Mama, bitte lern Deutsch

Jonas Sehlen

von Tahsim Durgun

Erscheinungstermin: 3. März 2025
Genre: Biografie / Gesellschaft & Politik
Einband: Taschenbuch
Seitenzahl: 208
ISBN: 978-3-426-56114-0​
Verlag: Knaur HC​

Bewertung: 8 von 10

Mit „Mama, bitte lern Deutsch“ legt Tahsim Durgun ein bemerkenswertes Debüt vor, das autobiografische Elemente mit gesellschaftlicher Reflexion verbindet. Der Autor, bekannt geworden durch seine Präsenz in sozialen Medien, beweist, dass hinter dem humorvollen Ton eine tiefgründige, literarisch interessante Stimme steckt.

Im Mittelpunkt des Buches steht das Aufwachsen eines kurdischstämmigen Jungen in Deutschland – zwischen den Sprachbarrieren seiner Eltern, insbesondere seiner Mutter, und den ständigen Anforderungen einer Gesellschaft, die Integration oft mit Assimilation verwechselt. Der Titel des Buches – gleichzeitig Bitte, Vorwurf und Symbol – fasst die emotionale Zerrissenheit der Hauptfigur eindrücklich zusammen.

Durgun gelingt es, diese komplexe Gemengelage mit Leichtigkeit und Tiefgang zu erzählen. Der Ton ist oft humorvoll, ohne ins Banale abzugleiten. Gerade in den humorvollen Passagen entfaltet sich eine stille Tragik, die zwischen den Zeilen wirkt. Die Stärke des Buches liegt nicht nur im persönlichen Erfahrungsbericht, sondern in der literarischen Verdichtung individueller Erlebnisse zu exemplarischen Momenten gesellschaftlicher Realität.

Sprachlich ist das Buch zugänglich, stellenweise fast lakonisch. Durgun verzichtet bewusst auf überhöhte Metaphern oder stilistische Extravaganzen – seine Sprache ist klar, präzise und emotional nachvollziehbar. Besonders hervorzuheben ist die Fähigkeit des Autors, mit wenigen Sätzen ganze Lebenswirklichkeiten aufzuspannen – sei es das Gefühl, als Dolmetscherkind zu früh Verantwortung übernehmen zu müssen, oder das stille Leiden der Mutter an ihrer eigenen Unsichtbarkeit in der Gesellschaft.

Thematisch ist das Buch hochaktuell: Es stellt Fragen nach Zugehörigkeit, Sprachmacht, Identität und strukturellem Rassismus – ohne moralisch zu belehren. Vielmehr lädt Durgun zur Reflexion ein und überlässt es dem Leser, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen. Dies verleiht dem Text seine intellektuelle Offenheit und macht ihn auch im literaturwissenschaftlichen Kontext interessant.

„Mama, bitte lern Deutsch“ ist mehr als ein persönlicher Erfahrungsbericht – es ist ein literarischer Beitrag zur gegenwärtigen Debatte über Integration, Identität und Sprache in Deutschland. Durgun überzeugt durch Authentizität, sprachliche Souveränität und ein feines Gespür für Zwischentöne.

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