Interview mit Jeff Becerra von POSSESSED

Von Gregor Eder

Am 10.05.2019, direkt am Release-Tag des neuen Albums namens „Revelations of Oblivion“ der Band POSSESSED, wurde mir die Ehre zu Teil den Sänger jener Band, Jeff Becerra, interviewen zu dürfen. Wie ein kleines Kind wartet ich nervös vor dem Laptop bis meine Zeit gekommen war und ich Jeff über Skype kontaktieren durfte. Nach einer kurzen Vorstellung meinerseits und der Bekundung: „ich bin ein kleiner Fanboy, bitte nicht schrecken vor meiner überbordenden Freude“ ging ich direkt mit der ersten Frage ran: „Wie ist es nach so vielen Jahren wieder mit einem Album zurück zu sein?“

Es ist wirklich eine erfüllende und bestätigende Arbeit und es ist einfach gut zurück zu sein und etwas Frisches für unsere Supporter und Freunde anbieten zu können. Das neue Album bedeutet uns wirklich viel und wir hoffen das es den Leuten gefällt.“ meinte Jeff.

Natürlich konnte ich bei dieser hoffnungsvollen Äußerung nur kund tun, dass ich sehr angetan von dem Album bin und es zwischen Belphegor und Slayer täglich in meinem Auto läuft, woraufhin Jeff meinte: „Wir haben die ersten 2 US-Touren mit Slayer gespielt, daher ist klar das sie einen Platz tief in meinem Herzen haben!“ Dem konnte ich wiederum nur zustimmen und ebenso meine Liebe zu Slayer darlegen.  

Da ihr sicherlich einige Aussagen von Jeff über das neue Album in den restlichen Metal-Medien lesen könnt, nutzte ich die Zeit um einen der Begründer des Death-Metal Genres über den Ausgangspunkt dieser Musik in den 80er Jahren in California auszufragen. So stellte ich die Frage: „Da ich ja mit dir einen sehr wichtigen Akteur in der damaligen Szene vor mir habe, möchte ich gerne wissen wie die kalifornische Szene in den 80ern ausgesehen hat. Du hast doch sicherlich einige Bands heranwachsen sehen und mit ihnen getourt. Was würdest du sagen waren so die wichtigsten Plätze und Locations zu dieser Zeit?

Jeff lies nicht lange auf eine Antwort warten: „Exodus waren natürlich zu dieser Zeit eine Größe in der Szene und wir natürlich auch, wobei wir eher zu den kleineren Clubs tendierten. Das Ruthies Inn in Berkley war unsere Hauptlocation, aber auch das Mabuhay Gardens, das Rock on Broadway oder das Berkley Square. Aber das Ruthies Inn war ein typischer Platz an dem sich mehrere Bands getroffen haben und ihre Zeit verbrachten.

Nachdem ich nun einige Plätze die bei einem California-Trip sehr interessant wären dargelegt bekommen hatte, ging ich noch historischer an die Sache und fragte Jeff: „ Da ich musikhistorisch sehr interessiert bin würde mich deine Meinung zu den damaligen Krieg zwischen Glam und Thrash Metallern interessieren. Würdest du sagen die heutigen Dokumentationen zeigen gut was damals so abging oder stilisieren jene stark?

Also ich habe mir nie wirklich großartig Gedanken über die Glam-Szene gemacht. Für uns war das irgendwie „Sudo-Music“ oder eher eine Punchline eines Witzes. Ich will keinen Musiker diskreditieren, doch damals waren wir so eingestellt. Die Bay-Area war die Bay-Area und wir haben L.A. nie als wirkliches Metal-Territorium gesehen. Wir hassten L.A. und die Glam-Metaller verfickt nochmal und uns interessierten eher der aufkommende Black und Thrash Metal, sowie der vor Ort gängige Punk. Es fühlte sich wie eine Revolution an. Wir spielten jedes Wochenende und falls nicht waren wir bei den Konzerten unserer Kollegen. Es war einfach wie eine große Bruderschaft und ich glaube wir haben in San Francisco die Tore für dieses Genre geöffnet. Wir hatten eigentlich keinen Respekt für die Leute aus L.A. bis Slayer kam. Eines Tages meinte Gary Holt zu mir:“ Hey, du musst dir diese Band dieses Wochenende im Ruthies geben. Sie heißen Slayer und sind aus L.A. .“ Schlussendlich waren damals so gut wie Alle bei dieser Show, Exodus, Metallica, all die damaligen Bands. Ab diesem Zeitpunkt öffnete sich sozusagen die Tür in Richtung L.A. und die von dort stammenden Bands kamen um zu spielen. Es schien wie eine komplett neue Welt.“ erklärte Jeff.

Beeindruckt von dieser Geschichtsstunde schoss mir direkt die nächste Frage in den Kopf und schlussendlich auch aus meinem Mund: „Die Bay-Area war ja nicht nur für ihren Metal sondern auch für den dort vorherrschenden Punk bekannt. Würdest du sagen, dass diese Szene auch ihren Einfluss auf dich hatte?

Natürlich!“ schoss Jeff los. „Ich meine wir liebten die Dead Kennedys, T.S.O.L., später auch Discharge, Agent Orange und so weiter. Ich liebe alle San Francisco Underground Bands. Viele der Sänger hatten so einen primitiven Schrei der so kathartisch war und so real und spirituell frei und das hat mir viel gegeben, sowie mich beeinflusst. Was wir extremen Leute, die immer nach etwas Heftigerem gesucht haben, als Straße zur Satisfaktion sahen war der Hardcore-Punk.

 

Wir waren natürlich als Metalheads mit unseren langen Haaren gut erkennbar und auch immer sehr willkommen. Der heftigere Krieg herrschte zwischen den Nazi-Punks und den Langhaarigen, daraus lernten wir unsere Kampf-Skills. Ich spreche hier nicht von „Sudo-Kämpfen“ sondern von echten Faustkämpfen. Damals gab es von Morden bis zu Schwerverletzungen so gut wie Alles. Es war eine wirklich brutale Zeit in welcher wir für unsere Rechte gekämpft haben.“ legte Jeff dar.

Da mir Jeff hiermit einen interessanten Ausschnitt amerikanischer Musikgeschichte bot, erwiderte ich mit einer kleinen Erzählung aus der österreichischen Punkszene in welcher ich mich eine Zeit herumgetrieben habe und wir einigten uns darauf, dass der Einfluss des Punks auf extreme Musik oft unterschätzt wird. Nach dieser Geschichtsstunde rutschte der Fokus wieder auf das Album und ich verfiel in einen Schwall von Komplimenten und meinte: „Das ist meine Musik, das ist Musik die ich hören, aber auch selbst spielen will! Mir fehlen eigentlich die Worte um das Album zu beschreiben.

Darauf meinte Jeff nur: „Toll! Das ist genau das was wir wollen. Es fühlte sich sehr gut an das Album zu schreiben und wir haben unser Herz in das Album gelegt und es bedeutet mir viel so gutes Feedback zu hören. Die Aufgabe war die Old-School-Fans zu befriedigen aber auch neue Türen zu öffnen und wir wollten etwas Neues interessantes für die Leute die uns supporten produzieren.“ Dies ist POSSESSED auf jeden Fall gelungen und nachdem ich dies festgestellt hatte, war es an der Zeit einmal nach dem Produktionshergang zu fragen.

Jeff erklärte: „Ich habe einige Songs geschrieben, aber wir haben auch miteinander einige Tracks geschrieben, aber z.B. Dan hat „No Room in Hell“ geschrieben und ich den Text. Dan hat beispielweise „Ritual“ mit mir geschrieben, genauso wie „Dominion“. Teilweise habe ich die Riffs geschrieben und Dan hat sie zusammengeflickt. Dann wurden die Drums vorerst digital zusammengestellt und nachher mit den Richtigen ersetzt. Ich hatte mein eigenes kleines Studio in welchem ich die Vocal-Lines erledigen konnte. Das so entstandene Demo-Tape war dann die Grundlage auf welchem das Album aufgenommen wurde. Es war schon ein schwerer aber kathartischer Prozess dieses Album zu schreiben. Vor allem ist es schwer einen Song wirklich zu finalisieren, da man immer noch das Bedürfnis hat etwas zu verändern oder zu verbessern. Das ist wohl der schwerste Part, ein konkretes Ende zu finden.“

Nachdem mir Jeff einen derartigen Einblick in sein Leben, sowie die Geschichte der Band gegeben hatte, war es an der Zeit auch etwas über meine Band zu erzählen. Als wir zum Thema Songlänge kamen und ich meinte, dass ich mit meiner Band gerne sehr lange Tracks spiele, welche die Crowd hier und da etwas verstören meinte Jeff: „Wir haben auch einen 7 Minuten Track. Solche Tracks nenne ich gerne Anti-Radio-Songs“. Bei dieser Aussage kam mir einerseits ein leichtes Lachen aus, andererseits realisierte ich, dass einige Nummern meiner Band definitiv nie über Radio hörbar sein werden.

Da sich unsere Zeit schon dem Ende näherte erklärte ich Jeff noch, dass ich des öfteren den Satz: „Ich komm nicht in die Hölle, da ist ja e` kein Platz“ von mir gebe und ich daher schwer lachen musste als ich den Track „No Room in Hell“ sah und hörte. Jeff meinte daraufhin nur, dass Satan ja eigentlich nur zur Erde gefallen war und erst in der Offenbarung in die Hölle geschickt wurde. Dem konnte ich nur zustimmen und nach einer etwas längeren Verabschiedung und unzähligen gegenseitigen Bedankungen beendeten wir unser wirklich durchwegs erfreuliches Gespräch.

Somit möchte ich mich nochmal bei Jeff Becerra für das wirklich feine Gespräch und seine Offenheit bedanken und freue mich schon auf ein Treffen bei einem Konzert! An Alle Leser möchte ich noch das Wort richten und das neue Album der Band „Revelations of Oblivion“ (--> Rezension) wärmsten empfehlen. Ein ehrlich produziertes Album mit Herz und Seele!