Von Gregor Eder
Andreas Dorau könnte man schon fast als Urvater der neuen deutschen Welle bezeichnen. 1981 landete er mit dem bis heute unvergessenen Song „Fred vom Jupiter“ einen gewaltigen Hit und auch die Jahre darauf war der Hamburger Musiker nicht gerade untätig.
Am 14.02.2025 hat Herr Dorau sein neuestes und somit 16. Studioalbum veröffentlicht und im Rahmen der Veröffentlichung durfte ich Andreas anrufen, um ein Interview zu führen. Wie ihr es von mir gewohnt seid, fackelte ich nach einer kleinen Begrüßung nicht lange herum und schoss direkt mit der ersten Fragte los: „Woher kommt deine Faszination für Wien? Oder besser gesagt, wie kommt es dazu, dass sich ein Hamburger mit der Stadt Wien auseinandersetzt?„
„Also dafür gab es mehrere Auslöser. Zum einen finde ich Wien wirklich faszinierend. Wien ist ja von mir, also von Hamburg, aus gesehen die weit entfernteste deutschsprachige Großstadt. Dort gehen die Uhren sozusagen ganz anders als in Hamburg und das finde ich wirklich interessant. Zum Zweiten begreife ich Wien nicht ganz, was auch eben eine gewisse Faszination auslöst. Mitunter war das auch ein Ansatz bei diesem Album, sich im positiven Sinne an Wien abzuarbeiten und dadurch der Sache irgendwie habhaft zu werden, aber auch gleichzeitig zu wissen, dass man das Gesamte nie ganz begreifen wird. Es ist also kein Portrait der Stadt, oder eine Ode an jene, sondern eher eine Zusammenfassung von Aspekten der Stadt, welche mich interessieren. Aber kommen wir nochmal direkt zurück auf die Auslöser.
Es fing alles damit an, dass ich Nachmittags bei Freunden im Büro saß und diese meinten, dass sie aktuell keine Presse für ihre Platte bekommen. Daraufhin hab ich ihnen gesagt, dass es zwar genügend Leute gibt, die schreiben wollen, aber darüber natürlich auch Chefredakteure oder Redakteurinnen stehen, an welchen man mal vorbeimuss. Ich meinte dann, dass möglicherweise eine Platte mit einem konkreten Thema bei jenen gut ankommen könnte. Das fanden sie gut und fragten mich nach einem Thema. Ich habe daraufhin gemeint, dass irgendeine Großstadt gut wäre und nannte ohne groß nachzudenken Wien. Tatsächlich gefiel mir die Idee dann so gut, dass die neue Platte daraus entstanden ist.
Zum Anderen hatte ich mit zwei Freunden im Vorjahr einen Stadtplan für Lübeck erstellt, welcher als ergänzender Stadtplan zu verstehen ist. Natürlich mussten wir dazu viel recherchieren und diese Art zu recherchieren habe ich dann auch bei der neuen Platte angewandt. Durch diese Recherche sind dann mitunter so Songs wie „Wolfgang von Kempelens Sprechmaschine“ und auch „45 Lux“ entstanden“: erklärte Andreas.

Fotocredit: Rewika Promotion
Ich ließ diesen Schwall an Informationen kurz sickern und meinte, dass „45 Lux“ eine interessante Wirkung hat, wenn man es bei einem Abendspaziergang in Wien hört. Andreas meinte darauf: „Also es gibt 2 Städte, deren Lichtermeer mich immer wieder fasziniert und das sind Düsseldorf und Wien. Bei der Recherche dachte ich mir, dass es doch irgendein Amt gibt, welches für das Ein- und Ausschalten der Laternen zuständig ist und so fand ich heraus, dass es da einen Computer gibt, welcher eben bei 45 Lux die Laternen anschaltet. Beim nächsten Mal, wenn du durch Wien gehst, dann achte einmal darauf, wann die Laternen angehen.“
Ich meinte nur: „Soweit ich weiß, gehen jene meist um 20:30 herum an.“
Andreas erwiderte direkt: „Das kann eben nicht sein! Es gibt in diesem Fall keine konkrete Uhrzeit, sondern eben diesen Generalcomputer, welcher die Lux-Anzahl misst und die Laternen erst ab 45 Lux anschaltet. Da kann es 20:45 Uhr oder 20:15 Uhr, also kann es da gar keine konkrete Uhrzeit geben, an welcher die Lichter angehen.“
Und so geschah es, dass ein Hamburger einem Österreicher etwas über Wien erklärte. Dankbar für die Erleuchtung setzte ich direkt mit der nächsten Frage nach, bei welcher mir Andreas noch einen Aspekt über Wien erzählte, welchen ich nicht direkt auf dem Schirm hatte.
„Nach „45 Lux“ geht es dann ja mit „431 42“ weiter. Ich habe mittlerweile mitbekommen, dass es sich dabei um eine Hilfshotline handelt, aber die Nummer selbst habe ich als Österreicher bisher noch nicht gesehen. Bei uns kennt man eher „147“. Um welche Nummer handelt es sich jetzt konkret?“ fragte ich in freudiger Erwartung auf die Aufklärung.
Etwas verwundert antwortete Andreas: „Ich habe die Nummer ein paar mal überprüft, damit ich bloß keinen Scheiß singe. In Wien wird diese Nummer anscheinend auch „Kummernummer“ genannt, soweit ich mir erzählen lassen durfte. Bei der Nummer war jedenfalls mein Ausgangspunkt, dass Wien auch eine Stadt mit vielen schwermütigen Menschen ist. Jedenfalls wollte ich schon immer einen Song mit Zahlen im Refrain schreiben und dann habe ich das mit der Kummernummer verbunden. Die Nummer konnte auch gut gesungen werden uns so kam ich schlussendlich zur Idee eines Songs, in welchem ein Mensch diese Nummer immer bei sich hat, sollte er sich nicht gut fühlen.“
Komischerweise kannte ich diese Nummer wirklich, wobei Andreas und ich noch in ein paar Sätzen klärten, dass es daran liegen könnte, dass ich doch eine Stunde von Wien weg in Niederösterreich wohne und da andere Behörden zuständig sein dürften.
„Es ist also kein Portrait der Stadt, oder eine Ode an jene, sondern eher eine Zusammenfassung von Aspekten der Stadt, welche mich interessieren.“
Andreas Dorau
Hinsichtlich des sozusagen „nummerierten“ Refrain konnte ich nur ein Kompliment aussprechen und hierzu meinte Andreas: „Es gibt ja Bands, welche zuerst die Melodie schreiben und dann texten sie darauf. So wie ABBA oder die Bee Gees. Die deutsche Sprache ist dafür aber etwas ungeeignet, denn die guten deutschen Wörter sind entweder 2- oder 3-silbrig. Insofern kann man sie nicht wie eine Piano-Melodie gut putzen. Die meisten englischen Worte sind eher einsilbig und Deutschen eben nicht. Diesmal konnte ich eben den Song singen wie bei einer Piano-Melodie, da es Zahlen waren und das hat mich hier gereizt. Wenn man mit der deutschen Sprache einen halbwegs brauchbaren rhythmisieren willst, dann ist das durchaus schwierig.“
Über diesen Aspekt der deutschen Sprache hatte ich wirklich noch nicht nachgedacht, was aber nicht unbedingt verwunderlich ist, da ich meine Songs doch eher in Englisch verfasse.
Nachdem wir schon beim Songwriting angekommen waren, stellte ich zum Abschluss folgende Frage: „Wie schreibst du eigentlich bevorzugt deine Songs. Gibt es da ein gewisses Setting welches du bevorzugst, oder irgendwelche Eigenheiten?„
„Ich hatte das Gespräch schon mit einem anderen Journalisten vor ein paar Tagen. Also die Methode meines Songwritings ändert sich über die Jahre immer ein bisschen. Meistens habe ich Textfragmente, die ich mir auf dem Handy oder auf einem Zettel aufschreibe und dann später überlege ich über jene und so entsteht der Text. Ich weiß meistens nicht, was ich für ein Stück mache. Wenn mir der Refrain zum Beispiel etwas zu süßlich ist, dann setze ich etwas Herbes dagegen. Man könnte sagen, ich koloriere hier und da.“ erklärte Andreas.
Ich hoffe Andreas koloriert noch viele weitere Alben, denn alleine aus der kurzen Zeit, in der wir gesprochen haben, hat sich mir ein ganz eigener Zugang zur Musik eröffnet.
Das Gespräch mit Andreas war wirklich sehr entspannt und teils auch lehrreich! Somit möchte ich mich noch einmal direkt bei ihm für dieses Interview bedanken und euch da draußen „Wien“ wärmstens empfehlen. Das Album bringt einige Feinheiten mit sich und auch wirklich feine Beats, doch darüber könnt ihr euch in der dazugehörigen –> Rezension informieren.
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