Interview mit Chris Werner von KUULT

Von Christian Habeck

Im Zuge der "Riesig Stark"- Tour machten Kuult nach dem Auftakt-Konzert in Hamburg am Folgetag Halt im TOWER Musikclub in Bremen. Hier hatte ich gut zwei Stunden vor dem Konzert die Möglichkeit die Band kurz kennenzulernen und dem Frontmann Chris Werner im Rahmen eines Interviews ein paar Fragen zu stellen.

Liest man den Bandnamen das erste Mal, dann fallen sofort die beiden Us im Namen auf. Daher zielte meine erste Frage gleich direkt auf den Namen ab und ich erklärte, dass ich mit einer Frage beginnen möchte, die sie wahrscheinlich schon hunderte Male gestellt bekommen haben. Leider habe ich bislang nirgends eine Antwort darauf gefunden. Daher lautete auch von mir die Frage: Woher stammt der Band-Name und was verbirgt sich hinter „Kuult“ und warum mit zwei U? 

Chris: Das ist auch ein Marketing-Trick. Wenn man uns googelt und doppelt U eintippt, dass dann nichts anderes erscheint. Sonst erscheinen irgendwelche Modelabel und andere Dinge. Und so haben wir das als Alleinstellungsmerkmal. So haben wir das vereinfacht und sichergestellt, dass man uns sehr leicht finden kann. Und der Name Kuult – nun das ist Ruhrpottsprache – wir kommen schließlich aus dem Ruhrpott.

Spontan fällt mir die Frage ein: Seid ihr schon Kult?

Chris: Ich glaube wir sind auf einem ganz guten Weg. Mittlerweile sind wir als Band im zehnten Jahr und gerade bei uns in der Heimat sind wir schon recht bekannt. Aber auch hier im Norden sind wir schon ziemlich groß geworden.

Das brachte mich zur nächsten Frage. Denn auffällig war, dass der Großteil der Konzerte eher im Norden angesiedelt ist: Gestern hattet ihr den Tourstart in Hamburg. Auch die anderen Konzerte finden größtenteils im Norden statt. Gelesen hatte ich, dass ihr im Süden noch nicht so populär seid...

Hier ergriff Chris gleich das Wort: Doch doch, auch im Süden funktioniert das. Ehrlich gesagt haben wir wenig Lücken auf der Karte. Aber natürlich liegt unser Fokus auf den Medienstädten wie dem Ruhrgebiet, Hamburg und Berlin. Aber auch der Süden und Osten ziehen nach und werden nicht vernachlässigt. Selbst Städte, in denen man vermuten könnte, dass es hier eine Band aus dem Ruhrpott schwieriger haben könnte, laufen gut. Gerade im Norden hören die Menschen sehr gut zu. Wo wir bei uns einen großen Vorteil sehen ist die Tatsache, dass wir Leute auf unseren Konzerten begeistern. In aller Regel kommen diese wieder zu einem Konzert und bringen Menschen mit, die uns bis dahin noch nicht kannten. Und so sieht man sehr gut, dass die Besucherzahl der Konzerte von Mal zu Mal wächst. Und das ist schon geil.

Ihr spielt schon seit Jahren auf Juist...hat das einen Grund?

Chris: Ja, wir sind quasi adoptiert. Es hat von Anfang an gepasst. Wir haben uns auf dem Festival von Anfang an sauwohl gefühlt. Zu Beginn wohnten wir noch in der Jugendherberge und spielten einen kleinen Teil-Act und mittlerweile werden wir sogar vom Bürgermeister angekündigt. Für uns ist Juist immer eine Art Miniurlaub und wir spielen dort noch immer total gern. Selbst wenn wir nur ein oder zwei Konzerte spielen, bleiben wir meist drei ganze Tage dort und genießen die Stimmung. Tatsächlich ist Juist ein Highlight für uns und wir freuen uns das ganze Jahr darauf.

Ich möchte trotzdem noch einmal nachfragen: Warum finden so viele Konzerte im Norden statt?

Chris: Ich denke, die Menschen im Norden hören sehr gut zu. Generell ist Norddeutschland sehr textaffin und mögen gern deutschsprachige Musik. Bei ruhigen Stücken hören sie zu, feiern bei flotten Stücken aber ordentlich mitfeiern. Von norddeutscher Kühle ist bei uns auf den Konzerten nichts zu spüren. Nur allein gestern beim Tourauftakt: Die Leute waren von Beginn an da, waren laut. Ich persönlich kann das Klischee der kühlen Norddeutschen auf jeden Fall nicht bestätigen.

Wir sprachen gerade darüber, dass die Fans sehr textsicher sind und zuhören. Viele, gerade jüngere Künstler, gehen oft den englischsprachigen Weg um mehr Menschen erreichen zu können. Wäre das eine Option für Euch?

Chris: Nein, nur allein dadurch, dass wir alle Songs selbst schreiben. Ich spreche zwar sehr gut Englisch und noch ein paar weitere Fremdsprachen, aber wir können uns am besten auf Deutsch ausdrücken. Obwohl wir alle sehr gut englisch sprechen, würde mir glaube ich etwas fehlen. Ich denke, dass es einem als Nicht-Muttersprachler schwerfallen würde, wenn man bei einigen Themen weiter ins Detail gehen möchte. Dinge auf deutsch auszudrücken ist viel detaillierter und schöner für uns.

Thema Social Media – Sind YouTube und Instagram Medien, die ihr oft und viel für Euch nutzt?

Chris: Da bin ich ganz ehrlich – ich persönlich bin sehr social media faul. Ich nutze ab und an Instagram. Mir ist bewusst, dass man da mehr machen könnte, aber wir machen in erster Linie Musik und nicht Social Media. Und wir sind nicht die Typen, die etwas posten, nur weil man etwas posten muss. Wenn es aktuell nichts zur Musik sagen kann, dann posten wir auch nichts und halten einfach die Klappe. Wir müssen nicht unbedingt jeden Tag etwas posten. Spotify muss man jedoch bedienen. Das ist die moderne Art wie Musik heute konsumiert wird. Immer weniger Leute hören klassisches Radio, sondern nutzen Streamingdienste wie Spotify. Kaum steigt man ins Auto, schon verbindet sich das Smartphone mit dem Autoradio. Also muss man auf Spotify vertreten sein. Leider fehlt hier die Rückmeldung wie es bei YouTube der Fall ist.

Nach längerer Corona-Zwangspause geht es auch für Euch wieder auf Tour. Schon 2014 wurdet ihr mit dem ersten Platz für die beste Liveband des Abends ausgezeichnet. Selbst begreift ihr euch als stark tourender Liveact. Was bedeutet es Euch, endlich wieder Live und vor Fans spielen zu dürfen?

Chris: Tatsache ist, dass es genau das ist, worum es uns geht – einfach Musik machen. Zu Beginn der Pandemie haben wir es mit Streaming Konzerten versucht. Wir haben sogar mal ein Autokino-Konzert gespielt, was aber ganz ganz befremdlich gewesen ist, weil man keine Menschen sehen und beim Spielen nicht anschauen konnte. Man wusste zwar: Ok, da sitzen jetzt Menschen in ihren Autos und hören dir zu und sie konnten vielleicht mal den Blinker anmachen....aber du hast den Kontakt nicht. Wir sind Live-Musiker und wir brauchen den Kontakt zum Publikum. Wenn ich beispielsweise singe, dann möchte ich gern den Menschen ins Gesicht schauen und die Reaktionen sehen können. Daher war die Zwangspause für uns ganz schön schrecklich.

Wir sind seid über 10 Jahren hauptberufliche Musiker und stehst dann diesem Ohnmachtsgefühl gegenüber. Dazu immer die Ungewissheit nicht zu wissen, wie und wann es irgendwann weitergehen wird. Oder geht es überhaupt weiter? Denn ganz, ganz viele andere Bands unserer Größenordnung haben es nicht geschafft unbeschadet durch diese Zeit zu kommen. Sie haben sich aufgelöst und es gibt sie einfach nicht mehr. Und es gibt viele, die wir auf unserem Weg kennengerlernt haben, die die Segel streichen mussten. Zusammenfassend kann ich sagen, dass wir vergleichsweise gut durch diese Zeit gekommen sind.

 

Auch wenn ihr gut durch diese Zeit gekommen seid. Wie schaut es beim Publikum aus? Kommen weniger Leute zum Konzert?

Chris: Ja, auf jeden Fall. Das muss ich schon sagen. Auch hier können wir uns glücklich schätzen, dass wir das nicht so krass wie andere merken. Bei uns ist es noch eher human. Aber auch wir merken es deutlich. Es liegt vielleicht daran, dass die Leute noch immer Angst haben, vielleicht aber auch daran, dass sie aktuell weniger Geld Für Konzertkarten zur Verfügung haben. Aber sicherlich spielt es auch eine Rolle, dass sich die Leute, die früher zu Konzerten gegangen sind, während der Corona-Zeit neue Hobbies gesucht haben. Es ist schwer, die Leute erst einmal wieder zu den Konzerten zu bekommen. Aber diese Aufbauarbeit fängt jetzt gerade erst wieder an.

Fotocredit: Babilon Records

"Riesig Stark“ lautet nicht nur der Name der Tour, sondern auch des demnächst erscheinenden Albums. Nur allein die Wortwahl des Namens deutet Großes an. Die Auskopplung „2023“ klingt vielversprechend und erntet großes Lob. Was können die Fans vom neuen Album erwarten?

Chris: Die Worte "Riesig Stark" stammen von meinem Papa und bezeichnen den Rahmen der zurückliegenden Zeit. Private Dinge, der Lockdown, gebrochene Herzen. Das Intro des Albums ist übrigens eine echte WhatsApp Sprachnachricht von meinem Papa. Das Album ist mit 17 Stücken viel größer als sonst, natürlich auch, weil mehr Zeit war. Der Release steht noch nicht fest, aber auf der Tour werden wir das komplette Album spielen. Es gibt auf diesem Album auch keinen Song, der nicht etwas Besonderes ist. Das klingt vielleicht blöd, stimmt aber. Zwar ist unsere Musik immer ehrlich, aber dieses Album wird das Ehrlichste überhaupt. Die Art der Ehrlichkeit dieses Albums ist eben anders. Ich glaube das merkt man in jedem Song.

Auch sprachlich haben wir uns weiterentwickelt, sind reifer geworden, sodass ich denke, dass die Texte nochmal wieder ein Level weiter höher sind. Man merkt, dass wir uns weiterentwickelt haben und natürlich sind wir zehn Jahre älter geworden. Entsprechend haben sich auch die Themen verändert. Insgesamt denke ich, dass wir ein sehr sehr cooles viertes Album gemacht haben.

Woher stammten die Ideen für das neue Album? Was hat euch dazu bewogen und wer oder was hat Euch beeinflusst? Habt ihr musikalische Vorbilder?

Chris: Tatsächlich gibt es die nicht. Ich glaube nach links und rechts zu schauen nimmt einem die Freiheit etwas Eigenes zu schaffen. Und je weniger man versucht zur Seite zu schauen, umso schöner kann man klingen und einzigartiger zu sein. Wir wollen außerdem niemanden kopieren – wir sind lieber das Original, das andere versuchen zu kopieren.

Welche Art Musik hörst Du privat?

Sehr unterschiedlich. Ich hasse es, wenn Leute sagen „Alles“. Denn das stimmt so auch nicht. Ich höre echt viel HipHop mit guten Texten. Auch RAP. Rhythm and Poetry – denn genau daher kommt ja das Poetische in der Musik. Eben klassischer Sprachgesang. Ich bin nicht der krasse elektronische Fan. Gern mal 30 Sekunden, aber nicht zu lang. Gern auch mal Rock, Schlager hingegen nicht so sehr. Ich höre auch Klassik.

Ich habe in einem Artikel gelesen, dass es Euch egal ist, ob ihr in einer Halle vor 10.000 Fans oder in einem Club vor 1.000 Zuhörenden spielt. Habt Ihr dennoch einen Traum oder eine Wunsch-Location in der Ihr gern einmal auftreten würdet?

Natürlich ist es uns egal wo wir spielen und wieviele Leute kommen. Denn die Leute die kommen, kommen um deine Musik zu hören. Völlig egal ob hundert oder tausend Leute kommen. Jeder der dir das Gefühl gibt, dass du deine Musik präsentieren darfst, hat das gleiche Recht auf eine gleich gute Show. Während Corona zum Beispiel gab es vor der Location irgendwo im Süden ein Corona Testzentrum. Eigentlich war der Laden ausverkauft. Nachdem der Support-Act gespielt hatte und zu uns kam und wir ihn fragten, wie es gelaufen ist, sagte er: Es ist niemand da. Da waren vielleicht 20 Leute. Wir haben gesagt – Scheiss drauf. Da haben wir die Bühne abgebaut und haben mit der Akkustik-Gitarre Lagerfeuermusik gespielt. Wir haben mit den Leuten zwei Stunden im Kreis gesessen und gemeinsam gesungen. Unterm Strich war es ein ganz besonderer Abend. Und das sollte nur ein Beispiel sein, wie egal es uns ist, vor wievielen Leuten wir spielen. Wir sehen es als ein krasses Privileg an, dass wir Musik spielen dürfen und davon leben können.

Was möchtet Ihr mit Eurer Musik und speziell mit den Songs des neuen Albums bei Euren Fans erreichen / auslösen?

Chris: Das ist nach Corona noch intensiver geworden. Was meinst Du wie es ist, wenn Leute nach dem Konzert an den Merch-Stand kommen und sagen: Hey, Du hast mir echt den Arsch gerettet oder noch krasser und die Leute dann vor dir stehen mit Tränen in den Augen. Man ist noch sensibler geworden dafür und nimmt das noch deutlicher wahr. Es ist schon krass, wenn man so ein Feedback bekommt, aber man setzt sich nicht hin und schreibt Texte, damit das passiert. Dementsprechend wollen wir nichts Konkretes erreichen.

Gab es in der Vergangenheit mal eine Situation, in der der Funke zum Publikum überhaupt nicht übergesprungen ist und ihr das Publikum gar nicht erreicht habt?

Chris: Ja, gab es eine Situation auf Juist. Das war krass. In einer Kooperation mit einem PayTV Sender sollten wir in einem VIP Zelt spielen. Wir dachten, dass wäre öffentlich und Fans wären mitgekommen und vielleicht vor dem Zelt stehen. Aber in diesem Zelt saß ein älterer Herr, der gerade eine Erbsensuppe gegessen hat. Und dann auch noch gefragt hat, ob wir nicht leiser spielen könnten. Das war zwar im Nachhinein auch irgendwie ganz schön witzig, aber in dieser Situation schon ganz schon eigenartig. Wenn man aber ansonsten auf eigenen Konzerten spielt, bei denen die Fans einen kennen, dann passiert sowas nicht. Selbst wann man auf Festivals oder Stadtfesten oder so spielt, dann stehen meist Leute in der ersten Reihe, die dann gleich mitmachen. Und dann dauert es nicht lange, bis dann alle mitmachen. Spätestens nach den ersten zwei, drei Songs. Selbst, wenn sie die Songs nicht kennen.

Da das Konzert nun bald beginnt, beende ich nun das Interview und bedanke mich für die Offenheit und freue mich nun noch mehr auf die Show. Den Konzertbericht und die Bilder gibt es --> hier,