West Side Story – Das Musical

Christian Habeck

West Side Story

Bremen, 15.03.2023 (Christian Habeck) – Rund Siebzig Jahre nach der Weltpremiere machte am gestrigen Abend ein hochkarätiges Cast einen Stop im Bremer Metropol Theater, um nach der Deutschlandpremiere im Dezember letzten Jahres in München, auch im Norden Deutschlands die Menschen zu begeistern. Mit brillantem Cast, großartigen Dirigenten und Orchester gelang dem Regisseur Lonny Price ein wahres Meisterwerk. Mit unvergleichlicher Energie in Tanz und Gesang, präsentierte das Ensemble eine spannungsgeladene Neuinszenierung des unvergessenen Broadway-Klassikers. Mit einem so veränderlichen Bühnenbild, was sich unmerklich in die Inszenierung einfügte, begeisterte die Vorstellung die knapp 1.000 Besucher des Bremer Metropol Theaters. Obwohl die ganze Aufführung in englischer Sprache gehalten war und sowohl sängerische als auch tänzerische Anteile eher an Operette erinnern, waren sehr viele jüngere Kinder und Jugendliche unter den Zuschauenden zu finden.

Two Gangs. One Love.

West Side Story – Diese Geschichte wurde schon zigtausend mal erzählt und auf den verschiedensten Bühnen mit unterschiedlicher Qualität aufgeführt. Es gab und gibt viele Schul-, Varieté- und Stadttheaterproduktionen. Man kann also kaum behaupten, dass es an Inszenierungen der West Side Story hierzulande fehlt. Kein Wunder, denn der Ursprung der bekannten West Side Story von Robbins und Bernstein liegt bereits im Jahr 1949. Die Idee war es, eine aktuelle Version des beliebten Klassikers Romeo und Julia zu erschaffen. Die epische Auseinandersetzung zwischen zwei rivalisierenden Straßenbanden, die bis zum Äußersten kämpfen, ist eine Geschichte, die uns allen bekannt ist.

Doch die Liebe zwischen Tony und Maria, die in den 50er Jahren inmitten dieses Konflikts entsteht, ist eine einzigartige und ergreifende Geschichte. Obwohl sie in einem fernen Emigrantenviertel auf New Yorks Upper Westside stattfindet, berührt sie uns immer noch tief. Hass, Vorurteile und die vermeintliche Verteidigung der eigenen Wohlstandsgrenzen sind weltweit zu finden. Wie nah Hass und Liebe beieinander liegen können, zeigt die Geschichte von Maria und Tony – Romeo und Julia im New York der 1950er Jahre.

Das Musical begann bereits mit einem starken Auftakt. Mit der passenden musikalischen Untermalung durch den „Jet Song“ und die Ouvertüre, standen sich die „einheimischen“ Jets und die „eingewanderten“ Sharks auf der Bühne gegenüber. Spannung lag in der Luft. Die Begegnung zwischen Maria und Tony auf einem Tanzfest brachte die Gefühle auf einen ersten Höhepunkt. Dass sowohl die Dialoge als auch die Songs komplett auf Englisch waren, störte jedoch nicht. Dank der hervorragenden schauspielerischen Leistungen der Darstellerinnen und Darstellern brauchte es ohnehin nicht vieler Worte, um der Geschichte folgen zu können. Tony wurde dargestellt von Jadon Webster, einem jungen Mann, der eine ebenso klare wie verträumte Stimme hat. Mit seiner Darstellung hat er auch den letzten Zuschauer im Raum für sich gewonnen.

Fotocredit-johan-persson

Melanie Sierra, die als Maria auf der Bühne präsent war, sorgte noch einmal für ein ganz neues Gänsehaut-Feeling. Ihre Stimme ist klassisch, hat dabei aber auch moderne Akzente, die perfekt eingesetzt wurden. Beim Song „Tonight“ wurde es still im Saal. Das Werk, welches bis heute eine immense Bedeutung hat, bestach vor allem durch die einzigartige Kombination von Schauspiel, Musik und Tanz zu einem Gesamtkunstwerk, welches als „totales Theater“ bezeichnet werden kann. Besonders hervorzuheben ist dabei das atemberaubende Bewegungsvokabular, welches eine zentrale Rolle in der dramaturgischen Gestaltung einnimmt. Verantwortlich für diese wegweisende Vorlage, die oft kopiert, aber selten erreicht wurde, war einst der 1998 verstorbene Jerome Robbins. Als Ideengeber, Regisseur und Choreograf der West Side Story vereinte er diese Talente in einer Person.

Ein weiteres, sehr schönes Beispiel dafür, wie Musik Menschen verbinden kann.

An diese Stelle trat nun der Regisseur Lonny Price. Man kann sagen, dass die West Side Story als Musical auch rund 70 Jahre nach dem Debüt nichts von seiner Aktualität verloren hat. Seit jeher gibt es Hass und Intoleranz, eine Tatsache, die uns Menschen begleitet. In vergangenen Zeiten, wie in der berühmten West Side Story, kämpften die puertoricanischen „Sharks“ und die polnischstämmigen „Jets“ in den USA um ihr Territorium. Heute könnten in Deutschland die türkischstämmige dritte Generation und die deutschstämmige Jugend aus dem zerfallenden Sowjetreich in einen ähnlichen Konflikt geraten. Dies zeigt, dass der Konflikt in dem Musical keineswegs veraltet ist, sondern immer noch aktuell. Die Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart sind offensichtlich. Detailverliebte Kostüme und ein Bühnenbild, welches sich fast magisch immer wieder veränderte, sich bewegte und schlussendlich Teil des Ganzen wurde. Selten erlebt man Lichtspiel und Bühnenbild in Kombination, welches nicht nur als Mittel zum Zweck dient, sondern einen großen Teil zur Vollendung des Ganzen beiträgt.

Die starken Emotionen des Stücks wurden maßgeblich durch Licht und Bühnenbild ins Publikum transportiert. Trotz des teilweisen sehr jungen Publikums und vermeintlicher sprachlicher Barrieren, sprang der Funke nicht nur über – nein, er sorgte bei allen Zuschauenden für Begeisterung. Vor allem die volle Hingabe der stimmgewaltigen und äußerst ausdrucksstarken Darstellerinnen und Darsteller zogen schnell auch die Jüngsten in ihren Bann. Diese anmutende Kombination aus exzellent gespielter und vor allem live performter Musik eines ganzen Orchesters und atemberaubender künstlerischer Darbietung ist das, was wahre Meisterstücke auszeichnen. Ein weiteres, sehr schönes Beispiel dafür, wie Musik Menschen verbinden kann. Das sind Momente, die es verdienen, unsterblich zu werden – wie der Broadway-Klassiker selbst…

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