AMRUM– von Hark Bohm

Antje

Von Hark Bohm, Co-Autor Philipp Winkler

Erscheinungstermin: 1. Edition in deutscher Sprache, am 25.04.2024
Genre: Gegenwartsliteratur, Zeitzeugen, historischer Roman, Familiensaga
Einband: Gebundenes Buch
Seitenzahl: 304 Seiten
ISBN: 978-3-550202-698

Verlag: Ullstein Verlag

Bewertung: 10 von 10
Inhalt/ Klappentext:

Über die Verbundenheit zu einer Insel, die alles überdauert. Zwischen Heidekrautfeldern und dem endlosen Watt ist Nanning zu Hause: Amrum, die Nordseeinsel ist alles, was er kennt. Gemeinsam mit seinem besten Freund trotzt er der kargen Natur ab, was er kann, um während des Krieges für seine Familie zu sorgen. Sie jagen Kaninchen, treten Schollen und tauschen ihre Beute gegen das Notwendigste. Wenn es hart auf hart kommt, hält die Gemeinschaft zusammen, doch Nanning spürt das Misstrauen ihm und seiner regimetreuen Familie gegenüber. Mit dem Tod Hitlers brechen neue Zeiten an, und für Nanning wird sich alles ändern.
Amrum erzählt voll wilder Schönheit davon, was Herkunft bedeutet – und wie man lernt, den eigenen Weg zu gehen. Der Roman ist ein poetisches Zeitzeugnis, in dessen Kern eine zutiefst menschliche Geschichte steht.

»Ob als Filmemacher, Gesprächspartner oder Literat: Hark Bohm ist stets ein wahrhaft generöser Geschichtenerzähler.«
Fatih Akin

Rezension:

Die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs auf der Insel Amrum, eigentlich eine heile, abgeschiedene Welt, bringen auch hier Leid und Verluste in die Familien. Nanning und sein kleiner Bruder leiden unter der Trennung vom Vater, einem überzeugten Nationalsozialisten und einer ebenso linientreuen und depressiven Mutter. Die Familie ist aus Hamburg übergesiedelt zur Tante, die den Familienhof auf Amrum besitzt. Viele Verwandte und ehemalige Insulaner sind nach Amerika ausgewandert, so auch der geliebte Onkel Theo. Nannings Mutter ist hochschwanger, der Junge versorgt die Familie als landwirtschaftlicher Helfer auf einem der größeren Höfe auf der Insel. Der Großteil der Inselbewohner hält in diesen schwierigen Zeiten zusammen und unterstützt einander, nur Wenige sind aus Eigennutz wirklich linientreu.

Mit seinem besten Freund, Hermann, jagt er Kaninchen und „tritt“ in den Prielen im Amrumer Wattenmeer das Gold der Insel, so wurde damals die „Schollenwährung“ genannt. So kann er seiner hochschwangeren Mutter den größten Wunsch nach Butter und Honig erfüllen.

Mehr als einmal bringt Nanning sich in Gefahr auf der Nordsee, immer auf der Suche nach Schollen und anderen Meerestieren, um die Familie zu versorgen. „Nordsee ist Mordsee“ wird auch hier zu einem mahnenden Leitspruch der Insel- und Küstenbevölkerung.

Heimlich wird bei Tante Ena Radio gehört, BBC, darauf stehen drakonische Strafen, auch in der Schule wird den Kindern noch absoluter Gehorsam und der Hitlergruß abverlangt. Über das Radio erfahren die Insulaner auch vom Tod Hitlers im Berliner Führerbunker. Direkt nach Hitlers Tod treffen immer mehr US Navy Angehörige auf Amrum ein, Verhöre zur Mitgliedschaft in der NSDAP beginnen. Nun zeigt sich für Nanning, was wahre Freundschaft wert ist.

Fazit:

Hark Bohm ist als Drehbuchautor und Produzent bekannt für seine Schilderungen von Jugendlichen in problematischen Situationen. Filme wie „Nordsee ist Mordsee“ oder „Moritz, lieber Moritz“. In „Amrum“, seinem ersten Roman, erzählt er seine eigene Geschichte aus Sicht des 10-jährigen Protagonisten Nanning.

In einer sehr bildhaften, ruhigen und berührenden Sprache bringt er das harte Leben auf der Insel Amrum, aber auch die Schönheit und Ruhe der Natur und der Tierwelt zum Leuchten. Die Erlebnisse Nannings in diesen letzten Kriegsjahren, die innere Zerrissenheit, die bewusste Entscheidung gegen das Naziregime und damit gegen die eigenen Eltern, verlangen dem viel zu früh erwachsen gewordenen Jungen viel ab. Doch ist es auch eine Mahnung an die nachfolgenden Generationen.

Ein wundervoll gestalteter Bucheinband, der das gesamte Farbspektrum der Nordseeinseln umfasst, blauer unendlicher Horizont, karge Heidelandschaften und gelb goldener Strand verschmelzen mit dem Wattenmeer, ein einsamer Strandwanderer. Die Verbundenheit Hark Bohms mit seiner Insel Amrum wird noch greifbarer.

Hark Bohm ist leider schwer erkrankt, das hat die Fertigstellung seines Romandebüts mehrmals verzögert. Auch an einem Drehbuch zum Film „Amrum“ hat er mitgewirkt, dieser soll von Faith Akim verfilmt werden.

Ein Wort in eigener Sache. Ich halte nicht viel von „Pflichtlektüren“. Dieser Roman kommt zu einer Zeit, in der es so manche politische Strömungen gibt, die doch sehr auf das kollektive Vergessen setzen bzw. ihre Fakemeldungen verbreiten. Eventuell kann „Amrum“ doch bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Verfasst von einem wahren Zeitzeugen, der seine Familiengeschichte in keinster Weise beschönigt. Danke an Hark Bohm für diese Zeitzeugenschilderung!

Autoren:

Hark Bohm wurde 1939 in Hamburg geboren und verlebte seine Kindheit auf Amrum. Er ist einer der bekanntesten Regisseure, Drehbuchautoren und Produzenten Deutschlands. Zu seinen größten Erfolgen zählen u. a. „Nordsee ist Mordsee“, „Yasemin“ und „Aus dem Nichts“, für dessen Drehbuch er mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde. „Amrum“ ist sein erster Roman, den er gemeinsam mit Philipp Winkler schrieb. Philipp Winkler, 1986 geboren, studierte literarisches Schreiben in Hildesheim. Sein Debütroman Hool wurde von der Kritik begeistert aufgenommen und stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Heute lebt und arbeitet er als freier Autor auf dem niedersächsischen Land. 

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