Interview mit Marcus Schwarzbach/ Blackout Problems

Von Patricia Mikolasch

Ich hatte die Gelegenheit mein erstes Interview auf Deutsch zu führen, weshalb ich sehr aufgeregt war :) Die Gelegenheit bot sich mir bei dem Gespräch mit dem Bassisten Marcus Schwarzbach der 2012 gegründeten Band Blackout Problems. Nach technischen Schwierigkeiten, Hundebildchen als Hintergrund und einer nicht zu überzeugenden Kamera, startete ein lustiges, interessantes Gespräch.

Worum geht es in Eurer Musik? „Das ist sehr unterschiedlich… Wir haben in der Regel für jedes Album einen eigenen Kosmos worum es geht. Also vor allem Mario- weil er die Texte schreibt. Auf dem aktuellen Album „Dark“ (unsere --> Rezension) haben wir unsere Frustration über die aktuellen Geschehnisse, die globalen Entwicklungen- politisch, ökonomisch und ökologisch zum Ausdruck gebracht. Auf „Kaos“ zum Beispiel ging es vor allem um Beziehungen und persönliche Krisen. Worauf in unserer Musik der Fokus liegt, ist von Album zu Album verschieden, aber wir verarbeiten immer die Dinge, die uns gerade aktuell besonders beschäftigen.“

Wie schreibt Ihr die Songs? „Normalerweise schreiben wir alle zusammen. Wir haben in München einen Proberaum, den wir sehr regelmäßig- vor dem Release täglich- nutzen. Wir holen uns öfter Inspirationen von SongwriterInnen, die wir zu uns einladen. Bei „Dark“ haben wir zum Beispiel mit Sebastian Horn (Geister) zusammengearbeitet. Er hat einen elektronischen, technoiden Sound mit eingebracht. Grundsätzlich gibt es bei uns keine Limits- alles kann, nichts muss- solange die Kreativität fließt.“

Jammt Ihr? „Ja, das tun wir auch, aber es wird seltener, eher phasenweise. Einfach zu jammen kann unproduktiv werden. Jeder konzentriert sich dabei ja vor allem auf sein eigenes Instrument, keiner hat eine Übersicht über das Ganze. Deshalb sind wir auch Fans davon am Laptop zu arbeiten. Man hat zum Beispiel ein Gitarrenriff oder einen Schlagzeugbeat und kann gemeinsam sehen, ausprobieren und hinhören, was es überhaupt ist, ob es wirklich cool ist. Alle können wirklich mit zwei Ohren zuhören.“

Da ist was wahres dran, woran ich noch gar nicht so gedacht habe. Gehen wir ein bisschen tiefer: Was bedeutet Dir Musik?

„Alles. Seitdem ich denken kann, ist die Musik ein riesiger Bestandteil meines Lebens. Ein Leben ohne Musik wäre für mich unvorstellbar. Mit unserem Sänger Mario spiele ich seit dem zwölf Lebensjahr in einer Band. Mit 14/15 Jahren haben wir unsere ersten Liveerfahrungen gesammelt- vor allem in Österreich. Dann kamen wir nach München und gründeten 2012 zu viert Blackout Problems. Von dort fingen wir an Europa zu erkunden. Ich denke, ich kann hier im Namen der Band sprechen, dass für uns alle gilt, dass Musik einfach ein so großer Bestanteil unseres Lebens ist. Ohne die Musik wäre ich nicht der Mensch, der ich jetzt bin und würde auch nicht da stehen, wo ich stehe. Deshalb war es durch Corona besonders schwierig für uns, weil wir nur bedingt das machen konnten, was wir normalerweise tun.“

Was hat sich für Euch, für Dich nach Eurem ersten Erfolg geändert? Hat sich etwas verändert? „Definiere Erfolg ;) „Erfolge, Meilensteine - Jetzt haben wir´s geschafft-„ diese Ausdrücke oder Feststellungen sind für mich sehr schwierig zu greifen. Wir befinden uns in einem ständigen Prozess. Als wir zum Beispiel unser letztes großes Konzert in München gespielt haben- das war 2018- vor 800 Leuten. Da waren wir so happy, dass so viele Menschen unsere Musik hören und mögen und so viele etwas mit uns teilen. Trotzdem ist es nur ein Zwischenschritt gewesen. Es ist sehr schwer irgendwo anzukommen, wenn man sich keinen „Endpunkt“ festlegt, sondern nach jeder Herausforderung, jeder Entwicklung schon die nächste Linie im Visier hat, die es zu überwinden gilt. Wir haben schon immer weiter gestrebt als das, was wir schon erreicht haben. Wir sind eine kleine Band, die sehr hart arbeitet- es ist sehr schwer zu sagen irgendwo angekommen zu sein.“

Die Videos, die ich mir angesehen habe, sind teilweise recht extrem und intensiv- wie entstehen Eure Videos? „ Wir arbeiten seit 5-6 Jahren mit Bernhard und Moritz Schinn zusammen- zwei, entfernt verwandte Kameramenschen und Regisseure. Sie helfen uns die Bilder die wir haben oder vor allem unser Sänger Mario, umzusetzen. Also die Ideen entstehen im Kopf. Gerade bei „Dark“ reichte uns kein Video, in dem wir einfach irgendwo stehen und spielen. Die Aussagen auf dem Album mussten visuell untermalt werden. Wir brauchten härtere Bilder. Auch gerade jetzt- das Jahr war noch nicht mal eine Woche alt und was ist alles schon wieder passiert?? Man redet härter miteinander, man sucht textlich die Konfrontation. Bernhard Schinn ist schon seit „Holy“ dabei und war auch schon mit uns in Brighton. Wir haben in England dann schon einige Videos zusammen gedreht. Moritz ist seit einem Jahr dabei. Wir sind als ganzes Team zusammen gewachsen. Damals waren wir nur ein Haufen von Leuten, die eine Vision hatten. Viele aus dem Team haben jetzt neue, eigene Perspektiven. Paul zum Beispiel, der für uns die Fotos macht, fährt jetzt (also vor Corona) mit vielen anderen Bands mit- das ist jetzt sein Job. Die Schinns machen Videos und die Techniker werden auch von anderen Bands gebucht. Es ist schön zu sehen, dass jeder seinen Teil aus dem Projekt mitnehmen kann.“

Was ist Dein Lieblingssong auf „Dark“? „Das ist eine schwierige Frage…“

 

 

 

 

 

Die schwierigen Fragen kommen noch ;) "Normalerweise würde ich den Song nennen, den ich am liebsten live spiele. Das ist eigentlich immer eine gute Richtlinie. Einen Song, den ich gerne live performe, hat eine besondere Energie. Da wir für das neue Album noch kein Konzert gespielt haben, ist das sehr schwierig für mich. Ich würde sagen „Darling“. Bei „Darling“ haben wir versucht das Llive-Feeling zu reproduzieren; also das, was wir live machen würden mit ins Songwriting einzubinden. Wir lassen den Song „atmen“, geben ihm zum Beispiel ein langes, instrumentales Outro. Das ist der Song, bei dem im Proberaum momentan am meisten Stimmung, am meisten Feeling für mich rüberkommt, bzw. entsteht.“


Blackout Problems beim Deichbrand Festival 2018

Gibt es für Dich Momente, in denen die Balance zwischen Geben und Nehmen ins Wanken geraten ist, in denen die Musik - als ominöses, nicht greifbares Etwas, die Kunst in Dir zu extrem, zu intensiv geworden ist? „Ja, 2020 war sehr unausgeglichen für mich. Ich habe mehr gegeben als ich bekommen habe. Normalerweise ist das nicht so. Sonst bekomme ich ein Feedback- das, was wir abgearbeitet haben, bekommen wir auf der Bühne wieder. Die Energie. Gerade wenn es wieder um Businessdinge geht, um die Kampagne, um den Pitch und ich das alles nicht mehr hören kann und will, wenn man dann auf die Bühne geht und mit den Menschen eine Symbiose schafft, gibt mir das sehr viel Kraft und Energie. Wenn die Musik, die Energie, die Emotionen zu viel werden, lasse ich es einfach raus. Es gibt wenige Dinge auf der Bühne, die wir vier zurückhalten. Rumschreien, Springen, Tanzen, Lachen, Weinen- davon gibt es nichts, was nicht schon passiert ist oder gemacht wurde.“

Was würdest Du sagen, ist an diesem „Zwischenzustand“, in dem Ihr Euch befindet - nicht mehr völlig unbekannt, aber auch noch nicht soweit nur von der Kunst leben zu können- das Schlimmste? „Die Zweifel und Existenzängste als Band. Durch Corona hat man gesehen wie fragil das ganze System ist, wie sehr es durch eine globale Pandemie beeinflusst wird; wie beeinträchtigt man wird das zu tun, was man seit Jahren macht. Es ist für Künstler nach wie vor schwierig das zu machen, was sie wollen um angemessen zu verdienen. Nach unserem westlichen Standard läuft es ja meistens so: Man fängt an zu arbeiten und verdient Summe X. Dann muss es mehr werden, bis man sich „das und das mit dem Gehalt leisten kann“. Aber in diesem Schema findest Du als Künstler überhaupt nicht statt. Es gibt keine Gewissheit, nach zwei Jahren eine Gehaltserhöhung zu bekommen- das kommt auf die Musik, auf die Kunst an, die Du machst. Die Zweifel stehen sehr in ambivalenter Beziehung zur Freude, die es mit sich bringt. Trotzdem würde ich es nicht anders machen. Ich bin lieber einen Monat quer durch Europa unterwegs, müde und fertig, sehe dafür aber 20 verschiedene Bühnen und habe nicht so viel Geld auf meinem Konto, als zu viel Geld zu haben, um mein eigentlich nicht erfülltes Leben mit irgendwelchen Konsumgütern zu befriedigen. Es ist eine schwierige Balance. Jeder, der es macht, weiß es zu schätzen. Man kann eben nicht alles haben.“

Was ist der beste Part daran? „Die Freiheit das tun zu können, was man möchte. Als Band haben wir wenig Bindungen und konnten schon immer das tun, was wir wollten. Diese Freiheit ist unbezahlbar und der beste Part daran.“

Langsam nähern wir uns dem Ende. Welche Künstler haben Dich geprägt und inspiriert oder tun es noch immer? „Bon Iver ist mein absoluter Lieblingskünstler. Ich kenne alles, jede Note, die er gespielt hat. Ich finde es so aufregend, was für Musik diese Band macht.

Es gibt wirklich nur Einen?? „Ja, hier kann ich ganz klar einen Künstler nennen und mich festlegen.“

Wir kommen zur letzten Frage- wie ich finde, ein schöner Abschluss eines entspannten und interessanten Gesprächs.Was ist Deine stärkste/beste/emotionalste/extremste musikalische Erinnerung? „Als wir 2019 auf Rock Am Ring und Rock Im Park gespielt haben. Da ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Als Künstler in Europa dort spielen zu dürfen war wie ein Ritterschlag. Gedanklich habe ich mir wirklich an den Kopf gefasste und gedacht „Krass! Danke, dass ich diesen Moment erleben darf“. Dieses Gefühl erleben wahrscheinlich nur wenige Leute. Es war ein wahnsinnig schönes Gefühl emotional für die ganzen Mühen bezahlt zu werden.“

Dieses Bild - der Blick von der großen Rock Am Ring Bühne noch vor Augen, ist die Zeit am Ende angekommen und ich bedanke mich für das schöne und lustige Gespräch bei Marcus und den Blackout Problems und freue mich darauf die Jungs mal live in Action sehen zu können.