GOP Bremen: Die Bühne wird zum Spielplatz

Wolfgang Karg


Bremen, – 08.10.2024 – „Alive. Das Leben spielt“ ist die neue Show, welche am Freitagabend am GOP Varieté Theater Bremen Premiere hatte. Direktor Philipp Peiniger zog ein Resümee der letzten Spielsaison. Genau 100.201 Gäste besuchten die Shows. Regisseur Robin Witt (der selbst jahrelang Artist am GOP gewesen ist) will in seiner ersten Inszenierung zeigen, dass das Erwachsenen-Leben Muster wiederholt, die sich schon im Sandkasten zeigen. Er hatte in Hannover öfters an einem nahegelegenen Spielplatz trainiert, und so kam ihm die Idee für die Show. Das Bühnenbild zeigt einen Spielplatz mit einem grünen Hügelchen, von dem eine Rutsche herabführt und weder Sandkasten noch Wippe oder Klettergerüst fehlen. Auf dem Spielplatz werden Freundschaften geknüpft und Kräfte werden gemessen. Bremen ist der 2. Spielort für ALIVE und verbindet eben diesen spielerischen Umgang mit der Erwachsenenwelt. Und auf vermeintlichen Kinderspielplatz-Geräten wird plötzlich Artistik gezeigt.

© Nordevents


Es passiert tatsächlich viel auf der Bühne, dass man kaum mehr mitkommt und kaum mehr weiß, wohin man schauen soll. Doch immer, wenn ein Act zur Geltung kommen soll, sind die Mitspieler wie von Geisterhand verschwunden. Mittendrin stand ein Mann, der vergeblich versucht, einen der Passanten anzusprechen. In all der Hektik werden seine Kontaktversuche nicht erwidert und er bleibt traurig und allein zurück. Bis er doch noch erfreut Spielkameraden entdeckt: das Publikum.


Wer vorne sitzt, wird Teil der Show

Mit Jeff Hess, dem Meister aller Grimassen, kommt Leben auf den Spielplatz. Schlichtere Komik und faszinierende Körpersprache zeigt seine einzigartige Form des Slapsticks. Sein Talent für Komik brachte ihm nicht nur zahlreiche Preise ein, sondern auch ungewöhnliche Auftrittsorte wie einst die Geburtstagsparty von Musik-Ikonen wie Bon Jovi oder Bop Hope, einem der populärsten Hollywood Front-Entertainer seiner Zeit. Seine kleinen Auftritte sind verrückt bzw. wie er selbst sagt „bescheuert“. Nur mit einem Lenker und einer Tröte bewaffnet zieht er beispielsweise auf seiner nur in der Vorstellung existierenden „Harley“ durch den Zuschauerraum und angelt sich einen Zuschauer und macht ihn kurzerhand zum Mitspieler. Auch ein imaginiertes Tischtennismatch bindet einen Protagonisten aus dem Zuschauerraum mit ein.

Den ersten artistischen Auftritt hat Shu Takada. Der studierte Sportwissenschaftler aus Yokohama bezaubere tänzerisch schwungvoll mit dem Jojo. Er gewann bereits sechsmal den Titel zum Jojo-Weltmeister! Seine Geschwindigkeit und Kunstfertigkeit sind atemberaubend. Das ist ganz klar ein Beweis dafür, dass Jojos viel mehr als banale Kinderspielzeuge sind.

Eine in der Show immer wiederkehrende Szene ist die eines jungen Mannes, der vergeblich versucht, die Aufmerksamkeit des arroganten Mädchens zu erlangen, das ganz und gar in ihre Bücher versunken ist. Verkörpert wird die Rolle des hartnäckigen Verehrers von dem Österreicher Christoph Muchsel. Im Alter von zwanzig Jahren entdeckte er die chinesischen Kampfkünste für sich. Mit seinem Können gewann der Wiener bereits sechs Mal den österreichischen Meistertitel und nahm an mehreren Europacups teil. Mit seiner schier unglaublichen Körperbeherrschung, erlernte er sich auch auf seinen Händen zu balancieren und irgendwann hatte er seinen ersten Handstand-Act kreiert. Auch zeigte er Cigarbox-Jonglage.

Besinnlich ist später der Auftritt von Sarah Stachowicz, eine diplomierte Schauspielerin und Musicaltänzerin aus Wien. Erst spät verband sie Tanz mit Artistik. Die Varieté-Newcomerin zeigte eine Nummer am Spinning Pole, einem sich um die eigene Achse drehenden Stab, sozusagen eine Art vertikales Ballett. Obwohl die Fliehkräfte des Stabes erheblich sind, war der eleganten Akrobatin die Kraft nicht anzusehen, die sie für ihre schwierigen Haltepositionen benötigte und windet sich zu entspannenden Klavierklängen um die Stange.

Drehende Artisten auf rundem Brett

Den Wahnsinn auf Rollschuhen entfaltet dann das Duo M.G. Wenn Daniel Monni auf einem kleinen runden Podest seine Partnerin Marina Sabetta in halsbrecherischer Geschwindigkeit im Kreis schwingt, sie manchmal nur mit einem Tuch um den starken Nacken hält, stockt dem Publikum der Atem. Als der sich drehende Artist seine Kollegin in wellenartigen Bewegungen um sich schleudert, schwebt ihr Kopf augenscheinlich nur knapp über dem Bühnenboden. Die staunende Anerkennung ging über in einen brausenden Applaus.

Die Spielplatz-Wippe benutzt das Trio Faludy aus Ungarn – Letícia Losonczi, Artúr Hema und Marton Horvath für ihre gewagten Acts als Teeterboard. Dabei springt einer der Männer von einem Podest auf das freie Ende des Schleuderbrettes und schleudert damit die zarte Letícia zu mehrfachen Salti in die Höhe.

Dass auch Langsames sehr fesselnd sein kann, kann man mit der Brasilianerin Mia Ferreira erleben. Auf dem selten zu sehenden Washington Trapez, das aussieht wie eine schwere Kinderschaukel mit Aufsatz, macht sie in großer Höhe freihändig schwingend Kopfstand.

Mila Roujilo wusste ihr Publikum zu verzaubern, mit ihren Hula-Hoops und der Eleganz brachte sie alle zum Staunen bringen. Temporeich wirbelte sie unzählige Ringe zum Takt der Musik um ihren Körper. Nikolai Shelamov ist erst kurz im GOP-Team. Normalerweise bindet er seine Slackline zwischen Bäumen, für seinen Auftritt hat er sich etwas aus Euro-Paletten gebaut. Bis hin zu einem Überschlag zeigte er verschiedene Kunststücke auf der Line.

Die letzte Szene der Show griff erneut das hektische Treiben vom Anfang auf. Doch nun ließen sich die Menschen aus ihrem Alltagsstress herausholen, um gemeinsam den Abendhimmel zu bestaunen. Die Gruppe griff nach den Sternen und warf sie dem Publikum zu. Und unser inneres Kind freute sich.

„ALIVE“ ist eine Varieté-Show, die Jung und Alt gleichermaßen begeistert. Bei heißen Rhythmen und fetziger Musik hält es auch das Publikum kaum auf den Sitzen. Die quicklebendige Show ist noch bis zum 05. Januar 2025 im GOP Varieté Theater Bremen zu sehen. Am 11. und 18.12.2024 gibt es eine Nachmittagsvorstellung „Kids For Nix“.

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