Hamburg, 24.11.2024 – Es ist kurz nach 22 Uhr, als Beth Hart den Titelsong ihres neuen Albums „You Still Got Me“ anstimmt – und nach bereits zwei Stunden intensiven Auftritts ist dieser Song noch lange nicht die Zugabe. Die 52-jährige Bluesrock-Sängerin aus Kalifornien haut mit ihren Fingern in die Tasten, und während sie sich durch die Emotionen ihrer Lieder wühlt, schreit, singt und faucht sie sich durch die Songs.
Beth Hart, die ihre Karriere in den frühen 2000er Jahren mit ihren kraftvollen Blues-Rock-Songs begann, lässt sich nicht mit den üblichen Vergleichen abspeisen – obwohl die Anklänge an Janis Joplin in ihrer Stimme und ihrer Bühnenpräsenz unüberhörbar sind. Wo andere Künstler oft in der Gefahr stehen, in den Schatten von Legenden zu treten, ist Beth Hart keine bloße Nachfolgerin. Sie trägt das Erbe der Rockikone vielmehr mit ihrer eigenen, unverwechselbaren Energie weiter. Tatsächlich spielte sie einst die Hauptrolle im Musical „Love Janis„, was die Parallelen zu der legendären Sängerin nur noch verstärkte. Ihre Musik ist ebenso von persönlicher Dringlichkeit geprägt, ihre Ausstrahlung intensiv und elektrisierend.
In Hamburg nimmt Beth Hart die Besucher in der leider recht spärlich besetzten Barclays Arena mit auf eine emotionale Reise, die auch die düsteren Seiten ihres Lebens anspricht. Wie Janis Joplin kämpfte auch Hart über Jahre hinweg mit Drogenabhängigkeit und einer bipolaren Störung. Doch diese Erfahrungen, die sie nie verbarg, machen ihre Musik authentisch und tiefgründig. Bei diesem Konzert in Hamburg lässt sie die Wunden ihrer Vergangenheit auf der Bühne aufblitzen – mit ihren berührenden autobiografischen Balladen, die sie in voller Emotionalität und Intensität präsentiert.
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Die spürbare Nähe zu ihrem Publikum ist Beth Hart besonders wichtig. Das Konzert wirkt alles andere als durchchoreografiert. In gewohnter Manier zieht sie es vor, nicht in einem festgelegten Plan zu agieren – kein Abend ist wie der andere. So ist es auch kein Wunder, dass sie im Laufe des Abends immer wieder kleine, spontane Momente in ihre Darbietung einfließen lässt. Besonders berührend wird es, als sie ihrem Ehemann, der sie auf der Bühne unterstützt und ihr ein Getränk reicht, in herzlichen Worten „mein Mann“ vorstellt. Sie widmet ihm mehrere Lieder und spricht offen darüber, dass er ihr die Kraft gegeben habe, den Kampf gegen ihre Dämonen zu gewinnen.
beth hart begeistert mit ehrlichkeit und offenheit
Begleitet wird sie von einer exzellenten Band – Gitarrist Jon Nichols, Drummer Bill Ransom und Bassist Tom Lilly sorgen für einen musikalischen Teppich, der die Stimme der Sängerin perfekt untermalt. Während die Arena mit etwas über 4.000 Besuchern und einem teilweise leer gebliebenen Unterrang, der Oberrang war komplett geschlossen, eine eher intime Atmosphäre bewahrt, lässt sich Beth Hart nicht irritieren. Barfuß, mit einer spürbaren Leichtigkeit und einem fast unbändigen Energielevel tänzelt sie durch den bestuhlten Innenraum und zeigt, wie viel Freude es ihr macht, mit dieser Band auf Tour zu gehen.
Besonders eindrucksvoll wird der Moment vor der zweiten Zugabe, als sie sich an ihr Publikum wendet und mit einer ergreifenden Ansprache allen, die mit persönlichen Krisen kämpfen, Mut zuspricht. Angst sei der falsche Weg, betont sie, und gibt in einer unaufdringlichen, aber kraftvollen Art einen eindringlichen Rat: „Sei ganz Du selbst, denn das ist es, was ich sehen will.“ Ein Versprechen von Authentizität, das in ihren eigenen Liedern lebendig wird, und das in einem Song wie „Wonderful World“ zum Höhepunkt führt.
Mit diesem Konzert hat Beth Hart einmal mehr ihre Fähigkeit bewiesen, ihre innere Verletzlichkeit in eine unglaublich starke Bühnenpräsenz zu verwandeln. In Hamburg hat sie das Publikum nicht nur mit ihrer Musik, sondern auch mit ihrer Ehrlichkeit und Offenheit begeistert – ein eindrucksvolles Erlebnis, das noch lange nachhallt.