Interview mit Roine Stolt | The Flower Kings 

Von Patricia Mikolasch

Der schwedische Musiker und Produzent, Gründer der Progressive Rock Band The Flower Kings, die am 31.10.2020 ihr neues Album "Islands"- ein episches Werk mit einer Gesamtlänge von 90 Minuten veröffentlichten, stand mir glücklicher Weise zu einem sehr interessanten Interview zur Verfügung.

Das ganze Werk dauert 90 Minuten und kann als ein großer, langer Song gehört werden- fast wie ein musikalischer Film. Doch auch jeder Track steht für sich. Hattet Ihr geplant en Konzeptalbum zu produzieren? Roine: "Nein, geplant war es nicht. Durch die außergewöhnlichen Umstände haben wir uns einfach noch einmal umorientiert und haben einfach angefangen zu arbeiten. Der Gedanke an ein Konzeptalbum kam erst auf als wir schon an viel Material gearbeitet hatten. Wohin die Reise gehen sollte, entschied sich sozusagen auf dem Weg, während des Prozesses."

Die Songs der Flower Kings sind teilweise recht lang, mit vielen Informationen gespickt- wie entstehen Eure Songs? Roine: "Wie die Anderen das machen kann ich nicht sagen, aber ich persönlich schreibe sehr spontan, könnte man sagen. Auch wenn ich vor allem Gitarrist bin, fühlt es sich doch natürlicher an auf dem Keyboard zu komponieren. Ich bin niemand, der in sein Büro geht, Songs schreibt und dann fertig ist, auch wenn ich diszipliniert bin. Doch der Prozess des Songschreibens folgt keinem festen Muster. Ich gehe ins Studio und fange mit einer Idee an. ich nehme sie auf, spiele damit und sehe, ob sich daraus etwas entwickelt. Ich schreibe erst die Musik und singe dann etwas ein- das kann durchaus auch sehr spontan sein. Ich stelle einfach das Mikrofon auf und singe drauf los- das kann dann auch mal von den Nachrichten, die ich zuvor gesehen habe, inspiriert sein oder von etwas anderem. Das ganze Songwriting ist für mich ein sehr spontaner Prozess".

Das klingt als sei alles im Fluss, den unmittelbar vorherrschenden Umständen geschuldet. Was ist der Kern Eurer Musik? Roine: "Ich denke alles kommt von einem Ort, über den ich nichts weiß- wer kann schon sagen, wo Musik herkommt? Man kann es wohl Intuition nennen oder Fantasie. Wir vertrauen eben auf das, was herauskommt. Es ist fast wie träumen- da kann man auch nicht sagen woher das kommt. Ich glaube Musik ist eine Sammlung von Gedanken und Träumen, mit Einflüssen aus der Musik, die man hört, Bilder von Dingen, die man erlebt. Es kann alles sein und von überall herkommen; von Reisen, aus der Natur, von der politischen Entwicklung geprägt... Also für mich ist es sehr schwer den Motor, meinen Antrieb, die Motivation dahinter zu beschreiben."

Mit diesem schönen Bild in meinem Kopf drängt es mich mehr zu erfahren. Was kann Dir Progressive Rock im Gegensatz zu anderen Musikstilen bieten? Roine: "Ich würde sagen in aller erster Linie: Freiheit. Im Prog Rock sind keine Grenzen gesetzt wie, auf welche Weise, mit welchen Mitteln du dich ausdrückst. Progressive Rock funktioniert nicht nach- nennen wir es- klassischen Regeln: Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, Bridge, Refrain, Refrain, wie die meisten Popstücke, die für´s Radio tauglich sind. Versteh mich nicht falsch- es gibt viele Popsongs, die ich sehr gut finde, ich bin auch ein Fan dieser Art der Musik, aber für mich funktioniert Musik nicht so. Im Prog Rock sind die Türen und Fenster geöffnet- die Inspiration kann von überall kommen. Ich glaube, das begann Mitte der 60er Jahre- was vorher eine Formel war, wurde nun geöffnet für alle möglichen Instrumente und Styles. The Flower Kings orientieren sich schon an der Formel, aber wir entwickeln sie immer weiter; was zum Beispiel schon immer großen Einfluss auf unsere Musik hatte, ist schwedischer Folk."

 


 

Was brachte Dich zur Musik? Roine: "Es war mein erstes Live Konzert mit 13 Jahren. Ich war vorher schon vor den Hallen gewesen, durfte aber nicht rein, weil ich zu jung war. Mit 13 besuchte ich also mein erstes Live Konzert von einem Trio, das sich Made In Sweden nannte- das waren unglaublich gute Musiker. Was mich aber in erster Linie vollkommen umgehauen hat, war die Lautstärke! Es war, trotz fehlender Schlagzeugmikrofonierung, so unfassbar laut, dass ich fühlte wie meine Ohren rot wurden! Danach war für mich klar, dass ich Musik machen wollte. Ich gründete dann eine Band mit Schulfreunden, mit der wir Crimsonsongs spielten..."

Du bist schon so lange im Musik Business tätig- gab es einen Punkt, an dem Musik eher zu einer Belastung wurde? Roine: "Nein, absolut nicht. Ich mache immer wieder etwas anderes, zum Beispiel andere Bands produzieren, andere Musikstile spielen, aber was ich mache hatte und hat immer mit Musik zu tun. Ich war glücklicher Weise in der Lage meine Zeit gut zwischen Musik und Familie aufteilen zu können. Meine Frau und ich lernten uns kennen als ich schon gut im Geschäft war, sie wusste also auf was sie sich einlässt und war glücklicher Weise immer sehr verständnisvoll. Aber natürlich kann es auch anders laufen- ich hatte Glück. In einer Band zu sein, mit Musik zu leben kann sehr schön und sehr anstrengend sein. Es ist wie Himmel und Hölle."

Himmel und Hölle- welch passendes Bild, denke ich mir und muss nun meine letzte Frage stellen. Was ist für Dich das Interessanteste an der Arbeit mit The Flower Kings? Roine: "Die Zukunft. Das, was noch kommt. Wir haben zum Beispiel seit letztem Frühjahr an "Islands" gearbeitet, können es aber aufgrund der aktuellen Situation nicht so promoten, wie wir das normalerweise tun würden, also haben wir angefangen über ein neues Album zu sprechen. Es geht um das, was als nächstes kommt und wie wir das kommende noch besser machen können. Jedes Mal klingt es anders, wir wollen nicht auf jedem Album gleich klingen. Trotzdem gibt es Sounds, die meiner Meinung nach gleich bleiben sollen- so etwas wie ein "Erkennungssound". Aber das kann man auch nicht inszenieren- Wir vertrauen einfach der Band, der Art wie sie spielt und darauf, dass sie The Flower Kings so klingen lässt, wie The Flower Kings klingen müssen."

Leider ist die Zeit dann wieder rum und ich bedanke mich herzlich bei Roine Stolt für das tolle Interview, das mich zum Nachdenken anregt und lasse das Interview mit seinem tollen letzten Satz ausklingen.

Wer noch mehr über das neue Album wissen möchte, darf gerne --> hier weiterlesen.