Von Gregor Eder
Am 30.08.2024 veröffentlicht der Berliner Pianist und Komponist Lambert sein neuestes Album „Actually Good„. Im Rahmen der Veröffentlichung hatte ich die Möglichkeit schon vorab eine Runde mit Lambert über die Entstehung des Albums und die vergangenen Jahre via Zoom zu plaudern.
Nach einer netten Begrüßung startete ich gewohnt mit meiner ersten Frage los: „Wenn du auf die letzten zehn Jahre zurückblickst, was waren Momente, die du als außerordentlich besonders benennen würdest und welche Situationen waren herausfordernd, aber trotzdem lehrreich?
„Also wirklich schöne Erlebnis sind, wenn du in ein anderes Land fährst, um dort zu spielen und Leute dort auch wirklich hinkommen und das Konzert genießen. Ich war beispielsweise einmal in Australien und durfte dort vor einem großen Publikum spielen, oder auch in Montreal. Da kaufen Leute wirklich Tickets wegen einem und das ist für mich surreal.
Bevor ich Lambert gemacht habe, habe ich ja auch in Indie-Bands oder Jazz-Bands gespielt und da war es nie eigentlich so, dass man international Aufmerksamkeit erregen konnte. Mit Lambert hat es eben jetzt geklappt und diese Momente im Ausland sind für mich noch immer krass. Dass es geklappt hat, liegt natürlich auch an der Musik, die ich da spiele, denn es gibt ja keine Lyrics. So ist das Ganze aber auch universell verständlich. Jedenfalls sind die Momente in anderen Ländern, wie beispielsweise Australien, wo man verschwitzt vom Gig kommt und sich noch Kängurus anschauen geht, ganz besonders. Ich hatte auch die Gelegenheit tolle Häuser zu bespielen, was ich mir vorher auch nicht vorstellen konnte.
Da bin ich auch oft hin und weg, wenn Derartiges funktioniert. Also die schönsten Momente hängen meistens mit Live-Erfahrungen zusammen und es ist eben schön, dass die Musik als universelles Medium überall funktioniert.
Um auf die andere Frage zurückzukommen. Was einem dann doch richtig ans Herz geht, auch jetzt, nachdem 10 Jahre ins Land gegangen sind, sind Momente, in denen man live merkt, dass es so nicht geht. Ich hatte solche Momente zweimal in Bremen. Da spielte ich in einem Etablissement, wo die Besucher anscheinend Abonnements für die Konzerte hatten und nicht wussten, worauf sie sich einließen. Jedenfalls hatten sich anscheinend ein paar Besucher auf etwas Hochkulturelles eingestellt und dann kam auf einmal einer mit Maske auf die Bühne. Irgendwann während des Konzertes stand dann ein Mann auf und meinte, ich solle bitte die Maske abnehmen, denn seine Frau habe Angst.
Ich erklärte, dass sie keine Angst haben müsse und auch keine Bedrohung von mir ausgeht, ich die Maske aber nicht abnehmen werde, da sie zu mir und dieser Show gehört. Schlussendlich verließen die Zwei das Konzert laut schimpfend. Ich habe nicht wirklich gut reagiert und einen flapsigen Spruch herausgehauen. Ich sage ja bei meinen Konzerten immer, dass alle Gefühle erlaubt sind, was eigentlich auf Euphorie anspielt. In der Situation meinte ich „Ja es sind ja alle Gefühle erlaubt“, was mir im Nachhinein etwas leid tat, da Angst ein ernstzunehmendes Gefühl ist. Natürlich hätten sie sich auch informieren können, aber was ich daraus gelernt habe ist, dass ich nicht auch noch solche Momente nutzen sollte, um eine Pointe da raus zu schlagen. Das ist jedenfalls doof.“ meinte Lambert.
Fotocredit: Murray Ballard
Das war ja einmal eine klare Antwort. Ich meinte zu Lambert, dass ein einziger Satz heutzutage verhängnisvoll sein kann, wenn man die aktuelle Lage von Tenacious D betrachtet und er stimmte mir zu. Meine nächste Frage sollte etwas erkunden, wo sich Lambert in der doch vom Pop dominierten Musikwelt einordnet: „Wie siehst du dich selbst in dieser doch verqueren Welt der Musik in welcher „Catchyness“ und ein Nummer 1 Hit in den Charts glorifiziert werden, als Komponist der doch eher in der Klassik und dem Jazz an größeren Werken arbeitet?“
Die Antwort kam sehr fix: „Ah! Ich sehe, da ist ein Kompliment in der Frage versteckt, welches ich gerne annehme, aber von der „Catchyness“ würde ich mich nicht lossagen. Ich bin schon auch ein Kind der Popkultur. Es geht mir schon auch darum, und da unterscheide ich mich etwas von neoklassischen Künstlern, dass schon eine Wiedererkennbarkeit oder horizontaler Ebene, das kann eine Melodie sein, da ist, anstatt nur einer Atmosphäre.
In der Neo-Klassik ist man ja etwas darauf versteift nur in einer vertikalen Art und Parametern zu denken. Also beispielsweise Harmonien, Atmosphäre, Schichtung von Akkorden, sodass es „Ohrenkompatibel“ ist und nicht stört. Bei Melodien bin ich schon auch stark in der Pop-Kultur, also meine Stücke sind schon geprägt vom Songwriter-Gedanken, auch wenn die Kompositionen keinen Text haben. Ich sehe mich definitiv mehr als Vertreter der Popkultur als der Hochkultur. Am Klavier identifiziere ich mich eher als Jazzmusiker und ziehe auch aus dem Jazz die meiste Inspiration. Das hört man zwar nicht immer, aber es ist so.“
Somit wäre geklärt, dass man auch als Neo-Klassiker sehr wohl eine Pop-Kulturelle Haltung haben kann! Das neue Album „Actually Good“ hat eine wirklich interessante Entstehungsgeschichte, welche ihr in der dazugehörigen –> Rezension lesen könnt, und am Anfang stand ein Gespräch zwischen Lambert und seiner Tochter.
Jene machte ihn darauf aufmerksam, dass er nicht immer dasselbe schreiben sollte. Das Resultat dieser Aussage war, dass sich Lambert selbst hinterfragte und etwas „out of the box“ dachte. Meiner Meinung nach sind solche Momente ganz wichtig für die Entwicklung eines Musikers und daher fragte ich: „Deine Tochter hat dich ja mit ihrer Aussage etwas aufgewühlt, was wiederum zu einer Art Katharsis geführt hat. Glaubst du, dass genau derartige Denkvorgänge nicht grundlegend notwendig für die Entwicklung eines Musikers sind?„
„Ja! Ist sie wahrscheinlich. Das kann ich also nur bejahen, aber ich dachte zumindest ich bin davor gefeit, weil ich mir immer eingebildet habe, dass ich sowieso sehr vielseitig an die Sache herangehe. Letztens war es ein Jazzalbum, dann hatte ich ein Electronica-Album, doch sie meinte dann, dass ihr Eindruck wäre, dass das alles immer gleich klingen würde. Sie meinte auch, dass es dadurch klar ist, dass da nicht mehr viele Fans dazukommen können.
Es geht mir schon auch darum, und da unterscheide ich mich etwas von Neo-Klassischen Künstlern, dass schon eine Wiedererkennbarkeit oder horizontaler Ebene, das kann eine Melodie sein, da ist, anstatt nur einer Atmosphäre.
Lambert
Das war jedenfalls ihre Perspektive. In mir hat das Ganze den Gedanken ausgelöst, ob man sich nicht einmal total in eine andere Richtung bewegt und im gleichen Moment kam eben die Anfrage, ob ich mich nicht als Schauspieler ausprobieren möchte. Für die Serie für welche ich wiederum den Soundtrack schreiben sollte. Nachdem ich genau den vorherigen Gedanken im Kopf hatte, habe ich natürlich direkt zugesagt. Ich dachte mir, dass ich hier einmal andere Wege gehen und andere Herangehensweisen an Kultur entdecken könnte. Das ist dann gründlich schiefgegangen. Andererseits hat es dazu geführt, dass ich nun ein neues Album habe, was ich wiederum gut finde.“ erklärte Lambert.
Nicht nur er fand es gut, sondern ich auch. Lambert erklärte noch etwas, wie sich die Dreharbeiten abgespielt hatten und dass er vom Set flüchten musste, was aber wiederum nicht schlecht war, da er so auch die Rechte am Soundtrack behielt. Wir plauderten noch etwas über die Erfahrung, bis unsere Interviewzeit zu Ende war.
Abschließend möchte ich mich nochmal bei Lambert für das entspannte und sehr interessante Gespräch bedanken und euch da draußen das Album „Actually Good“ empfehlen! Die Rezension dazu findet ihr –> hier.
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