Unplugged, Stecker raus – aber sein Akku war voll geladen

Zur Bildergalerie

Bremen, 19.08.2018 - Mit 18 rannte er bekanntlich in Düsseldorf ‘rum, an diesem Abend saß er auf einem Hocker in der ÖVB Arena. Marius Müller-Westernhagen hat über elf Millionen Tonträger verkauft und ist damit einer der erfolgreichsten deutschen Musiker. Seine Hits aus vier Jahrzehnten wie „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ oder „Freiheit“ kennen wohl die meisten über 30-jährigen Deutschen. Im Film „Theo gegen den Rest der Welt“ spielte er überzeugend einen Brummifahrer, dem auch fast alles misslang, jammernd, fluchend, schreiend und so cool….so liebten ihn die Fans, die Damen mochten da besonders sein enganliegendes weißes Rippenunterhemd.

Das er immer noch zieht, sah man an den etwa 5000 Zuschauern bei seiner Fortsetzung der „Unplugged Tour“ in der Bremer ÖVB Arena. Die 2017er Tournee war mit 100 000 Besuchern sehr erfolgreich, jetzt ist die zweite Runde wieder ein großer Erfolg. Das Programm wurde im Vergleich zur MTV-Show für die Hallentournee umgestellt. Marius Müller-Westernhagen war übrigens der erste deutsche Künstler, dem der Musiksender MTV Anfang der 90er-Jahre anbot, im „Unplugged“-Format aufzutreten. 2016 konnte das Projekt dann endlich verwirklicht werden, genug um sein Lebenswerk zu veröffentlichen.

Marius kam gut eine viertel Stunde zu spät auf die Bühne, wahrscheinlich musste der Pfefferminztee in der schwarzen großen Mug noch durchziehen. So hatte auch das Publikum noch genügend Zeit sich in der sehr warmen und stickigen ÖVB Arena mit Getränken zu versorgen. Immer wieder nahm MMW einen Schluck aus der Tasse, man merkte nur bei den Ansagen und Döntjes zwischendurch, dass ihn wohl eine Erkältung zusetzte, Gitarrist Carlo hatte auch eine recht „angekratzte“ Stimme. Doch das tat der Performance der beiden „alten Hasen“ keinen Abbruch. Die ganze Band und der Chor waren mit offensichtlichen Spaß und hohem künstlerischem Können auf der Bühne präsent. Dies ging nicht wie bei anderen Revial-Bandauftritten zu Lasten des „Wir müssen mal wieder auftreten, um Geld zu verdienen“.

Schon während Marius aus dem Dunklen auf die Bühne trat, gab es donnernden Applaus, nach den ersten drei Stücken gab es schon kein Halten mehr, die Fans sprangen von den Stühlen auf, sangen ganze Passagen der altbekannten und geliebten Songs. Davon kann die heutige YouTube Generation nur träumen, denn hier an diesem Abend in Bremen erlebte man eine „Institution“, der auch deutliche Ansagen zum Rechtsruck auf der ganzen Welt gab, MMW hat nach dem Echoeklat 2018 seine sämtlichen Echopreise zurückgegeben, um nur ein Beispiel zu nennen.

Auch bei den ersten altbekannten Songs lohnte sich ein genaues Hinhören, denn MMW hat viele Songs ein wenig aktualisiert, im Song „Für ne bess're Welt“ sang er nicht nur „Baby lass uns Liebe machen für ne bess're Welt“ sondern auch „Baby lass uns Trump verjagen für ne bess're Welt“. Im Laufe des Abends hat er noch deutlichere Worte für den „Operetten-Diktator“. Dann folgte der Song, der auch restlichen noch sitzenden Konzertbesucher von den Stühlen riß. „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“. Da ist er, jammernd, leidend, fordernd, schnoddrig und frech, natürlich das Alphatier unter den Männern, die Stimme wird hochgeschraubt, die Hüften rotieren elvislike, die Kehrseite wippt provokant, er da oben auf der Bühne kann höchstens 30 sein, die Shape-Silhouette wird sich nie ändern. So lieben ihn die Fans. Musik ist sein Lebenselexier.

 

Trotz „unplugged“ kam noch ein mächtger Soundgenuss beim Publikum an, auch Dank der versierten Unplugged-Band mit Pianisten, Saxophonspieler, Schlagzeuger, Percussionist, mehreren Gitarristen und stimmgewaltigem Backgroundchor mit diversen Tanzmoves.Westernhagen hat alte Hits komplett neu arrangiert, an die Stelle wuchtiger E-Gitarren und massiger Soundeffekte treten akustische Gitarren, Blasinstrumente und das Geburtstagskind des Tages, war Pianist Kevin Bents.

Natürlich gab es ein gemeinsames „Happy Birthday dear Kevin“, sowie einen Geburtstagskuchen mit Kerze, überreicht von Lindiwe Suttle-Westernhagen. Artig bedankte sich Kevin D. Bents beim Bremer Publikum: „Guys, thank you for coming to my birthday show!“ Mit seiner Frau Lindiwe sang Marius, den von ihr gemeinsam mit Kevin D. Bents und MMW getexteten "Luft um zu atmen" im Duett. Sehr schön kamen hier die Klänge der Violinspielerin aus der Unplugged-Band zum Tragen.

Politisch wurde es mit neueren Songs wie „Liebe um der Freiheit willen“ unter anderem zum Arabischen Frühling, hier nannte Westernhagen Tunesien, dort habe es ganz gut geklappt, nun müssten noch andere Länder nachziehen. "Taximann" und "Johnny Walker" waren noch lange nicht die Rausfeger aus der Halle. Es gab noch 2 Zugaben. Zwischendurch fragte der Sänger sein Publikum ganz leise, aber mit verschmitzten Bubilächeln: „Wisst ihr eigentlich wie alt ich bin?“ Marius erinnert an das legendäre Open Air Konzert im Bremer Weserstadion am 30.05.1999, es war das kleinste Stadion mit nur 35.000 Zuschauern in dem er damals einen Auftritt hatte. Aber tausende Fans ließen es sich nicht nehmen, rund um das Stadion auf den Wiesen am Weserdeich dem Konzert nur zuzuhören.

Zwei Zugabensets wurden dem Publikum gegönnt, auch leider nicht mehr selbstverständlich, besonders bei den „großen“ amerikanischen Superstars. "Johnny Walker" und „Heroes“ von David Bowie erklang, allerdings mit einem Text von Marius Müller Westernhagen. Und natürlich als letzter Song, hier gab es einen Lichterhimmel aus Feuerzeugen und Smartphonetaschenlampen, „Freiheit“, ein Song der wohl leider nie an Aktualität verlieren wird. Bis 22.15 Uhr stand MMW auf der Bühne, nach 140 Minuten verabschiedete er seine treuen Fans nach Hause mit den Worten: „Kommt gut nach Hause, passt auf euch auf“. Er verließ als erster die Bühne, verschwand im dunklen Off, der Backgroundchor, die Band und die Zuschauer groovten noch weiter bis sich der rote halbrunde Vorhang geschlossen hatte.

Mach's gut Marius, uns geht es gut, dir auch….bleib unserer „dürrer Hering“ mit offener und gradliniger politischer Weltansicht! Gerne darfst du uns bald wieder wachrütteln, denn deine Musik hat ihre Kraft nicht verloren.