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MARILLION: "With friends at St. David`s"

Die Musik von Marillion begleitet mich nun schon mein ganzes Leben. Nach dem Ausscheiden von Fish und dem Sängerwechsel zu Steve Hogarth fühlte es sich an wie bei Genesis von Peter Gabriel zu Phil Collins.

Marillion jagen nicht irgendwelchen Trends nach und so bringen sie lieber ein Live-Album mit ihren alten Titeln heraus, die mit klassischer Untermalung neu interpretiert wurden. Im 2019er Werk „With Friends From The Orchestra“ wurde durch die klassische Komponente den Stücken ein weitere, vielschichtige Facette verliehen. Noch vor der Corona-Pandemie ging man auf die „With Friends From The Orchestra Tour" und sorgte für Begeisterung.

Der Auftritt vom 16.11.2019 in der St.David’s Hall in Cardiff (Wales) wurde mitgeschnitten und fängt die Faszination perfekt ein, die mit Hilfe von orchestraler Untermalung ihrer Musik noch etwas mehr Pathos, sinfonischen Bombast und klangliche Tiefe verleiht. Man setzte auf auf längere, getragene Stücke. Das zeigt schon der überlange Opener „Gaza“ - ein Stück über die Zustände und Ängste der Menschen die in Gaza leben. Gaza ist in diesen Tagen ja wieder überall in den Medien traurigerweise im Gespräch.

Season’s End‘, ‚Ocean Cloud‘ oder ‚This Strange Engine‘ sind auch nicht kürzer und es gibt Gitarrensoli aber auch rockige Momente im Gegenpol wie bei ‚Zeparated Out‘ vom Album Anoraknophobia (2001), wobei das „Zep“ als Wortspiel dient, da man im Schlusspart Led Zeppelin’s ‚Kashmir‘ gitarren-lastig ergänzte. Der Ohrschmeichler „Seasons End“ ist ein Highlight des Sets, in dieser Version klingt das alles noch viel dramatischer und geht unter die Haut. Auch “Estonia” ist wieder ein Song wie gemacht für das Zusammenspiel mit den Orchestermusikern.

Vom Album „Brave“ ist “The Hollow Man” auf der Setlist, eingeleitet von ruhigen Pianopassagen, abwechselnd gespielt von Mark Kelly und Steve Hogarth. Mit Mark hatten wir ja vor einiger Zeit ein ---> Interview durchgeführt – ein sympathischer Mensch!

Aus dem überaus erfolgreichen, sehr politischen Album F.E.A.R. folgt der nächste Song “The New Kings”. Nach diesem intensiven Song gibt es in “The Sky Above The Rain” ein herausragendes Gitarrenspiel von Steve Rothery. Die ersten Zugabe sind dann “Ocean Cloud” und “Fantastic Place”. “This Strange Engine” bildet den großartigen Abschluss des Konzertabends.

Fazit: Da das Album im Selbstvertrieb auf dem eigenen Label Racket Records herauskam, wurden die teils recht langen Ansagen von Hogarth über die Begegnungen, woraus dann auch die Song´s entstanden sind, nicht wie so oft bei anderen Livealben einfach lieblos herausgeschnitten.

Das Album ist ein sehr schönes Mitschnitt mit orchestralem Beiwerk, bei dem neue Nuancen mit dem eigenen Material verschmelzen. Hier wurde mit viel Liebe zum Detail gehandelt. Einige Stücke wie “Beyond You” und “The Sky Above The Rain" wurden etwas radikaler verändert, bei ersterem wirkt durch die Streicher im Anfangsteil das Ganze noch voller. Bei anderen Stücken legte man das Orchester einfach über die Keyboards und erzeugte eine neue Intensität. Aufgrund der Länge vieler Stücke kommt man mit relativ wenigen Titeln auf eine Running Time von 131:27 Minuten. Im Großen und Ganzen ein gelungenes Live-Album in einem völlig neuen Licht. "Nur" 8/10 Punkte von mir, da es sich nicht um wirklich neues Material handelt.

 
Bewertung:

GENRE: Prog-Rock

TRACKLIST:

CD 1
1. Gaza
2. Beyond you
3. Seasons end
4. Estonia
5. The hollow man
6. The new kings

CD 2
8. The sky above the rain
9. Zeperated out
10. Ocean cloud
11. Fantastic place
12. This strange engine

VÖ: 28.05.2021
Format: 2 CD /3 LPs / 2 DVDs / 2 Blu-ray Discs
Label: RACKET Records
Vertrieb: earMusic/ Edel
Auf Tour im Norden: 06.11.2022 Pier 2 Bremen

Rezensent: Wolfgang

--> Musikvideo: Marillion - Seasons End - von 'With Friends at St David's'

  Interview mit --> Mark Kelly