Leipzig wird wieder zur “Gothic-City”

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Leipzig, 27.05.2023, (Laura Fatteicher) - Für viele Anhänger der Schwarzen Szene startete am Freitag die alljährliche Pilgerreise nach Leipzig zum Wave-Gotik-Treffen (WGT). Wie jedes Jahr vereinte das Festival der besonderen Art vier Tage lang bis zu 20.000 schwarze Seelen aus aller Welt. Es zeigte sich bereits ein deutlicher Besucherzuwachs zum Vorjahr, in dem sich viele noch durch Corona zurückhielten. Über 50 Veranstaltungsstätte, darunter auch die Oper und das Gewandhaus, präsentierten wieder thematische Konzerte, Lesungen und Ausstellungen. Auch Vorträge, Theater- und Filmaufführungen sind Teil des Programms.

Am Samstagnachmittag waren bereits viele Besucher auf dem Hauptgelände, dem agra Messepark unterwegs. Auf diesem befindet sich neben der Bändchenausgabe, dem Zeltplatz, einer großen Einkaufsmeile und vielen Ständen für das leibliche Wohl auch die große Hauptbühne des Festivals. Um 17 Uhr wurde diese von der Band Nachtmahr eröffnet. Es hatten sich bereits zahlreiche Fans in der Halle versammelt. Unterstützt von zwei Frauen in Uniformen an den Trommeln und einem Bandkollegen am Synthesizer, eröffnete Sänger Thomas Rainer den Abend.

Die provokante Show der österreichischen Industrial-Band, mit Wasserpistolen in Maschinengewehr-Optik und Fetish-Show-Einlagen, bietet dabei schnell Raum für Missverständnisse oder Fehlinterpretationen. Den Fans jedenfalls gefiel es und spätestens die Hits “Mädchen in Uniform” oder “Tanzdiktator” wurden vom gesamten Publikum gefeiert. Leider schien während des Konzerts die Sonne durch die oberen Fenster der Halle, was ein bisschen die Atmosphäre zerstörte, wie auch bei der nachfolgenden Band.

Nach einer kurzen Umbaupause, die für eine kurze Erfrischung genutzt werden konnte, wurden die Scheinwerfer gedimmt und ein starker Durft von Weihrauch machte sich breit. Zwei kostümierte Frauen mit symbolischer Gesichtsbemalung betraten die Bühne und vollzogen ein rituelles Intro mit einem Weihrauchbrenner und einer riesigen Trommel. Sänger Erk Aicrag stürmte in seinem schamanistisch angehauchten Outfit und einer Augenbedeckung, die an eine Skibrille erinnerte, die Bühne. Die mexikanische Band ist bekannt für ihre energiegeladenen Auftritte mit düsteren Electro-Beats. Der Bass regelte fortan den Herzschlag und das Publikum tanzte sich in Ekstase. Vor der Bühne wurde es zunehmend enger und auch kleinere Moshpits bildeten sich. Eine großartige Show, bei der nicht wenige Fans schweißgebadet die agra verließen.

Für etwas Entspannung sorgt das romantische Mittelalterdorf am Torhaus Dölitz, das wenige Meter vom agra-Gelände entfernt ist. Man kommt nur schwer an den rustikalen Essensständen vorbei, an denen viele verschiedene Leckereien angeboten werden.

 

Daneben gibt es auf dem “Heidnischen Dorf” eine Reihe von Verkaufsständen mit Schmuck und Accessoires aus echter Handwerkskunst, Gewänder und Räucherwerk. Zum 30-jährigen Jubiläum des WGT gab es zudem eine kleine Neuerung: die Lindenburg. Das Areal wurde am hinteren Ende erweitert und bietet nun einen besonderen Platz für Kinder. Dort kann gespielt, getobt und gebastelt oder den Geschichten im Märchenzelt gelauscht werden.

Im vorderen Bereich befindet sich eine große Open Air Bühne, auf der kurz nach 20 Uhr das Duo Ragnarök Nordic & Viking Folk spielte. Sie kamen ganz ohne Bühnendekoration aus, überzeugten das Publikum aber schon nach kurzer Zeit. Immer mehr Leute folgten den nordischen Klängen. Mit dem Cover zu “My Mother Told Me” überzeugten sie schließlich auch die letzten Kritiker. Es wurde auf der Wiese getanzt, Met getrunken und es entwickelte sich eine ganz besondere Stimmung, sodass das Hier und Jetzt für eine Weile in Vergessenheit geriet.

Headliner des Abends auf der Heidenbühne war die Band Faun, die das Publikum mit ihrer mystischen Musik verzaubern sollte. Langsam setzte die Dämmerung ein, als das Publikum die Band voller Vorfreude erwartete. Die sechs Musiker betraten im gedimmten nebeldurchfluteten Licht die Bühne. Ihre Songs kombinieren Elemente aus Folk, Mittelalter und Weltmusik, die auch wieder zum Tanzen einluden. Die Vielfalt der Instrumente, darunter Drehleier, Perkussion, Flöte, Schlagzeug und Gitarre erzeugten eine lebendige Klanglandschaft. Leider war die Lichtshow ein wenig eintönig und düster, sodass ihre Bühnenshow nicht richtig zur Geltung kam. Das schien die meisten Besucher allerdings nicht zu stören, denn das Gelände füllte sich rasant, sodass kaum noch ein Durchkommen möglich war.

Ein magischer Abschluss für diese romantische Location. Die meisten Besucher waren bereits den ganzen Tag auf den Beinen und ließen den Abend gemütlich bei einer weiteren Flasche Met zum Feuerspektakel im Heidnischen Dorf ausklingen.