DU und Ich und der SOMMER

Antje

Von Katerina Silwanowa und Elena Malisowa

Erscheinungstermin: Deutsche Erstausgabe Edition am 28. Februar 2024 – Die Originalausgabe erschien im Jahr 2021 unter dem Titel ‎ ЛЕТО В ПИОНЕРСКОМ ГАЛСТУКЕ ( Leto v pionerskom galstuke) in russischer Sprache
Genre: politischer Roman
Einband: Taschenbuch
Seitenzahl: 512 Seiten
ISBN: 978-3-764508-692

Verlag: Blanvalet Verlag

Bewertung: 9 von 10
Inhalt/ Klappentext:

Ein Sommer und der Zauber der ersten Liebe …

Als der rebellische sechzehnjährige Jura das Sommerlager in Charkiw betritt, glaubt er ein paar lange, langweilige Wochen vor sich zu haben. Doch dann tritt Wolodja in sein Leben. Der sonst eher nachdenkliche Neunzehnjährige plant, ein Theaterstück auf die Beine zu stellen, und bittet Jura um Hilfe. Während der Vorbereitungen für das Stück merken die Teenager, dass sie weitaus tiefere Gefühle füreinander hegen als nur Freundschaft. Gefühle, die verboten sind und von denen niemand etwas erfahren darf. Nach dem Sommer trennen sich die Wege der beiden. Zwanzig Jahre vergehen – Jahre voller Veränderungen, Jahre, in denen sie einander nie vergessen können. Bis Jura endlich beschließt, seine erste Liebe Wolodja wiederzufinden …

Sensibel und berührend erzählt das russisch-ukrainische Autorenduo von einer besonderen Liebesgeschichte in einem Land, in dem Anderssein bis heute unter Strafe steht.

Rezension:

Ein Pioniersommerlager im Jahr 1986 bei Charkiw, vor der Aufteilung Ukraine – Russland, und lange vor den blutigen Aufständen rund um den Kiewer Majdan Nesaleschnosti Platz.

Der rebellische 16-jährige Jura verbringt einen Sommer im Pionierlager „Sina Portnowa“, ihr Deckname lautete die Schwalbe. Kein sozialistisches Kind bzw. junger Heranwachsender sollte in den Sommerferien herumlungern oder gar sich selbst überlassen werden. Für die politische Propagandaerziehung und den Gemeinschaftssinn, in Wahrheit eine Möglichkeit, die Kinder und ihr Umfeld zu überwachen, wurden die Jugendlichen in diese „Sommerfrische“ verschickt. Der Originaltitel in russischer Sprache bringt es auf den Punkt „Ein Sommer in einem roten Pionierhalstuch (Krawatte)“.

Jura eckt überall an, da er viele Dinge infrage stellt, mehrmals muss er bei der Lagerleitung Rede und Antwort stehen. Zudem hat seine Familie Kontakte in den subversiven Westen, ein Grund mehr, den Teenager zu überwachen.

Der einzige Mensch, der Jura die Zeit durchstehen lässt, ist sein Gruppenleiter Wolodja, gerade einmal 19 Jahre alt. Sein erster Einsatz als Gruppenleiter in einem Sommerlager. Der sensible junge Mann gerät oft an seine Grenzen, auch er spürt den Druck des sozialistischen Erziehungssystems und der verblendeten Propagandaparolen, die morgens, mittags und abends aus den Lagerlautsprechern plärren.

Wolodja entwickelt ein Theaterstück, welches am Ende des Sommerlagers von den Pionieren aufgeführt werden soll. So will er sich profilieren und hofft auf die Anerkennung seiner Vorgesetzten. Er hat aber durch seine Unbeholfenheit keinen guten Draht zu den jungen Pionieren und Pionierinnen. Er bittet Jura um Hilfe, der sehr gut organisieren und überzeugen kann.

Jura entdeckt eine ungewohnt starke Zuneigung für Wolodja und ist anfangs total verwirrt. Wolodja lehnt Jura erst mehr und mehr ab, er meidet ihn tagelang. Doch Wolodja will ihn nur schützen und sich auch. In dieser Zeit war die Homosexualität in Russland/Ukraine absolut verboten und von der Gesellschaft geächtet. Männer wurden aus der Gesellschaft ausgeschlossen und mit Haftstrafen belegt.

Und wie immer, die zarte junge Liebe siegt. Jura und Wolodja treffen sich heimlich am Fluss oder im weitläufigen Gelände des Lagers. Ständig in Angst, von anderen Pionieren oder Gruppenleitern verraten zu werden.

Zum Ende der Sommerferien verlieren sich die beiden jungen Männer aus den Augen, Jura schreibt Wolodja etliche Liebesbriefe, die aber nie beantwortet werden. Jura wanderte ob der politischen Verfolgung mit seinen Eltern nach Westdeutschland/Berlin aus. Doch 20 Jahre später zog es ihn zurück in die Gegend um Charkiv, auf den Weg in das Pionierlager Schwalbe und immer noch auf der Suche nach seiner ersten großen und einzigen Liebe Wolodja.

Fazit:

Die Autorinnen schreiben in einem flüssigen und bildhaften Schreibstil. Wie so oft bei russisch/ukrainischen Autor;innen liegt ein wenig Schwermut und Lyrik in der Schreibweise, z.B.bei der Schilderung des Klavier- und Geigenspiels zur Untermalung der Theateraufführung.

Somit schildern uns die Autorinnen aber auch authentisch das Leben und die psychische Verfassung der jungen Menschen in diesem System und in einem Pionierlager. Eine ungewöhnliche Erzählung über eine verbotene Liebe in einem unmenschlichen System, das bis heute existiert. Jedoch auch in der heutigen Ukraine wird die LGBTQ Community nicht wirklich anerkannt, besonders die Kirche hetzt gegen diese Menschen. Zitat zu homosexuellen Armeeangehörigen: „wie wollen Pädophile und Drogenabhängige unser Land verteidigen?“.

So verwundert es auch nicht, dass Putin den wunderbaren Roman verboten hat. Am 24. Juli 2024 erscheint der zweite Band der Trilogie um Juri und Wolodja mit dem Titel „Du und ich und die Schwalben“.

Autorinnen:

Elena Malisowa wurde 1988 in einer sowjetischen Provinzstadt geboren. Bereits als Kind verfasste sie erste Gedichte, später kamen Kurzgeschichten und Romane dazu. 2016 lernte sie Katerina Silwanowa kennen, und die beiden beschlossen, ein gemeinsames Buch zu schreiben. Die Veröffentlichung von ‚Du und ich und der Sommer‘, die von der ersten Liebe zwischen zwei jungen Männern in einem sowjetischen Sommerlager erzählt, löste eine Welle der Begeisterung bei den Leser*innen sowie auf TikTok aus und eroberte Platz 1 der russischen Bestsellerliste. Aufgrund der Thematik wurde die Reihe in Russland als ‚LGBTQ-Propaganda‘ eingestuft und verboten, die Autorinnen wurden daraufhin des Landes verwiesen. Elena Malisowa lebt mittlerweile in Deutschland, Katerina Silwanowa musste in die Ukraine zurückkehren.

Weitere Literaturrezensionen:
Schon geteilt?