Interview mit Marcel „Schmier“ Schirmer Von Gregor Eder Ich freue mich ja meist auf jeden Interviewpartner bzw. Partnerin, doch manchmal gibt es da auch Musiker, bei denen ich etwas Sorge habe vor Ehrfurcht zu erstarren. Eine dieser Personen nennt sich Schmier und jener brettert mit seiner Truppe Destruction nun schon seit 1982 durch die Gegend und versorgt die Welt mit feinstem Thrash-Metal. Als in der Redaktion die Meldung aufschlug, dass Schmier im Rahmen des neuen Live Albums "Born To Thrash (live in Germany)", dessen Review ihr euch unbedingt reinziehen solltet, Interviews gibt, war für mich zu 100% klar, dass ich mir das nicht entgehen lassen darf.
So saß ich an angesagtem Tag gespannt vor dem Laptop und erwartete einen heißer wünschten Anruf und wenige Minuten später vernahm ich: "Gregor Hi! Schmier hier!". Mit einem freudigen "Servus" begrüßte ich Schmier und lockerer als geglaubt starteten wir nach kurzer Unterbrechung durch den Postboten in unser Interview.
Durch die kleine Unterbrechung und den doch langen Interviewtag in dem sich Schmier befand, sprach ich kurz an wie stressig so ein Tag nicht sein müsse, worauf Schmier nur meinte: "Ja, Ich bin ja nebenbei auch an anderen Sachen dran. Ich manage ja noch die Burning Witches, die Schweizer Heavy Metal Band. Da ist diese Woche noch Live-Stream und dann ist noch die Gitarristin ausgestiegen. Da ist recht viel los. Dann arbeite ich am neuen Videoclip denn wir noch herausbringen. Also es ist gerade etwas viel Action." Schon hier merkt man, was der Herr eigentlich alles so am Schirm hat und mitunter für die Metalszene leistet. Mit Bewunderung bemerkte ich, dass es sehr erfreulich ist, dass selbst in dieser Krise noch so viel getan wird, worauf hin Schmier meinte: "Ja, ich bin froh das ich etwas zu tun habe. Weißt du, normalerweise... . Jeder Musiker sitzt zu Hause und kann nichts machen. Deswegen haben wir ja die Live-Platte gemacht. Die Live-Platte war ja auch für uns eine Corona-Action die wir zum Glück machen konnten, da wir die Aufnahmen vom Partysan-Festival hatten. Das war alles sehr spotan und ich bin froh das alle mitgezogen sind. Deswegen sind wir momentan gut beschäftigt. Jetzt kommt der Sommer und das wird hart. Normalerweise haben wir 15-20 Festivals und jetzt haben wir gar nichts. Das wird nicht einfach!" Einerseits freute ich mich für die Band, dass eine "Corona-Aktion" mit dem wirklich feinen Live-Album möglich war, andererseits musste ich Schmier, speziell bei den letzten Sätzen zustimmen. Schlussendlich sitzen alle Musiker momentan in einer misslichen Lage, doch hinsichtlich der Live-Platte bedankte ich mich bei Schmier für eine derartig coole Action und ging auf einen speziellen Moment auch der Scheibe ein. In der Ansage zu "Born to thrash" bedankt sich Schmier beim Publikum und weißt darauf hin, dass genau all jene, die gerade anwesend sind die Szene ausmachen.
Diesen Gänsehautmoment wollte ich nicht unangesprochen lassen und erzählte Schmier, dass ich der Meinung bin, dass wir gerade jetzt diese "Szene" brauchen würden. Seine Antwort lautete: "Das ist hald so, weißt du. Es nehmen sich immer alle Leute so wichtig, gerade in der Musikszene. Am Ende des Tages vergessen viele woher eigentlich alles kommt. Erstens ist das für die Bands wichtig, die Musik machen und da sind die Fans wichtig, die auf die Events kommen. Aber mittlerweile sind die Typen die für Magazine schrieben oder die Veranstalter die größeren Stars als die Band teilweise. Da muss man sich doch fragen was da los ist! Ich finde es wichtig, dass man das nicht vergisst. Ich kenne einige Rockstars, die vergessen wer ihre Rechnungen bezahlt. Vielleicht wachen die jetzt auch einmal auf. Im Endeffekt sind die Fans die Quintessenz von allem und das darf man nicht vergessen. Das ist mir gerade damals so durch den Kopf gegangen weil wir die Platte gemacht haben und davor in Tschechien auf einem geilen Festival gespielt haben. Und ja, mich hat es damals so aufgeregt, dass sich manche Journalisten so wichtig machen. Am Ende des Tages mache ich gerne Interviews und rede gerne mit Journalisten, aber es ist so, dass gewisse Magazine gibt, ich nenne keine Namen, bei denen man mit ein bisschen Posen und ein paar Bierchen eine besser Review bekommt. Sowas regt mich auf und darüber habe ich mich auch schon geäußert und wurde ignoriert oder kritisiert. Deswegen sind die Fans auch wichtig und auch, dass diese das auch wissen."
Dieser Ausführung ist wirklich nichts mehr hinzuzufügen. Bei dem Thema Journalisten ist mir eingefallen, dass ein Kollege von mir mit Schmier letztes Jahr ein Interview auf einem frischen kleinen Festival interviewn durfte. So leitete ich über zu der Frage, was Schmier von meinen Gedanken hält, dass gerade jetzt die kleinen Festivals nun möglicherweise den Nährboden für die Zukunft liefern, da Schmier im genannten Interview auf diese kleinen Feste eingegangen ist. Schmier meinte dazu: "Es gibt ja viele kleine Festivals und auch gute kleine Festivals. Die spielen wir ja regelmäßig. Man darf ja nicht vergessen wie alles angefangen hat und ich bin kein großer Freund von den riesen Events. Es ist zwar geil vor 100.000 zu spielen, aber die kleinen Festivals sind wesentlich gemütlicher. Wir haben ja überall den Massentourismus und überall ist´s voll. Jetzt haben wir Corona, jetzt dreht sich die Sache. Früher haben sich die Leute in die Disko gezwängt bis sie voll war und heute? Neue Gesetzte, neue Maßnahmen, ich bin gespannt wies weitergeht. Ich war noch nie so ein Fan von zu vollen Orten und ich finde es geil, wenn man etwas Platz hat. Wenn man gerade die kleinen, mittleren Feste anschaut ist die Atmosphäre dort besser. Die kennen sich dort meist besser aus und kommunizieren besser miteinander. Für mich als Band ist es hald geil wenn man nahe an den Fan ist, aber klar sind die großen Dinge immer ein Erlebnis. Ich glaube die kleineren Feste können nun von der Lage profitieren, weil bis die Großen wieder aufmachen wird es dauern." Mit meiner Bühnenerfahrung konnte ich Schmier hier nur beipflichten und meinte, dass es auf großen Festivals ja rein organisatorisch von der Zeit her immer so eine stressige Sache ist. Geistesgegenwärtig meinte Schmier: "Du kannst ja ein großes Festival nur mit strikten Zeitplänen etc. organisieren. Aber ich meine im Grunde ist es schön, dass wir die ersten Fortschritte machen. Gerade hier in Deutschland gibt es ab nächste Woche wieder Konzerte ab 100 Leute.In anderen Ländern habe ich schon gehört, dass größere Konzerte mit Stuhlsystem möglich werden.
|
Also ich denke die ersten Fortschritte werden gemacht und es geht hoffentlich bald wieder weiter mit Konzerten. Es gab ja auch Prognosen die gesagt haben, dass das Internet die Konzerte verdrängen wird. Das glaube ich nicht. Es wurde ja auch behauptet, das, 60% der Leute nicht auf ein Konzert gehen werden solange keine Impfung gefunden wurde. Das kann ich mir auch nicht vorstellen. Wenn man gerade wie ich in der Schweiz die Situation beobachtete merkt man, dass die Leute sehr schnell wieder zur Normalität zurück kommen. Das ist vielleicht nicht so gut, aber andererseits auch ein Faktor den wir brauchen um den Lockdown zu verkraften." Foto: Liné Hammett
Hier konnte ich als nur mit meinem psychologischen Wissen auftrumpfen und wies auf die Stressituation für viele hin. Schmier stimmte zu und fügte hinzu, dass er bei einigen Kollegen einen verstärkten Alkoholkonsum festgestellt hat und er auch weitere Probleme in der Situation bei Anderen wahrgenommen hat. Schlussendlich meinte er: "Ich denke es war grenzwertig, aber wahrscheinlich hat es sein müssen, um den großen Ausbruch zu verhindern. Allerdings können wir uns so einen zweiten Lockdown bei der zweiten Welle nicht leisten, weil das sonst wirtschaftlich schwer problematisch wird."
In dieser Meinung ziehen Schmier und ich also am selben Strang. Natürlich interessierte mich auch wie Schmier persönlich mit dem Lockdown umgegangen ist. So fragte ich nach der momentanen Probe- und Aufnahme-Lage und erhielt folgende Antwort: "Naja wir proben alle zu Hause. Unser Proberaum ist in der Schweiz, der war jetzt gelocked und unser Studio ebenso. Die letzten Wochen waren mehr "Back to the roots" und das fand ich eigentlich ganz geil. Ich bin sehr viel Fahrrad gefahren mit meiner Freundin und wir waren viel in der Natur. Die Deutschen und die Österreicher hatten ja das Glück dass sie raus durften. In Italien und Spanien war es etwas anders. Also wir hatten großen Komfort und ich glaube ich bin seit meiner Jugend nicht mehr so viel Rad gefahren. Ich hab das genutzt um in meiner schönen Ecke die Natur zu erkunden. Auch Teile des Stadtrandes und die Wälder zu erkunden wo ich noch nie war und das war auf jeden Fall eher "Back to the roots". Da habe ich viel Benzin gespart." Um das Thema wieder etwas von der Krise weg zu lenken griff ich auf eine vorbereitete Frage zurück: "Da ich ja mit dir eine Metal-Größe des deutschsprachigen Bereichs vor mir habe, wollte ich dich einmal Fragen wie du die Entwicklung des Thrashmetals in diesem Gebiet beschrieben würdest?" Die Antwort kam prompt: "Ja ich meine Thrashmetal war die erste extreme Form des Metal. Ich habe erst vor Kurzem einen Artikel gelesen, da ging es um einen Rückblick und da wurde ein Artikel von damals gezeigt, in dem wir als Hardcore-Metal beschrieben wurden. Das war noch vor dem NY-Hardcore und der Bildung des Genrebegriffs. 85 war das Wort noch da, um eine extreme Art von Metal zu beschreiben. Aus Thrash wurde Death aus Death wurde Black und daraus wurden andere Stile. Wir waren hald von Anfang an dabei und es ist schön zu sehen wenn das Andere als Einfluss sehen. Allerdings war das Highlight in den 80ern mit den Big-4 erreicht und in den 90ern war der Thrash so gut wie tot. Ich bin froh, dass die Musik um 2000 wieder auferstanden ist und es nun in den letzten 20 Jahren viele junge Bands gibt. Es gibt Länder da ist Thrash größer, z.B. In Norwegen ist Black eher vorherrschend. In Deutschland, Japan und Brasilien ist dann wieder eher der Thrash angesagt. Ich denke aber allgemein hat sich die Szene sehr verbreitet. Wir haben ja auch in Ländern gespielt, wo wir nie geglaubt hätten einmal zu spielen. Malaysia, Türkei, Tunesien. Es hat sich einiges getan, dass die Grenzen offener für Musiker geworden sind, was jetzt in der Krise wieder in Frage steht. Es ist spannend wie es weitergeht. Im Allgemeinen ist es schön zu sehen, dass es viele junge Bands gibt." Da konnte ich wieerum nur beipflichten und führte anschließend etwas genauer aus, warum mich konkret der europäische Blickwinkel auf die Entwicklung interessierte. Da wir das Interview ja im Rahmen des Live-Albums hatten, kam ich nochmal auf jenes zu sprechen und erfragte, wie jenes überhaupt entstand. Schmier antwortete: "Also das Album wurde am PartySan aufgenommen von einem Freund der ein mobiles Studio hat, welcher dort vor Ort auch andere Bands aufgenommen hat. Er hat uns als Überraschung aufgenommen und hat uns die Recordings nachher in den Dressing-Room gebracht. Wir haben uns natürlich gefreut und ihn mit reichlich Jacky-Cola entlohnt. Wir haben uns gedacht, so 2021 könnte man eine Live-Platte machen, aber durch Corona wurde die Live-Platte Realität. Gemischt wurde das Album dann von unserem Team in der Schweiz. Ich war froh das alle mitgezogen sind, denn mit dem Album hatten wir Kontakt zu den Fans und es hat uns etwas über Wasser gehalten." In mir schlug wieder der Psychologe durch und so merkte ich an, das die Aufnahmen meist besser sind, wenn die Band nicht weiß, dass aufgenommen wird. Schmier meinte: "Ja das kann ich aus Erfahrung unterstützen. Bei den Burning Witches hatten wir 2 Recordings, eines wissentlich und eines unwissentlich und Zweiteres zeigte sich als wesentlich besser. Also da kann ich die Theorie nur unterstützen."
Da die Zeit meines Slots schon dem Ende zuging und wir inhaltlich doch schon einiges aufgeworfen hatte, bedankte ich mich nach diesem freudigen Diskurs über Aufnahme und Psychologie bei Schmier und so schwatzten wir noch etwas. Somit sei das "Danke" an dieser Stelle nochmal wiederholt. Danke Schmier für dieses wirklich interessante Interview! Und den Thrash-hungrigen unter euch sei die Live-Scheibe "Born to Thrash (Live in Germany)" wärmstens ans Herz gelegt. Genaueres dazu in der => Review dazu.
|
||