Lip-Syncing, fetzige Musik und Akrobatik

Wolfgang Karg

Das schönste Playback ist live: Im GOP Varieté-Theater Bremen hob sich der Vorhang zur Premiere der neuen Show „Playback“.

Das Ensemble der brandneuen Show hauchte bei der Premiere altbekannte und beliebte Songs der vergangenen Jahrzehnte neues Leben ein. Wenn die Artistik die Musik neu interpretiert, wenn die Musik der Artistik ein neues Gewand verleiht, entsteht eine große Symbiose aus Live und Playback. Kaum eine Sekunde der neuen Show vergeht ohne die ständige Begleitung durch Hits aus allen Ecken der Musikwelt. Klassiker aus den 70ern und 80ern, virale TikTok-Hits und Musical-Nummern, viele Songs wurden dabei im schnellen Wechsel nur mit wenigen Takten angespielt.

Playback will gelernt sein. Die Darsteller:innen mussten das Lip-Syncing, also die realistische Lippensynchronität üben, da sie es gar nicht kannten, teilweise in Sprachen, welche die Artists gar nicht sprechen. Nur in den gefährlichen Momenten synchronisieren die Artisten nicht mit, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten. Komisch wird es, wenn die Stimme überhaupt nicht zu der Person passt und einem stämmigen Mann piepsige Töne zu entströmen scheinen, wie man es aus der aktuellen Haribo-Werbung kennt. 

© Nordevents – Playback

Schon vor Beginn der Aufführung ging es los mit dem Lip-Syncing: Die Show wurde von einer Stimme aus dem Off vorgestellt, während der Regisseur Detlef Winterberg vor dem roten Vorhang stand und versuchte, seine Lippen zum Text zu bewegen.

Bevor sich der Vorhang öffnete, staubte eine Putzfrau ihn erst einmal ab. Dargetellt von Paula Alvala, die mit humorvoller Mimik das Publikum zum Lachen brachte und ihre Solo-Nummer mit ihrem Luftring darbot. Die brasilianisch-italienische Schönheit begeisterte das Publikum vor allem mit ihrer vielseitigen künstlerischen Ausdrucksweise. Neben unzähligen Preisen, die sie in der Welt von Show und Spektakel gewann, bereist sie mit zeitgenössischen Artistik-Produktionen die ganze Welt und wirkt in diversen Live-Musicals mit. 2022 trat sie bereits in der GOP Show „Wunderbar“ als Feuerschluckerin auf.

Die verschiedenen Showelemente wurden von Simon-James Reynolds miteinander verbunden. Es gab zwar keinen Text, doch er tauchte immer wieder zwischen den Varieté-Nummern mit immer neuen Kostümen auf und verband die Performances miteinander. Er lieferte nicht nur mit Gesang, Tanz und Schauspiel eine mitreißende Performance, sondern beeindruckt auch am Aerial Pole. Das ist wie Pool Dance, nur hängt hier die Stange freischwebend von der Decke. Offensichtlich war eine Fanbase im Publikum (Dragqueens), die mächtig Stimmung machen („Ich liebe dich, ich will ein Kind von dir!“) aber auch nach der Show im Foyer dankbares Fotomotiv waren. Reynolds brachte selbst auch Diversität in die Show.

Der in Australien geborene Italiener mit Wohnsitz in Belgien lernte sein Handwerk an der Zirkusschule in Australien und liebt es, artistisch immer wieder Neues auszuprobieren.

Der Berliner Andalousi Elakel präsentierte einen Equilibristik-Act auf einem eingestaubten, roten Sessel, mit dem die Show eröffnet wurde und das Publikum in seinen Bann zog. Elakel beherrscht die Kunst der Körperbeherrschung in Perfektion. Er wechselte mühelos zwischen dynamischen Sprüngen und eleganten Handständen. Wir kannten ihn schon von der Show „Wet“, hier war sein Utensil eine Badewanne.

Playback – überraschend live

Das ungarische Duo Sebastian & Kristina sind wahre Profis im Quick-Change, ihre blitzschnellen Kostümwechsel, bei der sie innerhalb von Sekunden ihre elegante Garderobe wechselten. Mit jedem neuen Kostüm begann ein neuer Song, der jeweils thematisch zum Kostüm passte. Als dann auch noch ein Stellvertreter aus dem Publikum die Dame fesseln durfte und sie in Sekunden mit seiner Jacke angezogen war, dann erstand das Publikum überhaupt nicht mehr, wie es so schnell funktionieren konnte. 

Die Beiden haben mit ihren Zaubereien schon bei Roncalli, auf Kreuzfahrtschiffen, beim mongolischen Staatszirkus und in der chinesischen Metropole Wuhan vor 4.000 Menschen gespielt.

Ian & Charlotte zeigen als Duo Akrobatik Partnerakrobatik in beeindruckender Langsamkeit, aber mit gleicher Faszination. GOP Fans kennen das Duo bereits aus der Show „Bang Bang“.

Zusammen mit dem Absolvent der École de Cirque de Québec Martin Regouffre, der auch als Diabolo-Jongleur mit seiner verspielten und sinnlichen Diabolo-Jonglage begeistert, bilden sie das Trio En Masse. Als Trio Banquine bilden Martin und Ian das Fundament. In dieser Formation präsentieren sie einen spektakulären Banquine-Act, bei dem den Zuschauern der Atem stockt, wenn die beiden Männer Charlotte bei Nathan Evans bekanntem Shanty „Wellerman“ durch die Luft schleudern.

Yordani und Sirenia aus Kuba vom Duo Skating Phoenix beherrschen die Kunst der Rollschuhakrobatik. Mit großer Geschwindigkeit wird die Dame durch die Luft gewirbelt, auch wenn er die Augen verbunden hatte und die beiden lediglich mit einem breiten Band auf das sie biss verbunden waren. Die beiden Absolventen der staatlichen Zirkusschule von La Havana bewegen sich mit spektakulären Akrobatik-Moves auf ihrer runden Skatefläche. Bei der bulgarischen Variante vom „Supertalent“ wurden sie mit einem Gold-Buzzer direkt ins Finale geschickt.

Mit den Circusschulen Ecole Nationale de Cirque de Châtellerault und der Ecole de Cirque de Québec studierte die Französin Margot Bullmann gleich an zwei international renommierten Orten. Dort erlernte sie auch die Kunst des Cyr Wheels. 

Es gab Standing Ovations

Dass der vollbesetzte Saal am Ende tobte, verwundert nicht.Als Zugabe gab es natürlich noch einen Song von Freddy Mercury.

Wer Lust auf fetzige Musik und beeindruckendes Varieté mit einer Prise Diversität hat, sollte sich die Show nicht entgehen lassen und auf „Play“ drücken. Noch bis zum 04. Mai 2024 gibt es die Lip-Sync-Show im GOP Bremen zu sehen. 

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