Musical-Premiere „& Julia“ in Hamburg

Wolfgang Karg

Hamburg, 30.10.2024 – Die berühmte Shakespeare-Liebesgeschichte wird in Hamburg modern neu erzählt, begleitet von vielen internationalen Welthits. Am Broadway war das Musical erfolgreich, nun soll es das verwöhnte Publikum in Norddeutschland begeistern. Das Musical „& Julia“ hatte Premiere im Stage-Operettenhaus auf der Reeperbahn, wo zuvor „Tanz der Vampire“ aufgeführt wurde.

gibt es ein Leben nach Romeo?

Das preisgekrönte Musical (im Orginal & JULIET) wurde 2019 erstmals im Londoner West End gezeigt. Seit November 2022 läuft es auch am Broadway im New Yorker Stephen Sondheim vor ausverkauftem Haus. Das ebenso clevere wie humorvolle Musical hat einige Erfolge zu verzeichnen: Das Musical wurde mit drei Olivier Awards, neun Tony Awards® und sechs WhatsOnStage Awards ausgezeichnet.

© Nordevents

In Deutschland wird die erste nicht-englische Inszenierung gezeigt, nachdem es bereits in England, Kanada, Australien und Singapur aufgeführt wurde. Die Lieder sind englisch geblieben, die Dialoge wurden ins Deutsche übersetzt.

Das Musical dreht sich um zwischenmenschliche Beziehungen. So gehe es neben Romeo und Julia auch um Shakespeare und seine Frau Anne. Wir schreiben das Jahr 1595. William Shakespeare hat gerade seine tragische Liebesgeschichte „Romeo und Julia“ fertiggestellt und seine Frau ist nicht zufrieden, mit den Kindern immer alleine zu sein, um ihrem Mann beim Schreiben unter die Arme zu greifen. Und mit dem Ende der Story ist sie sowieso nicht zufrieden. Sie schreibt das Drama kurzerhand um, weil sie sich mit seinem Ende überhaupt nicht anfreunden kann und fragt: „Wie würde das Stück weitergehen, wenn Julia sich entscheiden würde zu leben?“. Das Ende von Shakespeares „Romeo und Julia“ ist sozusagen der Anfang des neuen Musicals: Beide spielen den möglichen Verlauf des neuen Dramas als eine Art Work in Progress durch. Die Handlung springt zwischen dem gerade verfassten neuen Drama und dem Disput der Eheleute hin und her. Und Julia bekommt eine zweite Chance – zu ihren Bedingungen. Warum auch, schließlich ist sie sehr jung (13 Jahre) und kannte Romeo (14 Jahre) gerade erst einmal vier Tage.

Auf Romeos Beerdigung erfährt Julia von dessen vielen anderen Beziehungen, neben der ihrigen. Eine Gespielin nach der Anderen taucht am Grab auf und tanzt leidend auf Romeos Grab. Als Julias Eltern indes von ihrer verbotenen Beziehung erfahren, beschließen diese, sie ins Kloster zu schicken. Um nach Romeos Tod das Drama in Verona hinter sich zu lassen, flieht Julia mit ihrem queeren besten Freund May und ihrer Amme nach Paris. Hier erlebt sie neue Abenteuer, ist mit Herausforderungen konfrontiert und gewinnt das Selbstvertrauen, um ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.


16. Jahrhundert trifft auf Pop-Kultur

Begleitet von Welthits der Popmusik zeigt das Musical eine völlig neue Interpretation von Shakespeares großem Liebesdrama. Die bunte Musical-Komödie feiert mit 24 Nummer-Eins-Hits des schwedischen Musikproduzenten und Songwriters Max Martin und seinen Kollegen das Leben von Julia. Er hat mehr Nummer-eins-Hits produziert, als jeder andere Künstler. Katy Perrys „I Kissed A Girl“ und „Roar“, Justin Timberlakes „Can’t Stop The Feeling“, Bon Jovis „It’s my Life“ oder „Perfect“ von P!nk stammen aus seiner Feder und werden in neuen Musical auf die Bühne gebracht. (Titelliste auf Wikipedia). Das Einfügen in die Story funktioniert erstaunlich gut, auch wenn es manchmal etwas plump wirkt, dann aber urkomisch ist.

Premierenbilder © Stage Entertainment/Morris Mac Matzen


Chiara Fuhrmann spielt die Hauptrolle in & JULIA

Nach dem größten Bewerber:innenansturm in der Geschichte von Stage Entertainment (es meldeten sich doppelt so viele Bewerberinnen und Bewerber als bei einem anderen Musicals) wurde der gebürtigen 29-jährigen Osnabrückerin Chiara Fuhrmann die Titelrolle der Julia zugesprochen. Für die Musical-Darstellerin ist es die erste Titelrolle und die Erfüllung eines großen Traums. Dem deutschen Musical-Publikum dürfte sie bereits bekannt sein: Als Ensemblemitglied und Cover Elphaba war sie in WICKED zu sehen. Und noch bis September spielte sie alternierend die Prinzessin Anna in Disneys DIE EISKÖNIGIN im Stage Theater an der Elbe. In der Titelrolle als Julia überzeugt sie mit jugendlicher Frische und starker Stimme auf ganzer Linie.


Der weitere Cast

Der charakterlich schwach gezeichnete Romeo wird von Raphael Groß gespielt, der zuletzt die Hauptrolle in „Footloose“ verkörperte und mit „Tanz der Vampire“ zum Publikumsliebling wurde.

Andreas Bongard übernahm die Rolle des Autors William Shakespeare, der die Geschichte von „Romeo & Julia“ zum Leben erweckt.

Als Shakespeares Frau Anne Hathaway schreibt Willemijn Verkaik die bekannteste Liebesgeschichte der Welt neu und zeigt auf, dass es für Julia ein Leben nach Romeo gibt. Sie spielt wunderbar zynisch, selbstbewusst und arrogant. Sie war zuletzt in der Hauptrolle von Disneys „Eiskönigin“ zu sehen, die sie im Film bereits synchronisierte. Mit Hauptrollen u.a. in „Ghost“, „Rebecca“ oder auch „Tarzan“ zählt sie zu den größten Musical-Stars des Landes und ist auch darüber hinaus durch ihr internationales Engagement bei „Wicked“ bekannt. Stimmlich beeindruckte sie und es gab Szenenapplaus nach einer Gesangseinlage von „That’s the Way It Is“ (Céline Dion). Man kann sie sozusagen als heimliche Hauptdarstellerin betrachten.

Jacqueline Braun begleitet Julia als Amme Angelique auf ihrer Reise. Sie ist dem Publikum vor allem durch ihre Rollen bei „Mamma Mia!“ und „Anastasia“ bekannt. Auch sie begeisterte das Publikum mit ihren Gesangseinlagen.

Carlos de Vries verkörpert Lance, den Vater von Francois und steht aktuell noch als Ike Turner bei „Tina“ in Stuttgart auf der Bühne. Als sein Sohn Francois begibt sich Oliver Edward („Hamilton“) auf eine Selbstfindungsreise.

Bram Tahamata („Hairspray“) spielt Julias queeren best boyfriend May. Die Band des Stage Operettenhauses spielt verdeckt unter der Leitung von Philipp Gras

Auch das Bühnenbild und die Kostüme versprechen eine Mischung aus beiden Welten des 16. Jahrhundert und der Pop-Culture. Kostüme mit Bezügen zur Shakespeare-Zeit treffen auf die Streetware der 1990er und 2000er Jahre mit pinken Rucksack und Bomberjacke sowie Neonreklame und Jukebox.

Die Bühne wandelt sich durch herabgelassene Prospekte und eingeschobene Möbel zwischen Schlafgemächern, Club und Kutschenfahrt. Eine LED-Rückwand, die mit fantastischen Hintergrundmotiven aufwartet in Verbindung mit dem stimmigen Lichtdesign, der energiegeladenen Inszenierung von Luke Sheppard und der rasanten Choreografie von Jennifer Weber schickt sich „& Julia“ an, nach den Produktionen in den bisherigen Ländern auch in Deutschland ein Hit zu werden und ein neues Publikum anzusprechen.

Es gab am Ende der Schlussszene Katy Perrys „Roar“ minutenlange Standing Ovations. Zur Medienpremiere ließ es sich Songwriters Max Martin nicht nehmen, persönlich vorbeizukommen. Mit „Moin Hamburg“ begrüßte der Schwede das Publikum, um dann englisch fortzufahren. Er erzählte, dass Hamburg immer etwas Besonderes für ihn ist und die Backstreet Boys – dessen von ihm komponierten Song „I Want It That Way, Everybody“ auch Bestandteil des Musicals war – in Hamburg groß geworden sind. Außerdem bedanke er sich beim Musical-Cast.

Fazit: Es ist ein Jukebox-Musical voller Liebe, Konflikte, Female Empowerment und Selbstfindung, die das Publikum mit Pop-Hits und mehreren überraschenden Wendungen begeistert. “& JULIA” bietet eine moderne und mitreißende – manchmal etwas überdrehte und absurde – Parodie von Shakespeares Klassiker, die das Herz berührt und zum Nachdenken anregt. Die Musical-Fassung bricht mit dem Shakespeares-Original und die Botschaft ist klar: Sei wie du bist, und sei stolz drauf. Es bietet einen brillanten Cast. Bleibt zu hoffen, dass das Stück im Operettenhaus nicht so ein frühzeitiges Aus ereilt wie „Kinky Boots“ oder „Hamilton“ zuvor im gleichen Venue. Uns zumindest hat das Musical besser als ihre Vorgänger am gleichen Ort gefallen, wobei das Bühnenbild und die Atmosphäre nicht an den Lückenfüller und Klassiker „Tanz der Vampire“ heranreicht. Trotzdem: Es hat alles, was ein energiegeladenes Musical braucht und Potenzial, um ein großer Hit zu werden.

TICKETS

Wer im Anschluss an das bunte Party-Musical-Erlebnis & Julia die ursprüngliche Geschichte als Musical erleben will, kann dies ab dem 17. April 25 tun. An diesem Tag findet im Berliner Theater des Westens die Wiederaufnahme von Romeo & Julia – Liebe ist alles statt (der Vorverkauf läuft bereits).

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