Pause, und mehreren Zugaben war gegen 23:00 Uhr leider Schluss. Unter den Zuschauenden waren diverse Personen, die mir versicherten, sich genau diese Show extra wegen Coco Fletscher ausgesucht zu haben und ich weiß auch warum. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass Musik Menschen unterschiedlichster Art so verbinden und vom ersten Takt an mitreißen kann. Ich bin jedem Einzelnen dieses großartigen Ensembles dankbar, dass ich diese Erfahrung machen dufte. Und mindestens genauso dankbar bin ich, dass heute niemand mehr Konzert-Kritiken - wie auszugsweise im Musical vorgetragenen - aus dem Spiegel der 1970er Jahre ertragen muss. Das, was sich da gestern Abend auf der Bühne abspielte war nicht bloß „Simply“, Nein, das war tatsächlich „Really” the Best !!! |
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